*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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3.5.1.4    Umweltlabels

3.5.1.4.1  Typen und Wirkung von Umweltlabels

Ökolabels geben Aufschluss über umweltrelevante Produktionsbedingungen und Produkteigenschaften und sind in den Industriestaaten zu einem weit verbreiteten Instrument der marktorientierten Umweltpolitik geworden (Althammer u. a. 2001). Sie können sowohl an Unternehmen als auch an einzelne Produkte vergeben werden. Die Internationale Organziation for Standardization (ISO) unterscheidet folgende 3 Typen:

–    Typ 1: Öko-Siegel (Eco-Seal), das in Form einer Lizenz vergeben wird und dem ein Kennzeichnungsprogramm zugrunde liegt.

–    Typ 2: Selbstauskunft (Self-Declaration-Claim), die von Herstellern, Importeuren, Groß- oder Einzelhändlern über Produkte oder Dienstleistung gegeben wird.

–    Typ 3: „Report Card“-Kennzeichen, das ähnlich den allgemeinen Verbraucherinformationen auf Verpackungen anhand festgelegter Indizes die Konsumenten informiert.

Ökologische Kennzeichen, die auf die Prozess- und Produktionsmethoden vergeben werden, gründen sich auf eine Lebenszyklusanalyse. Diese „beinhaltet die Erfassung aller erkennbaren Umweltwirkungen eines Produktes von seiner Herstellung bis hin zur Entsorgung („von der Wiege bis zur Bahre“), also auch nicht produktbezogene Prozess- und Produktionsmethoden.65

Generell ist zu unterscheiden zwischen privaten, staatlichen freiwilligen und gesetzlichen Kennzeichen. Kennzeichen können zu erheblichen negativen Auswirkungen auf den Handel führen, wenn ein Produkt einen hohen Anteil an den Exporten eines Landes hat.

3.5.1.4.2  Berücksichtigung nationaler Besonderheiten

In der Regel werden die Kriterien für die Zertifizierung von den importierenden Ländern festgelegt, meist ohne Berücksichtigung der jeweiligen Umweltbedingungen in den eventuellen Produktionsländern. Sobald es sich jedoch nicht um die reine Bewertung der Gesundheitseigenschaften des Endproduktes handelt, sondern um die Bewertung der Prozess- und Produktionsmethoden basierend auf Lebenszyklusanalysen, besteht dabei die Gefahr der dauerhaften Diskriminierung potentieller Produzenten; insbesondere wenn man die Tatsache zugrunde legt, dass diese Lebenszyklusanalysen sich oft nur auf wenige Umweltwirkungen beschränken. Vergleicht man dies mit der Debatte um die Einhaltung von Sozialstandards, so ist zu konstatieren, dass wir es dort mit relativ gut abgrenzbaren Minimalstandards zu tun haben, die bei vorhandenem Willen herbeizuführen wären, während es sich hier um komplexe, teilweise schwer veränderbare reale Umweltbedingungen handelt. Es kann von Fall zu Fall sinnvoller und auch ökologisch effektiver sein, Kriterien für ökologische Kennzeichnung entsprechend den Umweltbedingungen des Herstellerlandes zu setzen und über ein System gegenseitiger Anerkennung eine internationale Akzeptanz herbeizuführen. Allerdings ist dabei darauf zu achten, dass dies nicht zur Zementierung des Status Quo führt, bzw. als Freibrief für unzureichende nationale Umweltschutzgesetze bzw. -standards oder sogar als Ventil für die Absenkung gewünschter Standards benutzt wird.

3.5.1.4.3  Transparenz und Koordination

Umweltlabels führen auf der einen Seite zu mehr Transparenz, da die Verbraucherinnen und Verbraucher Informationen über Umweltwirkungen von Produkten oder Produktionsweisen erhalten und sie eine größere Kompetenz, Souveränität und Macht als Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer auf der Nachfrageseite erhalten. Andererseits kann die wachsende Anzahl von staatlichen und privaten ökologischen Kennzeichen jedoch auch zur Intransparenz führen, sowohl auf der Nachfrage-, als auch der Angebotsseite. Insbesondere bei unterschiedlichen Siegeln aus dem In- und Ausland in denselben Produktgruppen wird die ökonomische Effizienz verschlechtert, Kosten und Aufwand für die Informationsbeschaffung für    Verbraucherinnen und Verbraucher und Unternehmen steigen. Ziel muss es deshalb sein, über eine gegenseitige Anerkennung zu einer Harmonisierung von Kriterien, bzw. zu völliger Harmonisierung bestimmter Kennzeichen zu kommen, soweit dies ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist.

Sowohl die Erfordernisse der Harmonisierung von Labels, als auch die Defizite bei der Zusammenarbeit zwischen Import- und Exportländern werfen die Frage nach der Institution auf, die eine solche koordinierende Funktion übernehmen kann. Nach Auffassung der Enquete-Kommission fällt dieser Bereich in die Zuständigkeit der UNEP66, die sich dann ihrerseits in einen Abstimmungs- und Interessenausgleichsprozess mit der WTO begeben muss.

