3.3.3.6
Forderungen der Mitglieder zu den GATS-Verhandlungen
Im Vorfeld der Bestandsaufnahme für die
neue GATS-Verhandlungsrunde unterbreiteten die EU, die USA und
andere Staaten Vorschläge für eine grundlegende
Änderung des GATS-Liberalisierungskonzepts. Der
„Bottom-Up“-Ansatz soll teilweise überwunden
werden. Stattdessen wurde ein Negativlisten-Ansatz, die Anwendung
sektorübergreifender horizontaler Formeln oder die
Liberalisierung größerer Cluster verwandter Sektoren
vorgeschlagen. Entwicklungsländer optierten mehrheitlich
für die Beibehaltung der flexiblen Struktur des GATS.
Die EU legte
Verhandlungsvorschläge für die Freien Berufe, für
unternehmensbezogene Dienstleistungen, Telekommunikation,
Baudienstleistungen, Vertrieb, Umweltdienstleistungen,
Finanzdienstleistungen, Tourismus und Verkehr vor. Die
Bundesregierung nennt als Ziele für die GATS-Verhandlungen:
Erstens eine ausgewogene und insgesamt höhere
Liberalisierungsverpflichtungen aller WTO-Mitglieder v. a. bei
Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Handel. Zweitens die
Ausweitung von Liberalisierungszusagen in der Erbringungsart 3
(kommerzielle Präsenz), die Klärung offener Fragen und
die Herstellung verstärkter Rechtssicherheit beim
elektronischen Handel. Außerdem will sie eine verstärkte
Beteiligung der Entwicklungsländer am weltweiten
Dienstleis tungshandel erreichen. Die Bundesregierung
verweist darauf, dass die GATS-Erbringungsart 3 nur einen
Teilbereich des Investitionsschutzes umfasst und daher ein
umfassendes multilaterales Abkommen angestrebt werde (Regelungen
zum Enteignungsschutz, zu Entschädigungen und Gewinntransfer).
Befürchtungen, die Leistungen der Daseinsvorsorge könnten
unter Liberalisierungsdruck gesetzt werden, hält sie für
„im Wesentlichen unbegründet“ (Bundesregierung
2001a). Allerdings wird eingeräumt, dass diese Dienste zum
Regelungsumfang des GATS gehören, sofern parallel
privatisierte Dienste am Markt angeboten werden. Inwieweit für
Dienste der Daseinsvorsorge Liberalisierungsverpflichtungen
übernommen werden, bleibe jedoch der Entscheidung jedes
WTO-Mitglieds überlassen.
Ebenso wie die EU
übermittelten die USA eine Reihe sektoraler
Verhandlungsvorschläge für die erste Bestandsaufnahme der
Verhandlungen. Die USA konzentrieren sich auf wenige Bereiche. So
wird auf eine verstärkte Teilnahme weiterer Länder an den
plurilateralen Abkommen über Basistelekommunikation und
Finanzdienstleistungen gedrungen. Einen weiteren Schwerpunkt legen
die USA auf den elektronischen Handel, der für die
grenzüberschreitende Erbringung von Diensten von zunehmender
Bedeutung ist (Esserman 1999).
Die Positionen
der Entwicklungsländer reichen von Befürwortern weiterer
Dienstleistungsliberalisierung über verhaltene Zustimmung bis
zur Ablehnung weiterer Verpflichtungen. Zumeist bringen sie aber
sowohl Interessen an einer dienstleistungsinduzierten
Diversifizierung ihrer Exportpalette als auch nach dem Schutz ihrer
noch nicht wettbewerbsfähigen Sektoren zum Ausdruck. Sie
plädieren für die Beibehaltung der flexiblen Struktur des
GATS und monieren, dass im GATS keine Sonderbehandlung armer
Länder vorgesehen ist. Daneben fordern Entwicklungsländer
eine verbindliche Regelung über die zeitlich befristete
Rücknahme von Liberalisierungsverpflichtungen bei
Notständen (Mashayekhi 2000).
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