*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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3.6.2       Zentrale Unterscheidungsmerkmale wichtiger Kodizes

Bei Codes of Conduct handelt es sich um ethische Leitsätze, in denen Normen für ethisches Management, Sozial- und Umweltverhalten festgelegt sein können. Im Gegensatz zu gesetzlichen Verpflichtungen sind Codes of Conduct selbstverpflichtende bzw. freiwillige Leitlinien im Sinne der sogenannten Corporate Social Responsibility (CSR). Der Begriff der Freiwilligkeit kann in diesem Kontext allerdings missverständlich sein: Das Vorhandensein von Codes of Conduct und insbesondere ihre konkrete Implementierung und Überwachung ist mittlerweile in einigen Branchen de facto ein Marktausschlusskriterium für Zulieferer.77 Unternehmensgruppen und -verbände setzen dabei Rahmennormen, die sich an Praktiken pro-aktiver Unternehmen orientieren.78 Dritte Akteure, wie NGO und Gewerkschaften, versuchen gleichzeitig, an der Umsetzung unternehmensbezogener Kodizes beteiligt zu werden (z.B. Rahmenabkommen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften) oder entwickeln eigene Standards (z.B. Clean Clothes Campaign), die einerseits eine indirekte Wirkung auf den Inhalt und die Formulierung von Unternehmenskodizes haben (benchmarking), andererseits Modellnormen für die Praxis entwickeln (Basiskodex der CCC), die bislang jedoch nur von wenigen europäischen Unternehmen im Rahmen von Pilotverfahren angenommen wurden (multilaterale Standards).

Im Bereich der Sozialstandards gilt die Declaration on Fundamental Rights at Work der ILO von 1998 als ein wichtiger Punkt der Rahmensetzung auch für freiwillige Leitlinien. In Folge dieser ILO-Erklärung lässt sich feststellen, dass die meisten Selbstverpflichtungen deutscher Unternehmen, die sich auf Unternehmenspraxen beziehen, mittlerweile die Kernarbeitsnormen enthalten.

Ein weiterer Maßstab sind die bereits im Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung“ (2001c: 80) angesprochenen Leitsätze für multinationale Unternehmen der OECD, deren Umsetzung in Deutschland durch die Einrichtung der ‚Nationalen Kontaktstelle’ (National Contact Point) beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unterstützt wird. Ein sog. Beirat aus NGO, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Ministerien hat im Januar 2002 seine Arbeit aufgenommen und erhöht die Verbindlichkeit der Leitlinien.

Demgegenüber lehnt sich der UN Global Compact ex­ plizit an das Prinzip der Selbstverpflichtung und Reporting-Initiativen an. Unternehmen legen in öffentlich zugäng­ lichen Berichten dar, wie sie zur Einhaltung der UN-Übereinkunft beitragen. Diese Konzeption bezieht sich auf existierende Reporting-Initiativen, die einerseits Selbstverpflichtungen zu unterschiedlichen Themen (z.B. auch Transparenz/Korruption, ethische Managementmaßstäbe) enthalten und insofern weiter gefasst sind als Normenkataloge zu Sozialstandards, andererseits jedoch weder ein institutionalisiertes Monitoring im eigentlichen Sinne vorsehen, noch eine Verifizierung durch Dritte. Unternehmen, die ausschließlich auf Reporting setzen, haben in der Regel keine komplexen Zulieferketten und stehen weniger unter unmittelbaren öffentlichen Druck im Bereich der Arbeitsrechtsverletzungen, sondern eher im Bereich der Debatte um Umweltstandards – insbesondere in der Chemieindustrie (siehe beispielsweise Responsible Care der Chemischen Industrie).

Die Wechselwirkung von öffentlichem Druck, öffentlicher Einflussnahme und Benchmarking auf der einen  und die Formulierung und Implementierung von Standards und Monitoringsystemen auf der anderen Seite mündet gegenwärtig in eine Reihe von Dialogprozessen über Monitoringverfahren. Dazu gehört der deutsche ‚Runde Tisch Verhaltenskodizes’. Diese Debatte konzentriert sich vor allem auf Branchen mit komplexen Zulieferketten. Die Auseinandersetzung um diese Standards wurde in Deutschland von Anfang an pragmatischer geführt als in den USA. Die großen deutschen Handelshäuser sehen sich bis heute jedoch nicht veranlasst, Konsumenten- und Arbeitsrechtsnetzwerke an der Einführung und Überprüfung von Codes of Conduct zu beteiligen und haben mittlerweile gleichzeitig weitreichende Prüfungsverfahren entwickelt. Dabei geht es vor allem um die Integration von Sozialstandards in umfassende Qualitätsmanage­ ment­ sys­ teme, die vor allem die Hauptlieferanten einbeziehen. Zu diesen Unternehmen gehören der Otto Versand, Deichmann, C&A und die Karstadt Quelle AG.

In ähnlicher Weise initiierte das BMU einen nationalen Dialogprozess, in dem gemeinsam mit anderen Ressorts, Wirtschafsverbänden, Unternehmen, Gewerkschaften sowie Umwelt-, Verbraucher- und Entwicklungsverbänden konkrete praxisbezogene Grundsätze für eine stärkere Berücksichtigung von Umweltbelangen bei Auslandsdirektinvestitionen entwickelt werden.

Bei der Vereinbarung von Verhaltensregeln zwischen Berufssekretariaten (sektorale oder branchenspezifische Welt­ gewerkschaftsorganisationen), nationalen Gewerkschaftsgliederungen und multinationalen Unternehmen geht es in erster Linie um Direktinvestitionen bzw. um    Tochterunternehmen und erst in zweiter Linie um Zulieferer und Subzulieferer. Die Berufsekretariate wollen über Rahmenvereinbarungen auf Grundlage von Verhaltensregeln den gewerkschaftlichen Zugriff auf die Aushandlung von externen Sozialstandards verbessern, ohne dabei lokale kollektivvertragliche Vereinbarungen zu ersetzen. Rahmenabkommen sollen vor allem die Durchsetzung der Kernarbeitsnormen fördern, insbesondere jedoch die Gewerkschaftsfreiheit. Im Gegensatz zur Debatte um die Überwachung der Sozialstandards von multinationalen Unternehmen oder multilateraler Codes of Conduct geht es Gewerkschaften nicht darum, selbst komplexe Überwachungssysteme zu entwickeln: Auch bei Rahmenabkommen wird das Prüfverfahren in der Regel von kommerziellen Wirtschaftsprüfern oder internen Abteilungen des Unternehmens durchgeführt. Gemeinsame Kommissionen, die aus Vertreterinnen und Vertretern des betreffenden Berufsekretariats und/oder Vertreterinnen oder Vertretern von nationalen Gewerkschaften – gewerkschaftliche Aufsichtsratsmitglieder – bestehen, haben das Recht, Beschwerden der beteiligten Parteien vorzubringen. In der Regel werden halbjährliche oder jährliche gemeinsame Berichte erstellt und Verbesserungsmaßnahmen beraten.



77 Dies läuft in der Regel nicht über Vertragskündigungen, sondern über das Ausbleiben einer neuen Order.

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78 Dazu gehören bspw. die Beschaffungsregeln der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels bezüglich der Praktiken von Unternehmen wie die Otto Gruppe, aber auch die Ansätze der Internationalen Handelskammer ICC.

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