3.5.1.4 Umweltlabels
3.5.1.4.1 Typen und Wirkung von
Umweltlabels
Ökolabels geben Aufschluss über
umweltrelevante Produktionsbedingungen und Produkteigenschaften und
sind in den Industriestaaten zu einem weit verbreiteten Instrument
der marktorientierten Umweltpolitik geworden (Althammer u. a.
2001). Sie können sowohl an Unternehmen als auch an einzelne
Produkte vergeben werden. Die Internationale Organziation for
Standardization (ISO) unterscheidet folgende 3 Typen:
– Typ 1:
Öko-Siegel (Eco-Seal), das in Form einer Lizenz vergeben wird
und dem ein Kennzeichnungsprogramm zugrunde liegt.
– Typ 2:
Selbstauskunft (Self-Declaration-Claim), die von Herstellern,
Importeuren, Groß- oder Einzelhändlern über Produkte
oder Dienstleistung gegeben wird.
– Typ 3:
„Report Card“-Kennzeichen, das ähnlich den
allgemeinen Verbraucherinformationen auf Verpackungen anhand
festgelegter Indizes die Konsumenten informiert.
Ökologische Kennzeichen, die auf die
Prozess- und Produktionsmethoden vergeben werden, gründen sich
auf eine Lebenszyklusanalyse. Diese „beinhaltet die Erfassung
aller erkennbaren Umweltwirkungen eines Produktes von seiner
Herstellung bis hin zur Entsorgung („von der Wiege bis zur
Bahre“), also auch nicht produktbezogene Prozess- und
Produktionsmethoden.65
Generell ist zu unterscheiden zwischen
privaten, staatlichen freiwilligen und gesetzlichen Kennzeichen.
Kennzeichen können zu erheblichen negativen Auswirkungen auf
den Handel führen, wenn ein Produkt einen hohen Anteil an den
Exporten eines Landes hat.
3.5.1.4.2 Berücksichtigung
nationaler Besonderheiten
In der Regel werden die Kriterien für
die Zertifizierung von den importierenden Ländern festgelegt,
meist ohne Berücksichtigung der jeweiligen Umweltbedingungen
in den eventuellen Produktionsländern. Sobald es sich jedoch
nicht um die reine Bewertung der Gesundheitseigenschaften des
Endproduktes handelt, sondern um die Bewertung der Prozess- und
Produktionsmethoden basierend auf Lebenszyklusanalysen, besteht
dabei die Gefahr der dauerhaften Diskriminierung potentieller
Produzenten; insbesondere wenn man die Tatsache zugrunde legt, dass
diese Lebenszyklusanalysen sich oft nur auf wenige Umweltwirkungen
beschränken. Vergleicht man dies mit der Debatte um die
Einhaltung von Sozialstandards, so ist zu konstatieren, dass wir es
dort mit relativ gut abgrenzbaren Minimalstandards zu tun haben,
die bei vorhandenem Willen herbeizuführen wären,
während es sich hier um komplexe, teilweise schwer
veränderbare reale Umweltbedingungen handelt. Es kann von Fall
zu Fall sinnvoller und auch ökologisch effektiver sein,
Kriterien für ökologische Kennzeichnung entsprechend den
Umweltbedingungen des Herstellerlandes zu setzen und über ein
System gegenseitiger Anerkennung eine internationale Akzeptanz
herbeizuführen. Allerdings ist dabei darauf zu achten, dass
dies nicht zur Zementierung des Status Quo führt, bzw. als
Freibrief für unzureichende nationale Umweltschutzgesetze bzw.
-standards oder sogar als Ventil für die Absenkung
gewünschter Standards benutzt wird.
