11.4.3 Für einen „fairen
globalen deal“
Der 1992 in Rio de Janeiro unternommene
Versuch eines unter dem Vorzeichen nachhaltigen Wachstums an
Umwelt- und Entwicklungsinteressen orientierten Nord-Süd
Ausgleichs ist nur teilweise gelungen. Das Kioto Protokoll und die
Biodiversitätskonvention (s. Kapitel7.7.3 & 4) sind
die bekanntesten Ergebnisse der Agenda21 – mit ihren
zehntausendfachen lokalen, regionalen und nationalen
Aktivitäten weltweit – und wurden als erste praktische
Schritte zu einem nachhaltigen Zivilisationsmodell verstanden. Ein
wichtiger Durchbruch hierbei war auch die Global Environment
Facility (GEF) mit einem Nord-Süd paritätischen
Entscheidungsmechanismus aber einer gemessen an den Rio
Vereinbarungen bis heute nur ungenügenden Finanzierung.
Lediglich etwa 1 Prozent
der vom UNCED Sekretariat als für die Umsetzung der Agenda 21
geschätzten jährlich zusätzlich benötigten
Mittel werden hierüber aufgebracht. Eine Ursache dafür
ist, dass die sämtliche Staaten in den 90er Jahren
überrollende Globalisierungswelle – mit ihrer
einseitigen Orientierung auf die Freisetzung von
Wachstumskräften – diesen ersten Versuch eines
„globalen deal“ an den Rand der Aufmerksamkeit
schob.
Der 11. September ist weltweit auch als ein
Warnzeichen auf unerträgliche und nicht mehr
vernachlässigbare Unterschiede für die Chancen von
Menschen in Nord und Süd verstanden worden. Er hat deutlich
gemacht, dass nationale Sicherheit heute nicht ohne ein mehr an
menschlicher Sicherheit zu erreichen ist.19 Die heutige Aufgabe ist es, die mit der
Globalisierung täglich freigesetzten Wachstumskräfte im
Sinne eines „fairen globalen deal“20 deutlicher als bisher weltweit an sozialen
und ökologischen Grenzen sowie der kulturellen Vielfalt zu
orientieren.
Dazu gehören
auf Seiten des Nordens:
– der Übergang zu einer nachhaltigen
Wirtschaftsweise (s. Kapitel
11.4.2.1),
– die Berücksichtigung von Interessen
des Südens bei den globalen Regelwerken (11.4.2.1) sowie
– Schuldenerlass und Hilfen an den
Süden für nachhaltigkeitsförderliche Vorhaben
(11.4.2.1, 11.4.2.4),
und auf Seiten
des Südens:
– nachvollziehbare Verbesserungen des Human
Development Index , mehr Partizipation (11.4.2),
– Ansiedlung von Wertschöpfungsketten
im Süden („jobs to the people“) (11.4.2.3)
sowie
– Mitwirkung an der Umsetzung von
multilateral vereinbarten Umweltvereinbarungen und von
nachhaltigkeitsförderlichen Standards im Handel
(11.4.2.4).
19 In der EU und den USAwurden bislang pro Kopf
vergleichbar hohe Summen für menschliche und militärische
Sicherheit aufgewendet. In der EU und auch in Japan ist allerdings
der nichtmilitärische Anteil deutlich höher als in den
USA.
20 Hierfür gibt es vielfältige ähnliche
Vorschläge, s. z. B. Sachs (2002: 69ff.), UNEP
Generalsekretär Prof. Töpfer anlässlich seiner
Eröffnungsansprache bei einer Veranstaltung des
Nachhaltigkeitsrats am 13.5.2002 in Berlin.
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