*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

 zurück weiter  Kapiteldownload  Übersicht 


3.6          Verhaltenskodizes transnationaler Unternehmen75

3.6.1       Die Bedeutung von Verhaltenskodizes in der Globalisierung

Während sich Unternehmen im nationalstaatlichen Kontext im Rahmen von definierten und verbindlichen sozialen, ökologischen und ökonomischen Regeln bewegen, ist dies im internationalen Kontext nicht im selben Maße der Fall. Dies führt zum einen dazu, dass Unternehmen durch Aktivitäten außerhalb des Herkunftslandes, etwa Outsourcing und die Verlagerung von Zulieferung und Produktion in andere Länder, zu geringer internalisierten sozialen und ökologischen Kosten produzieren können. Zum anderen führt die Internationalisierung der Produktion zu größerer Intransparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher bezüglich der Produktionsbedingungen von am Markt vorhandenen Gütern.

Verhaltenskodizes für Unternehmen sind eine derzeit viel diskutierte Möglichkeit, im Rahmen der Selbstverpflichtung der Industrie, soziale und ökologische Fortschritte zu erzielen und im gleichen Moment eine weitere ökonomische Entwicklung zu gewährleisten. Ein Hauptstreitpunkt zwischen Unternehmen auf der einen und Gewerkschaften und NGO auf der anderen Seite ist die Frage des Grades der Verbindlichkeit und der Ausgestaltung der Überprüfung.

Ein zentrales Motiv für das Zustandekommen von marktgesteuerten Implementierungsprozessen ist insbesondere der unmittelbare Druck der Öffentlichkeit auf Unternehmen, wie auch die indirekte Wirkung ihres öffentlichen Erscheinungsbildes (Public Performance). Die vor allem in Industrien mit komplexen Zulieferketten und dem Handel diskutierten Codes of Conduct, die im Mittelpunkt der aktuellen Debatte stehen, kamen Mitte der 90er Jahre aus den USA nach Europa. In den USA hatten Menschenrechtsaktivisten und Konsumentennetzwerke die großen Handelshäuser durch Berichte über Verletzungen von grundlegenden Rechten von Arbeitern und Arbeiterinnen bei deren Zulieferfirmen unter Druck gesetzt.

Die Social Accountability Initiative aus New York geht davon aus, dass mittlerweile weltweit 500 Kodizes existieren. Eine Untersuchung der ILO von 215 Kodizes aus dem Jahr 1998 weist folgendes aus: Von 215 beinhalten oder thematisieren: 66 Prozent keine Diskriminierung; 45Prozent das Verbot von Kinderarbeit; 25 Prozent das Verbot von Zwangsarbeit; 15 Prozent das Recht auf Organisationsfreiheit; 40 Prozent die Zahlung von Mindestlöhnen; 75 Prozent Gewährleistung von Arbeits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und Arbeitszeiten, soziale Sicherheit/Arbeitsverträge, ökologische Standards (ILO 1998c: 21ff.).

Eine OECD-Erhebung von 182 Kodizes aus dem Jahr 1999 unterscheidet zwischen vier verschiedenen Kodextypen: a) faires Geschäftsgebaren; b) Einhaltung der geltenden Gesetze, c) faire Arbeitsbedingungen und d) Umweltverträglichkeit. Faire Arbeitsbedingungen und Arbeiterrechte sind das häufigste Kriterium (Köpke 2000: 5)

Der Begriff Codes of Conduct bezeichnet im ursprünglichen Sinn vor allem unilaterale Selbstverpflichtungen von Unternehmen in Branchen mit langen Zulieferketten mit zumeist in Entwicklungsländer ausgelagerten lohninten­ siven Fertigungsbereichen. Selbstverpflichtungen gewinnen allerdings auch zunehmend in hochtechnisierten Sektoren und rohstoffausbeutenden Industrien an Bedeutung. Dazu gehört die Automobilindustrie, die Chemieindus­ trie, der Bergbau sowie die Gas- und Ölindustrie. In diesen Branchen betreffen Selbstverpflichtungen vorwiegend das globale Gesamtverhalten, das Personalmanagement innerhalb des Konzerns und seiner Tochterunternehmen, wie auch auf die externen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit, v.a. die Umweltauswirkungen.

Im Gegensatz zu nationalen gesetzlichen Verpflichtungen sind Verhaltenskodizes (Codes of Conduct) von transnationalen Unternehmen freiwillige, präventive oder reaktive Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Performance von Unternehmen bzw. ihres Gesamtverhaltens in der Gesellschaft („good citizenship). Vielfach versuchen Unternehmen, durch die freiwillige Selbstverpflichtung ordnungsrechtliche Maßnahmen gerade auch in den Stammländern der Transnationalen Unternehmen abzuwehren. Codes of Conduct sind völkerrechtlich gesehen weiche Regelungsmechanismen und werden damit zum sogenannten ‚Soft Law’ gezählt.76 Die in Kodizes festgelegten Normen können im Rahmen von Qualitätssicherung und Einkaufspolitik allerdings Verbindlichkeit erlangen, z.B. sofern Codes of Conduct Bestandteil der Vertragsbedingungen sind, die zwischen Vermarktern und Zulieferern ausgehandelt werden.

Die Wirkung von Kodizes ist umso höher, je mehr Unternehmen diese als Instrument akzeptieren und anwenden,    je transparenter der jeweilige Kodex bzw. seine Umsetzung ist und je mehr sie in der Produktionskette eingehalten werden

Es ist wohl empfehlenswert, Codes of Conduct nicht für die gesamte Wirtschaft, sondern eher für einzelne Branchen zu entwickeln (wobei jedoch gewisse Mindeststandards – wie z.B. im Bereich von Sozialstandards die Kernarbeitsnormen – als Grundlage nicht in Frage gestellt werden dürften). Dann ist es leichter, auf spezielle Gefahren, Risiken und Möglichkeiten einzugehen, die Verhaltenskodizes können effektiver wirken. Die Anwendung von Kodizes sollten auch ausreichend flexibel formuliert werden, um verschiedene Situationen in verschiedenen Ländern erfassen zu können.



75 Der wissenschaftliche Input zu diesem Kapitel stammtin Teilen von Köpke (2000).

zurück zum Text



76 Vgl. Kap. 10.3.4.

zurück zum Text



 zurück weiter  Top  Übersicht 


Volltextsuche