3.5.1.4.3 Transparenz und
Koordination
Umweltlabels führen auf der einen Seite
zu mehr Transparenz, da die Verbraucherinnen und Verbraucher
Informationen über Umweltwirkungen von Produkten oder
Produktionsweisen erhalten und sie eine größere
Kompetenz, Souveränität und Macht als
Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer auf der Nachfrageseite
erhalten. Andererseits kann die wachsende Anzahl von staatlichen
und privaten ökologischen Kennzeichen jedoch auch zur
Intransparenz führen, sowohl auf der Nachfrage-, als auch der
Angebotsseite. Insbesondere bei unterschiedlichen Siegeln aus dem
In- und Ausland in denselben Produktgruppen wird die
ökonomische Effizienz verschlechtert, Kosten und Aufwand
für die Informationsbeschaffung für Verbraucherinnen und
Verbraucher und Unternehmen steigen. Ziel muss es deshalb sein,
über eine gegenseitige Anerkennung zu einer Harmonisierung von
Kriterien, bzw. zu völliger Harmonisierung bestimmter
Kennzeichen zu kommen, soweit dies ökologisch und
ökonomisch sinnvoll ist.
Sowohl die Erfordernisse der Harmonisierung
von Labels, als auch die Defizite bei der Zusammenarbeit zwischen
Import- und Exportländern werfen die Frage nach der
Institution auf, die eine solche koordinierende Funktion
übernehmen kann. Nach Auffassung der Enquete-Kommission
fällt dieser Bereich in die Zuständigkeit der
UNEP66, die sich dann
ihrerseits in einen Abstimmungs- und Interessenausgleichsprozess
mit der WTO begeben muss.
3.5.1.4.4 Verhältnis
Umweltlabels/WTO
Kennzeichen privater Initiativen fallen nicht
unter die Anwendung des WTO-Regelwerkes, gegen sie kann also kein
Streitschlichtungsverfahren eingeleitet werden.67
Staatliche Kennzeichen werden vom
Übereinkommen über technische Handelsbarrieren (TBT)
erfasst. Es wurde 1979 im Rahmen der Tokio-Runde als Standards
Code verabschiedet und im Rahmen der Uruguay-Runde erweitert
und in „Agreement on Technical Barriers to Trade“
(TBT-Übereinkommen) umbenannt. Zweck des
TBT-Übereinkommens ist es, nationale technische Vorschriften
und Normen (Standards) international zu reglementieren, um ihre
mögliche handelsverzerrende Wirkung zu minimieren. Im
TBT-Übereinkommen werden die WTO-Mitglieder aufgefordert,
soweit es möglich ist, die Einführung oder Anwendung
nationaler und internationaler Vorschriften und Standards zu
koordinieren. Ein System der gegenseitigen Information und
Konsultation ermöglicht einen hohen Grad an Transparenz der
einzelstaatlichen Maßnahmen.68
In der Uruguay-Runde wurden zudem zwei
wichtige Änderungen beschlossen. Erstens wurde in der
Präam- bel festgelegt, dass einzelne Länder zum Zweck des
Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren oder
Pflanzen sowie der Umwelt notwendige Maßnahmen „auf als
geeignet erachteter Ebene“ ergreifen dürfen. Durch diese
Maßnahmen darf es aber nicht zu einer Diskriminierung zwischen
Ländern oder einer verschleierten Beschränkung des
internationalen Handels kommen (Präambel
TBT-Übereinkommen). Zweitens wurden in der Definition von
technischen Vorschriften und von Standards auch produktbezogene
Prozess und Produktionsmethoden aufgenommen (Anhang1, Abs. 1 und 2,
TBT-Übereinkommen). Inwieweit davon nicht produktbezogene
Prozess- und Produktionsmethoden abgedeckt sind, ist jedoch nicht
abschließend geklärt. Produktkriterien und
produktbezogene Kriterien, die ausschließlich an den
Produkteigenschaften anknüpfen, sind im TBT-Über
einkommen als „Normen“ (bei freiwilliger Einhaltung)
oder als „technische Vorschriften“ (bei gesetzlicher
Verpflichtung) definiert“ (Althammer u.a.: 2001).
