2.4.1
Stabilisierung der Währungsmärkte28
Ein stabiler nominaler Wechselkurs ist die
Grundlage einer stabilen ökonomischen Entwicklung von
Währungsgebieten innerhalb der durch Währungskonkurrenz
gekennzeichneten Weltwirtschaft. Allerdings erfordert die
Stabilität von Kursrelationen nicht deren Fixierung innerhalb
eines Systems fixer Kurse, wie es bis etwa 1973 gegolten hat.
Wechselkurse müssen sich flexibel wechselnden Lagen auf
Märkten für Güter und Dienstleistungen, insbesondere
aber den Transaktionen auf Finanzmärkten anpassen können.
Allerdings darf die Flexibilität nicht zur Volatilität
werden. Flexible Stabilität im Unterschied zur Fixiertheit
einerseits und Volatilität der Kurse andererseits erfordert
ein hohes Maß an Politikkoordination, in erster Linie zwischen
den drei großen Währungsblöcken. Diese tragen wegen
ihres Gewichts in der Weltwirtschaft generell und auf den
Finanzmärkten speziell eine hohe Verantwortung auch für
die schwächeren Partner der Weltwirtschaft. Von Seiten der
UNCTAD wird beklagt, dass sich die Akteure aus den großen
Industrieländern gegen die Volatilität von Wechselkursen
zu schützen vermögen. Den Akteuren aus den
Entwicklungsländern ist dies sehr viel schwerer möglich.
Wegen der Abhängigkeit der Finanzmärkte im Allgemeinen
und der Kursentwicklung schwächerer Währungen im
Besonderen sind von der Politik der regulierenden Instanzen in den
Schlüsselwährungsländern immer die Wirkungen von
Geld- und Währungspolitik in den Starkwährungsgebieten
auf die schwächeren Teilnehmer auf Währungsmärkten
in Rechnung zu stellen.
Dass währungspolitische Kooperation
zwischen der Europäischen Zentralbank, dem Federal Reserve
Board und der Bank of Japan erfolgreich sein kann, hat die
abgestimmte Intervention nach dem 11. September 2001 gezeigt.
Dieser Erfolg darf aber nicht zur Auffassung verleiten, dass
Wechselkurse gegen den Markt gestaltet werden könnten.
Vielmehr ist die Marktentwicklung so zu beeinflussen, dass
erratische Schwankungen von Kursen möglichst ausgeschlossen
werden. Da mehr als 95 Prozent der täglichen Umsätze auf
Devisenmärkten reine Finanztransaktionen sind, besteht eine
vordringliche Aufgabe darin, die Finanzmärkte zu
beeinflussen.
Die Volatilität der Kursbewegungen der
„großen“ Wäh rungen ist Anlass für
die Entwicklung einer Vielfalt von innovativen Finanzinstrumenten
durch spezialisierte Finanzinstitutionen, um sich und ihre Klienten
gegen erratische Schwankungen der Kurse abzusichern und diese
obendrein für Spekulationsgewinne auszunutzen. Diese
Möglichkeiten stehen kleinen und mittleren Unternehmen im
Gegensatz zu Konzernen in geringerem Maße und manchen
Entwicklungsländern gar nicht zur Verfügung. Die
große Volatilität der Kursbewegungen ist für sie
wegen der Wirkung auf Import- und Exportpreise, Zinsbewegungen,
Einkommen und Staatseinnahmen eher schädlich. Dies betont auch
die UNCTAD (2001) in ihrem World Investment Report (WIR). Daher haben vor allem
Entwicklungsländer und KMU Interesse an einer Reduzierung der
Volatilität, nicht die großen „global
players“, die genügend Instrumente zur Verfügung
haben, die Volatilität durch jeweilige Gegengeschäfte zu
kompensieren oder sogar spekulativ auszunutzen.
Auch für die Arbeitnehmer (und die
Gewerkschaften) wären weniger volatile Kursbewegungen von
Vorteil. Denn eine Aufwertung der jeweiligen Währung wirkt
ceteris paribus auf Exportmärkten wie eine Lohnerhöhung
und die Abwertung wie eine Lohnsenkung. Wenn man die Klausel der
„sonst gleich bleibenden Umstände“ aufhebt,
können auch gegenteilige Effekte eintreten. Zum Beispiel
verteuert eine Abwertung die Energieimporte, steigert dadurch die
Kosten und macht mittels einer „Preis- Lohn-Spirale“
den abwertungsbedingten Wettbewerbsvorteil zunichte. Umgekehrt
verbilligt eine Aufwertung Importe, kann daher zu einer
Kostenentlastung beitragen und zu einem Druck auf die
Lohnstückkosten führen, so dass die
Wettbewerbsfähigkeit nicht negativ beeinflusst wird.
Unstrittig jedoch dürfte sein, dass die Einkommens- und
Arbeitsplatzeffekte eher zu kalkulieren und in politische
Strategien umzusetzen sind, wenn die Wechselkursschwankungen
verringert werden.
Es sprechen also viele Argumente für
eine Politik der Stabilisierung von Wechselkursen. Abgesehen von
pro zess politischen Maßnahmen (in erster Linie
Geld- und Fiskalpolitik) kommen für eine Kursstabilisierung
zwei strukturelle Weichenstellungen in Frage: Die Integration von
Währungsgebieten, durch die Kurse entweder entfallen, wenn
– wie im Euro-Währungsraum – eine
Währungsunion gebildet wird, die Kurse (in Bandbreiten)
fixiert werden einerseits und die Segmentation von
Währungsgebieten durch Steigerung der Transaktionskosten
andererseits. Beide Möglichkeiten hat James Tobin29 ins Auge gefasst, als er
seinen inzwischen weltweit diskutierten Vorschlag einer Steuer auf
Kapitalbewegungen („Tobin Tax“) unterbreitete. Die
Devisentransaktionssteuer soll Währungsmärkte
segmentieren helfen; vorzuziehen allerdings sei, so Tobins
Auffassung, die Währungsintegration. Gehen wir zunächst
darauf ein.
28 Vgl. hierzu das Minderheitenvotum der
CDU/CSU-Fraktion in Kapitel
11.1.7.1.
29 James Tobin ist 1918 in Champaign, Illinois, geboren
und im März 2002 gestorben. Seit 1950 war er Lehrstuhlinhaber
an der Yale University. 1981 bekam er den Nobelpreis der
Wirtschaftswissenschaften für seine Analyse der
Finanzmärkte und deren Auswirkung auf die Einkommensverwendung
von Haushalten, auf die Beschäftigung, die Produktion und die
Preise.
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