3.5.1.4.4  Verhältnis Umweltlabels/WTO

Kennzeichen privater Initiativen fallen nicht unter die Anwendung des WTO-Regelwerkes, gegen sie kann also kein Streitschlichtungsverfahren eingeleitet werden.67

Staatliche Kennzeichen werden vom Übereinkommen über technische Handelsbarrieren (TBT) erfasst. Es wurde 1979 im Rahmen der Tokio-Runde als Standards Code verabschiedet und im Rahmen der Uruguay-Runde erweitert und in „Agreement on Technical Barriers to Trade“ (TBT-Übereinkommen) umbenannt. Zweck des TBT-Übereinkommens ist es, nationale technische Vorschriften und Normen (Standards) international zu reglementieren, um ihre mögliche handelsverzerrende Wirkung zu minimieren. Im TBT-Übereinkommen werden die WTO-Mitglieder aufgefordert, soweit es möglich ist, die Einführung oder Anwendung nationaler und internationaler Vorschriften und Standards zu koordinieren. Ein System der gegenseitigen Information und Konsultation ermöglicht einen hohen Grad an Transparenz der einzelstaatlichen Maßnahmen.68

In der Uruguay-Runde wurden zudem zwei wichtige Änderungen beschlossen. Erstens wurde in der Präam- bel festgelegt, dass einzelne Länder zum Zweck des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen sowie der Umwelt notwendige Maßnahmen „auf als geeignet erachteter Ebene“ ergreifen dürfen. Durch diese Maßnahmen darf es aber nicht zu einer Diskriminierung zwischen Ländern oder einer verschleierten Beschränkung des internationalen Handels kommen (Präambel TBT-Übereinkommen). Zweitens wurden in der Definition von technischen Vorschriften und von Standards auch produktbezogene Prozess und Produktionsmethoden aufgenommen (Anhang1, Abs. 1 und 2, TBT-Übereinkommen). Inwieweit davon nicht produktbezogene Prozess- und Produktionsmethoden abgedeckt sind, ist jedoch nicht abschließend geklärt. Produktkriterien und produktbezogene Kriterien, die ausschließlich an den Produkteigenschaften anknüpfen, sind im TBT-Über­ einkommen als „Normen“ (bei freiwilliger Einhaltung) oder als „technische Vorschriften“ (bei gesetzlicher Verpflichtung) definiert“ (Althammer u.a.: 2001).

Ein offensichtlicher Konflikt zwischen Umweltlabels und WTO-Regeln ergibt sich bei dem Begriff der „Gleichartigkeit“ (sog. „Like Products“). Das WTO-Regelwerk und Panel-Entscheidungen erlauben im Grundsatz keine Berücksichtigung von Unterschieden in den Prozess- und Produktionsmethoden, falls das Produk­ tionsergebnis „gleichartig“ ist. So muss z.B. Tropenholz gleich behandelt werden, unabhängig davon, ob es aus nachhaltiger oder nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft stammt, da das Endprodukt, also das Holz „gleichartig“ ist. Handelsbeschränkungen gegen nicht nachhaltig erwirtschaftetes Tropenholz sind lt. WTO-Regelwerk nicht zulässig.69 In der neuesten WTO-Rechtsprechung (Shrimp/Turtle Case) wird allerdings eine solche Ungleichbehandlung von gleichartigen Produkten erlaubt, wenn es beispielsweise aus Umweltsicht wesentliche Unterschiede in der Herstellung bzw. im Fang der Produkte gibt.

Der Ausschuss für Handel und Umwelt (CTE) hat in Doha den Auftrag erhalten, über Vorschläge bezüglich Umweltlabels zu beraten. Hier ist von Seiten der Bundesregierung über die EU darauf zu achten, dass sich Ökolabels auch auf produktionsprozessbezogenen Inhalte beziehen dürfen, solange sie wahrheitsgetreu und transparent sind und keine Diskriminierung zwischen Anbietern stattfindet.

Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass auch im Rahmen des WTO-Regelwerks ökologisch oder sozial bewusstes Verbraucherverhalten möglich ist. Insbesondere im Falle der Freiwilligkeit einer Kennzeichnung, die dazu führt, dass gekennzeichnete Produkte aufgrund des Verbraucherverhaltens einen Marktvorteil erringen, kann keinesfalls von Diskriminierung gesprochen werden. Es ist das Recht der Konsumentinnen und Konsumenten als Marktteilnehmer, dass sie aufgrund dezidiert offener Informationen ihr Marktverhalten entscheiden können. Insofern erscheint es absurd, wenn sich marktwirtschaftlich orientierte Länder gegen eine Kennzeichnung von hormonbehandeltem Rindfleisch oder genmodifizierten Nahrungsmitteln aussprechen.



65 Die Lebenszyklusanalyse ist kein international abgestimmtes Konzept, sondern wird von einzelnen Ländern unterschiedlich angewendet. Die meisten Programme konzentrieren sich nur auf einzelne Umweltwirkungen einer Produktion.

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66 Die Verwendung der derzeitigen Bezeichnung UNEP schließt immer mit ein, dass die Enquete-Kommission empfiehlt, die UNEP nicht in der derzeitigen Form zu belassen, sondern zu stärken und als eigenständige Organisation der UNO auszubauen.

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67 Denkbar wäre lediglich, dass ein betroffenes Land über die WTO, z. B. das Committee on Technical Barriers to Trade, versucht, über die Regierung des Landes, aus dem das Kennzeichen stammt, Einfluss zu nehmen.

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68 Seit Inkrafttreten des TBT-Übereinkommens am 1.1.1995 wurden an den Ausschuss des TBT (Committee on Technical Barriers to Trade (CTBT)) 2 300 Mitteilungen übermittelt, davon enthielten 11 Prozent (d. h. rund 250) Angaben über Umweltschutzmaßnahmen, u. a. ökologische Kennzeichen.

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69 Im Falle Österreich/importiertes Tropenholz aus Asien wurde eine Panel-Entscheidung dadurch vermieden, dass Österreich auf eine Importsteuer verzichtete und die gesetzliche durch eine freiwillige Zertifizierung ersetzt wurde.

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