Ein offensichtlicher Konflikt zwischen
Umweltlabels und WTO-Regeln ergibt sich bei dem Begriff der
„Gleichartigkeit“ (sog. „Like Products“).
Das WTO-Regelwerk und Panel-Entscheidungen erlauben im Grundsatz
keine Berücksichtigung von Unterschieden in den Prozess- und
Produktionsmethoden, falls das Produk tionsergebnis
„gleichartig“ ist. So muss z.B. Tropenholz gleich
behandelt werden, unabhängig davon, ob es aus nachhaltiger
oder nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft stammt, da das Endprodukt,
also das Holz „gleichartig“ ist.
Handelsbeschränkungen gegen nicht nachhaltig erwirtschaftetes
Tropenholz sind lt. WTO-Regelwerk nicht zulässig.69 In der neuesten
WTO-Rechtsprechung (Shrimp/Turtle Case) wird allerdings eine solche
Ungleichbehandlung von gleichartigen Produkten erlaubt, wenn es
beispielsweise aus Umweltsicht wesentliche Unterschiede in der
Herstellung bzw. im Fang der Produkte gibt.
Der Ausschuss für Handel und Umwelt
(CTE) hat in Doha den Auftrag erhalten, über Vorschläge
bezüglich Umweltlabels zu beraten. Hier ist von Seiten der
Bundesregierung über die EU darauf zu achten, dass sich
Ökolabels auch auf produktionsprozessbezogenen Inhalte
beziehen dürfen, solange sie wahrheitsgetreu und transparent
sind und keine Diskriminierung zwischen Anbietern stattfindet.
Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten,
dass auch im Rahmen des WTO-Regelwerks ökologisch oder sozial
bewusstes Verbraucherverhalten möglich ist. Insbesondere im
Falle der Freiwilligkeit einer Kennzeichnung, die dazu führt,
dass gekennzeichnete Produkte aufgrund des Verbraucherverhaltens
einen Marktvorteil erringen, kann keinesfalls von Diskriminierung
gesprochen werden. Es ist das Recht der Konsumentinnen und
Konsumenten als Marktteilnehmer, dass sie aufgrund dezidiert
offener Informationen ihr Marktverhalten entscheiden können.
Insofern erscheint es absurd, wenn sich marktwirtschaftlich
orientierte Länder gegen eine Kennzeichnung von
hormonbehandeltem Rindfleisch oder genmodifizierten Nahrungsmitteln
aussprechen.
65 Die Lebenszyklusanalyse ist kein international
abgestimmtes Konzept, sondern wird von einzelnen Ländern
unterschiedlich angewendet. Die meisten Programme konzentrieren
sich nur auf einzelne Umweltwirkungen einer Produktion.
66 Die Verwendung der derzeitigen Bezeichnung UNEP
schließt immer mit ein, dass die Enquete-Kommission empfiehlt,
die UNEP nicht in der derzeitigen Form zu belassen, sondern zu
stärken und als eigenständige Organisation der UNO
auszubauen.
67 Denkbar wäre lediglich, dass ein betroffenes
Land über die WTO, z. B. das Committee on Technical Barriers
to Trade, versucht, über die Regierung des Landes, aus dem das
Kennzeichen stammt, Einfluss zu nehmen.
68 Seit Inkrafttreten des TBT-Übereinkommens am
1.1.1995 wurden an den Ausschuss des TBT (Committee on Technical
Barriers to Trade (CTBT)) 2 300 Mitteilungen übermittelt,
davon enthielten 11 Prozent (d. h. rund 250) Angaben über
Umweltschutzmaßnahmen, u. a. ökologische
Kennzeichen.
69 Im Falle Österreich/importiertes Tropenholz aus
Asien wurde eine Panel-Entscheidung dadurch vermieden, dass
Österreich auf eine Importsteuer verzichtete und die
gesetzliche durch eine freiwillige Zertifizierung ersetzt
wurde.
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