*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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   3.3.3.4    Betrachtung ausgewählter GATS-Sektoren

Nachfolgend soll für ausgewählte Sektoren der Stand der GATS-Verpflichtungen, die möglichen Verhandlungspositionen sowie die Rolle dieser Sektoren in Deutschland dargestellt werden. Dabei wird abgeschätzt, ob es sich jeweils um potenzielle „Gewinner- oder Verlierer-Branchen“ handelt und welche Chancen und Risiken hinsichtlich sozialer und beschäftigungspolitischer Wirkungen mit den GATS-Verhandlungen einhergehen können. Die Enquete-Kommission ist sich bewusst, dass diese Einengung nur durch Zeitmangel zu rechtfertigen ist. Es wird daher empfohlen, in einer folgenden Enquete-Kommission die weiteren Sektoren (z. B. Gesundheit) zu betrachten.

3.3.3.4.1 Bildungsdienstleistungen

Der Bildungssektor ist ein Bereich, in dem wenige Länder GATS-Verpflichtungen übernommen haben, der jedoch eine große ökonomische Bedeutung hat. Mit Ausnahme der „anderen Bildungsdienstleistungen“ hat die EU in allen Kategorien Verpflichtungen übernommen. Dabei gewährt sie durchgängig Marktzugang und Inländerbehandlung für die Erbringungsart 2, den Konsum im Ausland. Der Bereich der Erwachsenenbildung ist am weitesten liberalisiert, hier bleibt nur die Erbringungsart 4, grenzüberschreitende Personenbewegungen, beschränkt. Die ökonomische Bedeutung des Bildungssektors ist daran ablesbar, dass die OECD-Staaten rund sechs Prozent des BIP für Bildung ausgeben, 80 Prozent dieser Mittel sind öffentliche Ausgaben. Während die jährlichen öffentlichen Pro-Kopf-Ausgaben der Industrieländer Mitte der 90er Jahre 1200 US-Dollar betrugen, belief sich dieser Wert in den Entwicklungsländern auf knapp 50 US-Dollar. Wäh­ rend sich einerseits im Tertiärbereich stärker erwerbswirtschaftliche Elemente durchsetzen, bleibt der Pflichtschulbereich noch staatlichen Einrichtungen vorbehalten. Der internationale Handel mit Bil­ dungs­ dienstleis­ tungen wächst v.a. im tertiären Bereich. Damit ist die GATS-Erbringungsart des Konsums im Ausland die dominante Form des internationalen Dienstleistungsverkehrs im Bildungsbereich.

Gewerkschaftliche Befürchtungen einer forcierten Liberalisierung von Bildungsdienstleistungen wurden von Education International (EI) artikuliert. EI kritisiert, dass es weder eine Überprüfung der Auswirkungen der bisherigen GATS-Verpflichtungen gegeben habe, noch überhaupt hinreichende Daten zu den vier Erbringungsarten des Handels mit Bildungsdienstleistungen vorliegen. Konsequenzen könnten eine Standardisierung von Bildung, sinkende Arbeitsplatzsicherheit durch Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse sowie die Unterminierung der öffentlichen Verantwortung für den Bildungsbereich sein (EI/PSI 1999). Derzeit ist die „Erbringung einer Dienst­ leistung oder ihre Subventionierung innerhalb des öffentlichen Sektors“ seitens der EU im Rahmen der horizontalen Verpflichtungen ausgenommen. Eine Dienstleistung, die „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ erbracht wird, ist nur dann von der Liberalisierung ausgenommen, wenn sie „weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht wird“. Da Konkurrenz von öffentlichen und privaten Anbietern im Bildungsbereich existiert, liegt die Entscheidung bei den EU-Staaten, unabhängig von den GATS-Bestimmungen privaten Bildungsanbietern Zugang zu staatlicher Unterstützung zu gewähren. Sollten EU-Staaten im Rahmen der GATS-Verhandlungen die bestehende horizontale Ausnahme aufgeben, könnten ausländische Privatuniversitäten den Anspruch erheben, wie staatlichen Universität gefördert zu werden.

3.3.3.4.2 Forschung und Entwicklung

Die EU hat die interdisziplinären und naturwissenschaftlichen Forschungsdienstleistungen im Gegensatz zu jenen in den Sozial- und Humanwissenschaften nicht in den sektoralen Abschnitt ihrer Länderliste aufgenommen, d.h. hier bestehen keine GATS-Verpflichtungen.

Öffentliche Forschungsinstitutionen sehen sich zunehmendem Legitimationsdruck im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Forschungsergebnissen ausgesetzt. Staatliche Förderung wird zugunsten der anwendungsbezogenen Forschung umorientiert. Weitere Instrumente der Steigerung wirtschaftlicher Verwertbarkeit werden in stärkerer Konkurrenz zwischen öffentlichen und privaten Forschungsdienstleistern sowie in der Privatisierung von Forschungsaktivitäten gesehen (DIW 2001).

