3.6.2
Zentrale Unterscheidungsmerkmale wichtiger Kodizes
Bei Codes of
Conduct handelt es sich um ethische Leitsätze, in denen
Normen für ethisches Management, Sozial- und Umweltverhalten
festgelegt sein können. Im Gegensatz zu gesetzlichen
Verpflichtungen sind Codes of Conduct selbstverpflichtende bzw.
freiwillige Leitlinien im Sinne der sogenannten Corporate Social
Responsibility (CSR). Der Begriff der Freiwilligkeit kann in
diesem Kontext allerdings missverständlich sein: Das
Vorhandensein von Codes of Conduct und insbesondere ihre
konkrete Implementierung und Überwachung ist mittlerweile in
einigen Branchen de facto ein Marktausschlusskriterium für
Zulieferer.77
Unternehmensgruppen und -verbände setzen dabei Rahmennormen,
die sich an Praktiken pro-aktiver Unternehmen orientieren.78 Dritte Akteure, wie NGO und
Gewerkschaften, versuchen gleichzeitig, an der Umsetzung
unternehmensbezogener Kodizes beteiligt zu werden (z.B.
Rahmenabkommen zwischen Unternehmen und Gewerkschaften) oder
entwickeln eigene Standards (z.B. Clean Clothes Campaign),
die einerseits eine indirekte Wirkung auf den Inhalt und die
Formulierung von Unternehmenskodizes haben (benchmarking),
andererseits Modellnormen für die Praxis entwickeln
(Basiskodex der CCC), die bislang jedoch nur von wenigen
europäischen Unternehmen im Rahmen von Pilotverfahren
angenommen wurden (multilaterale Standards).
Im Bereich der
Sozialstandards gilt die Declaration on Fundamental Rights at
Work der ILO von 1998 als ein wichtiger Punkt der Rahmensetzung
auch für freiwillige Leitlinien. In Folge dieser
ILO-Erklärung lässt sich feststellen, dass die meisten
Selbstverpflichtungen deutscher Unternehmen, die sich auf
Unternehmenspraxen beziehen, mittlerweile die Kernarbeitsnormen
enthalten.
Ein weiterer Maßstab sind die bereits im
Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung“
(2001c: 80) angesprochenen Leitsätze für
multinationale Unternehmen der OECD, deren Umsetzung in
Deutschland durch die Einrichtung der ‚Nationalen
Kontaktstelle’ (National Contact Point) beim
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
unterstützt wird. Ein sog. Beirat aus NGO, Arbeitgebern,
Gewerkschaften und Ministerien hat im Januar 2002 seine Arbeit
aufgenommen und erhöht die Verbindlichkeit der Leitlinien.
Demgegenüber lehnt sich der UN Global
Compact ex plizit an das Prinzip der Selbstverpflichtung
und Reporting-Initiativen an. Unternehmen legen in öffentlich
zugäng lichen Berichten dar, wie sie zur Einhaltung der
UN-Übereinkunft beitragen. Diese Konzeption bezieht sich auf
existierende Reporting-Initiativen, die einerseits
Selbstverpflichtungen zu unterschiedlichen Themen (z.B. auch
Transparenz/Korruption, ethische Managementmaßstäbe)
enthalten und insofern weiter gefasst sind als Normenkataloge zu
Sozialstandards, andererseits jedoch weder ein
institutionalisiertes Monitoring im eigentlichen Sinne vorsehen,
noch eine Verifizierung durch Dritte. Unternehmen, die
ausschließlich auf Reporting setzen, haben in der Regel keine
komplexen Zulieferketten und stehen weniger unter unmittelbaren
öffentlichen Druck im Bereich der Arbeitsrechtsverletzungen,
sondern eher im Bereich der Debatte um Umweltstandards –
insbesondere in der Chemieindustrie (siehe beispielsweise
Responsible Care der Chemischen Industrie).
