3.4.3 Optionen
einer globalen Wettbewerbsordnung
Die Internationalisierung der Märkte
und die durch sie bedingte Durchlässigkeit von politischen
Grenzen führen zunehmend dazu, dass grenzüberschreitende
unternehmerische Aktivitäten aus dem Geltungsbereich
nationaler Rechtsordnungen heraus in neue hinein wachsen oder
sich gar von jeglicher Jurisdiktion „emanzipieren“. Das
Völkerrecht verfolgt u.a. das Ziel, die Entstehung
rechtsfreier Räume zu verhindern. Für markwirtschaftlich
orientierte Staaten ist Wettbewerb das konstitutive Element allen
Wirtschaftens. Der aus der Freiheit der Wirtschaftssubjekte
resultierende Wettbewerb muss aber ebenso wie die auf den
politischen Freiheiten basierende Demokratie ständig gegen
Vermachtung geschützt werden. Hierfür sind ein
Rechtsrahmen – das Wettbewerbsrecht – und Institutionen
erforderlich, die auf die Einhaltung der vorgegebenen Spielregeln
achten und diese auch durchsetzen können. Der
Globalisierungsprozess hat die Erkenntnis reifen lassen, dass nun
weltweit der Aufbau solcher Rechtsrahmen notwendig wird.
Eine
multilaterale Wettbewerbsordnung, die schon 1948 mit der
Havanna-Charta vorgesehen war, ist bis heute nicht erreicht. Zwar
sind im Rahmen des GATT, des GATS und des TRIPS von den
Unterzeichnerstaaten auch Wettbewerbsregeln vereinbart worden. Sie
beziehen sich jedoch nur auf staatliches Handeln. Das
Wettbewerbsrecht, das Unternehmen zu Adressaten hat, ist im
Wesentlichen jedoch auf den nationalen Rahmen, die EU und die
bilaterale Zusammenarbeit begrenzt. Nicht mehr als ca. 90 Staaten
kennen ein Wettbewerbsrecht in ihrer Gesetzgebung. Vor allem eine
Fusionskontrolle fehlt häufig. Länderübergreifende
Ermittlungen sind ebenso wenig möglich wie transnational
wirksame Verfügungen. Andererseits unterliegen Unternehmen,
deren Verhaltensweisen sich grenzüberschreitend auswirken,
immer häufiger einer Mehrzahl paralleler
kartellbehördlicher Prüfungen in den betroffenen
Ländern. Die Unternehmen tragen also neben dem mit solchen
Mehrfachnotifizierungen steigenden Kosten- und Zeitaufwand
zunehmend auch das Risiko gegebenenfalls divergierender
Entscheidungen.
Das nationale
Wettbewerbsrecht stößt also an Grenzen. Zwar ist die
Reichweite nationaler Wettbewerbsregelungen insofern nicht
„begrenzt“, als im Ausland veranlasste
Wettbewerbsbeschränkungen im Inland verfolgt werden
können, wenn sie sich dort auswirken („Effects
Doctrin“). Auch erleichtern internationale Abkommen zur
gegenseitigen Amtshilfe grenzüberschreitende
Wettbewerbsprobleme. Diese Abkommen lösen jedoch nicht
mögliche Konflikte unterschiedlicher nationaler Rechtsregeln,
ganz abgesehen davon, dass die wettbewerbs politischen
Leitbilder ebenfalls divergieren können. Je stärker
insbesondere die Fusionsaktivitäten über nationale
Grenzen hi nausreichen, desto wünschenswerter werden
international harmonisierte Wettbewerbsregeln. Die wachsende
Erkenntnis, dass die Globalisierung nun auch weltweit den Aufbau
von Rechtsrahmen, Wettbewerbsrecht und Institutionen notwendig
macht, hat zu Initiativen in drei Richtungen geführt, die
nicht gegenläufig sein müssen, sondern eher nebeneinander
verfolgt werden sollten: Den multilateralen, den plurilateralen und
den bilateralen Ansatz.
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