Als potenzielle Handelshemmnisse für die private Erbringung von Forschungsdienstleistungen können neben staatlicher Förderung für öffentliche Einrichtungen auch jene für private Forschungsinstitute angesehen werden (Zuschüsse, Steuererleichterungen etc.). Ausländische An­bieter von Forschungsdienstleistungen könnten hier die Gleichbehandlung fordern. Weitere potenzielle Handelshemmnisse, wie Wettbewerbsregeln, können aus der verstärkten grenzüberschreitenden Forschungskooperation zwischen Unternehmen resultieren. Alle diese Fragen können im Rahmen des GATS aufgeworfen werden und entsprechende Verpflichtungen nach sich ziehen.

3.3.3.4.3  Telekommunikation

Während der Uruguay-Runde konzentrierten sich die Telekommunikationsverhandlungen auf die Liberalisierung sog. Mehrwertdienste wie E-Mail oder Online-Datenbanken. Ergebnis ist das Abkommen über Basistelekommunikation. Die Unterzeichnerstaaten decken rund 91 Prozent der globalen Einnahmen in diesem Bereich ab. Die eingegangenen Verpflichtungen umfassen den Marktzugang, Investitionen und regulatorische Prinzipien. Die Markzugangsverpflichtungen betreffen nicht Hörfunk und Fernsehen. Weiterhin regelt das Abkommen den Zugang ausländischer Unternehmen zu Übertragungstechniken vom Funk über das Festnetz bis zu Satelliten (Müller, Wegmann 2000). Einen weitreichenden Eingriff in staatliche Regelungshoheit stellt dabei das Referenzpapier regulatorischer Prinzipien dar, zu deren Einhaltung sich der größte Teil der Unterzeichner des Basistelekommunikationsabkommens verpflichtete (Warner 2000).

Entwicklungsländer haben hier weniger Verpflichtungen übernommen. Jedoch werden Entwicklungsländer zu weit­ reichenderen Marktöffnungszugeständnissen gedrängt.    So brachten Regierungen und Unternehmen der OECD-Länder die Weltbank und Internationale Telekommunikations Union (ITU) dazu, am Basistelekommunikationsabkommen orientierte technische Hilfe zu leisten, die auf Harmonisierung von Netzwerk-Regulierungen abzielt, die den Marktzutritt ausländischer Wettbewerber erleichtert (Cowhey, Klimenko 2001).

Ziel der GATS-Verhandlungen ist es, die geografische Reichweite des Basistelekommunikationsabkommens zu erweitern. Die EU fordert in ihrem Verhandlungsvorschlag die Beseitigung sämtlicher Restriktionen für die Erbringungsarten (Modes) 1, 2 und 3. Daneben schlägt die EU weitere Erleichterungen für den Personenverkehr von Dienstleistungserbringern (Mode 4) vor (WTO 2001d). Die EU gewährt Drittstaaten seit 1998 Marktzugang und Inländerbehandlung für alle Telekommunikationsdienste. Sie hat zusätzliche Verpflichtungen mit dem Basistelekommunikationsabkommen übernommen, in denen das Recht bestätigt wird, Universaldienstverpflichtungen zu erteilen.

3.3.3.4.4  E-Commerce

Auf der WTO-Ministerkonferenz 1998 in Genf vereinbarte man ein umfangreiches Arbeitsprogramm zum E-Commerce wie auch ein Moratorium auf die Erhebung von Zöllen auf elektronisch übertragene Güter und Dienste. Da E-Commerce-Aktivitäten durch verschiedene WTO-Abkommen berührt sind, wurden auch mehrere WTO-Räte mit dem Arbeitsprogramm betraut (WTO 1998c). Allerdings herrscht Einigkeit, dass das GATS für einen Großteil des E-Commerce von hoher Relevanz ist.

Die EU teilt die Forderungen nach Liberalisierung und betont Fragen der Wettbewerbskontrolle und des Verbraucherschutzes. Den Entwicklungsländer fehlen dagegen zumeist die Kapazitäten, um sich an den E-Commerce- relevanten Diskussionen zu beteiligen.

Der wichtigste Streitpunkt betrifft die Frage, ob elektronischer Handel und digitale Produkte als Ware, Dienst­ leistung oder als „Hybrid“ zu klassifizieren sind, also entweder unter das GATT oder das GATS fallen. Während die EU dafür eintritt, digitale Produkte als Dienstleistungen zu klassifizieren, so dass sie unter das GATS fallen würden, möchten die USA diese als Waren klassifizieren und durch das GATT regeln lassen. Schon in der Uruguay-Runde wurde über Mindestquoten, die Fernsehanstalten für europäische Werke reservieren sollten, gestritten. Man könnte sich nicht auf eine kulturelle Ausnahmeklausel einigen, wie von Frankreich und Belgien gefordert. Die EU nutzte aber die Flexibilität des GATS und übernahm keine Liberalisierungsverpflichtungen in diesem Bereich (Barth 1998). Bedenken gegen das in Doha verlängerte Zollmoratorium wurden von Entwicklungsländern geäußert. Da sie in stärkerem Maße von Zolleinnahmen abhängig sind als Industrieländer, befürchten sie Einnahmeverluste.




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