2.6 Ausblick
und offene Fragen51
Es werden im Folgenden nur jene
„offenen Fragen“ benannt, die sich im Verlauf der
Arbeit der Arbeitsgruppe „Finanzmärkte“ ergeben
haben und in dem verfügbaren Zeitrahmen nicht beantwortet
werden konnten. Selbstverständlich gibt es noch viele andere
Fragen im Zusammenhang mit den Entwicklungstendenzen globaler
Finanzmärkte; auch der ausführlichste Bericht kann jedoch
nicht beanspruchen, in allen
oder auch nur den meisten Problemkomplexen das „letzte
Wort“ gesprochen zu haben.
An vielen Stellen des vorliegenden Kapitels
tauchte die Frage nach dem Verhältnis von
„monetärer“ und „realer“
Ökonomie auf. Die Diskussion darüber konnte nur
teilweise geführt werden, zum Beispiel anhand der
Entwicklungstendenzen von realem Inlandsprodukt und Realzinsen
(vgl. Kapitel 2.3.3).Die empirischen
Ergebnisse, theoretischen Deutungen und politischen Wertungen
blieben in der Diskussion strittig; davon zeugt der Ab
schluss bericht. Wegen der Bedeutung dieser Frage für
begründete Einschätzungen von Entwicklungstendenzen der
globalen Finanzmärkte, z. B. von
„Verselbständigungs tendenzen“ der
Finanzsphäre einerseits und von Wirkungen der Preisentwicklung
realer Größen (von Gütern und Dienstleis
tungen) sowie der Lohn- und Gewinn ein kommen (letztere
ohne Zinseinkünfte) auf die Dynamik der Finanzmärkte
andererseits, gibt es erheblichen Bera tungs
bedarf.
Zwar räumt der Abschlussbericht der
Analyse der Ursachen und Wirkungen der Schuldenkrise der
Entwicklungsländer in den 80er Jahren und der Währungs-
und Finanzkrisen von Schwellenländern seit Beginn der 90er
Jahre beträchtlichen Raum ein (vgl. hierzu Kapitel 2.3.1).Doch steht eine ähnlich
eingehende Analyse von Instabilitäten und Krisen der
Finanzmärkte in Industrieländern noch aus.
Beispielsweise war es nicht möglich, sich eingehend mit der
japanischen Bankenkrise zu beschäftigen, deren Bedeutung weit
über Japan hinausreicht, oder die Rolle des US-Dollar auf
dem globalisierten Finanzmarkt angemessen zu
berücksichtigen.
Damit eng verknüpft ist die generelle
Frage nach der Zukunft des Währungssystems, wenn sich mehr und
mehr eine „Triadisierung“ zwischen US-Dollar, Yen und
Euro, einigen kleineren starken, unabhängigen Währungen
und vielen „Satellitenwährungen“ andeutet. In
diesem Zusammenhang wären die Konsequenzen für die
Gestaltung des Europäischen Finanzmarktes und der
Europäischen Währungsunion genauer und eingehender
als bisher geschehen, zu erarbeiten (etwa hinsichtlich einer
Harmonisierung von Steuersystemen, einer europäischen Aufsicht
über Finanzmärkte, der Regeln für Finanzmarkt
akteure und Finanzinstrumente etc.).
Auch ist die in Kapitel
2.3.4geführte Debatte über „Share holder
Value“ keineswegs abgeschlossen. Die Konsequenzen, die sowohl
theoretisch als auch in der politischen Bewertung aus dem
„New Economy-Boom“ und dessen abruptem Ende gezogen
werden müssen, sind noch zu ziehen. Dieses gilt etwa für
Unternehmensziele, für Bewertungsprinzipien, für
Bilanzierungsrichtlinien, für Rating und andere Aspekte im
Zusammenhang mit der so genannten Corporate Governance.
Zum Problem der Alterung der
Weltbevölkerung äußert sich der Bericht der
Enquete-Kommission „Globalisierung“ ausführlich im
Kapitel 9.2.2. Die Konsequenzen für
die Systeme der Altersicherung und deren Reformen werden
aber bestenfalls angedeutet. Die Frage nach den Finanzierungsmodi
der Alterssicherung ist eng mit dem Funktionieren der
Weltfinanzmärkte verbunden: Ein kapitalgedecktes Modell
stärkt die Bedeutung von Fonds auf liberalisierten, offenen
Finanz märkten. Die Frage nach den Auswirkungen auf die
Finanzmärkte und umgekehrt die möglichen Folgen für
die Bezieher der Alterssicherung müssten sehr viel intensiver
debattiert werden, als dies im Zeitrahmen der Kommission
möglich war.
Im Zusammenhang mit Geldwäsche tauchte
immer wieder die Frage nach dem Verhältnis von formellen und
„informellen“ Banken auf, die zum Teil
beträchtliche Transfers an der Bankaufsicht vorbei zu leisten
in der Lage sind. Besonders hervorgetreten sind in den vergangenen
Jahrzehnten infolge von Globalisierung und Liberalisierung so
genannte Hawala-Banken. Wegen ihrer Bedeutung für
bestimmte Segmente der globalen Finanzmärkte verdienen sie
hohe Aufmerksamkeit, die ihnen die Enquete-Kommission
„Globalisierung“ bislang nicht widmen konnte.
Dies gilt auch für den
Countertrade, also weitgehend geldlose, aber zumeist durch
Kredit finanzierte, zum Teil große Tauschgeschäfte. Nach
Schätzungen des IWF werden in manchen Weltregionen (zeitweise
in den mittel- und osteuropäischen
Transformationsländern, in Afrika) bis zu 50 Prozent des
Marktvolumens über Countertrade abgewickelt. Es müsste
der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen Countertrade
für die Transparenz der Märkte oder für
Geldwäscheaktivitäten besitzt.
Auch die mit dem islamischen
Bankensystem verbundenen Fragen mussten bislang von der
Enquete-Kommission „Globalisierung“ zurückgestellt
werden. Dies ist angesichts der Bedeutung des islamischen
Kulturkreises als Mangel zu bewerten, der nur durch die Zeitnot, in
der sich die Kommission befand, gerechtfertigt werden kann. Zum
einen sollte das „Islamic Banking“ im Zusammenhang mit
nachhaltigen Geldanlage-Konzepten (vgl. hierzu Kapitel 2.4.5)betrachtet werden. Denn auch der
Religion verdankte Motive spielen bei der Geldanlage eine nicht
geringe Rolle. Zum anderen sollte der Frage nachgegangen werden,
wie islamische Banken bei Beachtung des Verbots, Zinsen zu nehmen,
innerhalb des globalen Finanzmarkts operieren.
Zu Beginn ihrer Arbeit hat sich die
Enquete-Kommission „Globalisierung“ im Zusammenhang der
Finanzmärkte mit Fragen des elektronischen Geldes und der
elektronischen Bankgeschäfte beschäftigt. Das Thema
ist, nachdem es andiskutiert worden ist, zurückgestellt
worden, weil absehbar war, dass es angesichts des sonstigen
Arbeitsauftrags nicht angemessen bearbeitet werden kann. Es ist
allerdings völlig unstrittig, dass die Elektronisierung der
Finanzmärkte eine Schlüsselfrage der zukünftigen
Entwicklung darstellt und daher unbedingt bearbeitet werden
muss.
51 Vgl. hierzu das Minderheitenvotum der FDP-Fraktion in
Kapitel 11.2.2.2.4.
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