3.3.3.8 Empfehlungen der
Enquete-Kommission44
Empfehlung
3-11 Erhaltung der
Flexibilität
In Bezug auf die
laufenden GATS-Verhandlungen sollte die Flexibilität des
Abkommens erhalten bleiben und noch verstärkt werden. Dies
betrifft zum einen die souveräne Entscheidung der
WTO-Mitglieder, welche Sektoren sie in welchem Ausmaß für
ausländische Anbieter öffnen wollen. Zum anderen
beinhaltet es das Recht, einzelne Sektoren von den
GATS-Verpflichtungen auszunehmen. Dabei darf auf einzelne Staaten
kein Druck zur Liberalisierung ausgeübt werden.
GATS-Verpflichtungen müssen die Möglichkeit
einschließen, Modelle (z. B. zu Public Private Partnership) zu
erproben und spezifische Verpflichtungen zurückzunehmen, wenn
die damit verbundenen Erwartungen nicht realisiert werden
können.
Empfehlung 3-12
Folgeabschätzungen vor
Übernahme weiterer Verpflichtungen
Überprüfung
der möglichen Folgen neuer Verpflichtungen vor der
Übernahme weiterer Liberalisierungsverpflichtungen bei den
GATS-Verhandlungen. Erst nach Vorlage derartiger
Folgeabschätzungen und der öffentlichen Diskussion ihrer
Ergebnisse mit allen relevanten Stakeholdern soll über die
Übernahme weiterer Liberalisierungsverpflichtungen entschieden
werden.
In der Folgeabschätzung sollten
folgende Fragen beantwortet werden:
Welche Veränderungen der
Marktstrukturen (Monopole, Oligopole etc.) sind zu erwarten?
Ergeben sich Einschränkungen staatlicher
Wettbewerbskontrolle?
Wie verändern sich Kosten und
Preise?
Wie verändert sich die
Wettbewerbsfähigkeit nationaler Anbieter?
Sind Gemeinwohlverpflichtungen, wie
sie z. B. bei einigen Leistungen der Daseinsvorsorge auferlegt
werden, betroffen?
Welche Beschäftigungswirkungen
sind in den betroffenen Sektoren zu erwarten, z. B.
Rationalisierungseffekte, veränderte
Qualifikationsanforderungen, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung,
Chancen Niedrigqualifizierter, Flexibilisierung der
Erwerbsstrukturen und Veränderungen gewerkschaftlicher
Interessenvertretung?
Welche Umwelt- und Gesundheitsfolgen
sind zu erwarten?
Wie weit werden öffentliche
Regelungsmöglichkeiten und Kontrolle und die Einflussnahme von
Betroffenengruppen beschränkt?
Welche Auslandswirkungen, vor allem
in Entwicklungs- und Schwellenländern, gehen mit weiteren
GATS-Liberalisierungen einher und wie verhalten sich diese zum
politischen Ziel der Kohärenz von Entwicklungs- und
Handelspolitik?
Empfehlung 3-13
Ausschluss von Bildung und weiteren Leistungen der
öffentlichen Daseinsvorsorge aus den GATS Verhandlungen
Die Leistungen der öffentlichen
Daseinsvorsorge (wie z. B. auch die öffentlichen Bildungs- und
Kulturdienstleis tungen) sollten aus den Verhandlungen des
GATS herausgenommen werden und auch nicht als Tauschoption für
die Marktöffnung privater Dienstleistungen gelten. Die
Bundesregierung und die EU werden aufgefordert, eine
Präzisierung der Dienstleistungen „in hoheitlicher
Gewalt“ vorzunehmen. Im Rahmen eines Zusatzprotokolls
müssen die Ausnahmeregelungen für diese Dienstleistungen
verstärkt werden.