Die Wechselwirkung von öffentlichem
Druck, öffentlicher Einflussnahme und Benchmarking auf der
einen und die Formulierung und Implementierung von Standards
und Monitoringsystemen auf der anderen Seite mündet
gegenwärtig in eine Reihe von Dialogprozessen über
Monitoringverfahren. Dazu gehört der deutsche ‚Runde
Tisch Verhaltenskodizes’. Diese Debatte konzentriert sich vor
allem auf Branchen mit komplexen Zulieferketten. Die
Auseinandersetzung um diese Standards wurde in Deutschland von
Anfang an pragmatischer geführt als in den USA. Die
großen deutschen Handelshäuser sehen sich bis heute
jedoch nicht veranlasst, Konsumenten- und Arbeitsrechtsnetzwerke an
der Einführung und Überprüfung von Codes of
Conduct zu beteiligen und haben mittlerweile gleichzeitig
weitreichende Prüfungsverfahren entwickelt. Dabei geht es vor
allem um die Integration von Sozialstandards in umfassende
Qualitätsmanage ment sys teme, die vor allem
die Hauptlieferanten einbeziehen. Zu diesen Unternehmen
gehören der Otto Versand, Deichmann, C&A und die Karstadt
Quelle AG.
In ähnlicher Weise initiierte das BMU
einen nationalen Dialogprozess, in dem gemeinsam mit anderen
Ressorts, Wirtschafsverbänden, Unternehmen, Gewerkschaften
sowie Umwelt-, Verbraucher- und Entwicklungsverbänden konkrete
praxisbezogene Grundsätze für eine stärkere
Berücksichtigung von Umweltbelangen bei
Auslandsdirektinvestitionen entwickelt werden.
Bei der Vereinbarung von Verhaltensregeln
zwischen Berufssekretariaten (sektorale oder branchenspezifische
Welt gewerkschaftsorganisationen), nationalen
Gewerkschaftsgliederungen und multinationalen Unternehmen geht es
in erster Linie um Direktinvestitionen bzw. um Tochterunternehmen und
erst in zweiter Linie um Zulieferer und Subzulieferer. Die
Berufsekretariate wollen über Rahmenvereinbarungen auf
Grundlage von Verhaltensregeln den gewerkschaftlichen Zugriff auf
die Aushandlung von externen Sozialstandards verbessern, ohne dabei
lokale kollektivvertragliche Vereinbarungen zu ersetzen.
Rahmenabkommen sollen vor allem die Durchsetzung der
Kernarbeitsnormen fördern, insbesondere jedoch die
Gewerkschaftsfreiheit. Im Gegensatz zur Debatte um die
Überwachung der Sozialstandards von multinationalen
Unternehmen oder multilateraler Codes of Conduct geht es
Gewerkschaften nicht darum, selbst komplexe
Überwachungssysteme zu entwickeln: Auch bei Rahmenabkommen
wird das Prüfverfahren in der Regel von kommerziellen
Wirtschaftsprüfern oder internen Abteilungen des Unternehmens
durchgeführt. Gemeinsame Kommissionen, die aus Vertreterinnen
und Vertretern des betreffenden Berufsekretariats und/oder
Vertreterinnen oder Vertretern von nationalen Gewerkschaften
– gewerkschaftliche Aufsichtsratsmitglieder – bestehen,
haben das Recht, Beschwerden der beteiligten Parteien vorzubringen.
In der Regel werden halbjährliche oder jährliche
gemeinsame Berichte erstellt und Verbesserungsmaßnahmen
beraten.
77 Dies läuft in der Regel nicht über
Vertragskündigungen, sondern über das Ausbleiben einer
neuen Order.
78 Dazu gehören bspw. die Beschaffungsregeln der
Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels
bezüglich der Praktiken von Unternehmen wie die Otto Gruppe,
aber auch die Ansätze der Internationalen Handelskammer
ICC.
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