Empfehlung 3-14
Keine Unterschreitung der EU-Standards und Normen im Bereich der
Berufs qualifikationen, technischen Normen und der
Lizenzierungs verfahren
Im Rahmen der internationalen
Harmonisierung von Qualifikationserfordernissen, technischen Normen
und Zulassungsverfahren sollen keine internationalen
Verpflichtungen unterhalb der EU-Standards und Normen eingegangen
und klargestellt werden, dass das Recht national höherwertige
Standards und Normen festzulegen, nicht beeinträchtigt
wird.
In diesem Zusammenhang ist eine Auswertung
bisheriger Erfahrungen mit internationalen Harmonisierungen im
Bereich der Berufsqualifikationen, der technischen Normen und der
Lizenzierungsverfahren durchzuführen. Dazu gehört auch
eine Bestandsaufnahme und kritische Analyse der zwischenstaatlichen
gegenseitigen Anerkennungsabkommen.
Empfehlung 3-15
Einbeziehung von Arbeits-, Sozial- sowie Umweltstandards
Die Bundesregierung und die EU werden
aufgefordert, in die Anforderungen und Normen in Bezug auf
internationale Harmonisierung zwingend Arbeits- und Sozialstandards
sowie Umweltstandards einzubeziehen. Die ILO-Kernarbeitsnormen wie
auch die ILO-Konvention 94 zu Regierungsaufträgen müssen
als internationaler Standard gewährleistet werden.
Insbesondere im Rahmen öffent licher Auftragsvergabe
oder Marktzugangsregelungen muss das Recht europäischer oder
nationalstaatlicher höherer Standards in Bezug auf die
Einhaltung von Kollektivverträgen, Chancengleichheit,
Nichtdiskriminierung sowie sozial-, umwelt- und
wachstumspolitischen Zielen und „Fair-Labour-Standards“
in der Auftragsvergabe erhalten bleiben.
Empfehlung 3-16
Analyse der Wechselwirkungen zwischen nationaler, europäischer
und multilateraler Regulierungsebene
Es sollte dringend ein stärkeres
Augenmerk auf die Wechselwirkungen zwischen nationaler,
europäischer und multilateraler Regulierungsebene gerichtet
werden. Die Analyse derartiger Wirkungen sollte vor allem anhand
der Untersuchung einzelner Dienstleistungssektoren erfolgen. Dazu
bedürfen auch die unterschiedlichen Möglichkeiten der
diversen Stakeholder, Entscheidungsprozesse auf den jeweiligen
Regulierungsebenen zu beeinflussen, einer eingehenderen
Betrachtung. Vor allem ist ein Vergleich der
Einflussmöglichkeiten von Parlamenten,
Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und
Nichtregierungsorganisationen in diesen Arenen geboten, um daran
anknüpfend Ansätze einer neuen Justierung bestehender
Ungleichgewichte bei der Interessenwahrnehmung und -durchsetzung
entwickeln zu können.
Empfehlung 3-17
Einbeziehung aller Beteiligten in die Beratungen
Die Bundesregierung und EU-Kommission
werden aufgefordert, alle Verhandlungsvorschläge, seien es
Markt öffnungsforderungen der EU gegenüber
Drittstaaten oder umgekehrt Forderungen von Drittstaaten
gegenüber der EU oder auch entsprechende
Marktöffnungsangebote, frühzeitig allen interessierten
NGO, Gewerkschaften und Verbänden bekannt zu machen und ihnen
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die zuständigen
Fachausschüsse sind in die Beratung und Entscheidung
frühzeitig einzubeziehen. Auch in die Evaluierung, die
weiteren Verhandlungen, die Erstellung der Rahmenrichtlinie
für die öffentliche Daseinsvorsorge müssen
Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Verbände
frühzeitig einbezogen werden. Die Enquete-Kommission empfiehlt
mit besonderem Nachdruck, auf parlamentarischer Ebene neben dem
europäischen Parlament im Rahmen des
Mitentscheidungsverfahrens auch die zuständigen
Fachausschüsse der nationalen Parlamente an den Beratungen zu
beteiligen und in die Beschlüsse mit einzubeziehen.
44 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum
der CDU/CSU-Fraktion in Kapitel
11.1.7.2.
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