3.6
Verhaltenskodizes
transnationaler Unternehmen75
3.6.1 Die
Bedeutung von Verhaltenskodizes in der Globalisierung
Während sich
Unternehmen im nationalstaatlichen Kontext im Rahmen von
definierten und verbindlichen sozialen, ökologischen und
ökonomischen Regeln bewegen, ist dies im internationalen
Kontext nicht im selben Maße der Fall. Dies führt zum
einen dazu, dass Unternehmen durch Aktivitäten außerhalb
des Herkunftslandes, etwa Outsourcing und die Verlagerung von
Zulieferung und Produktion in andere Länder, zu geringer
internalisierten sozialen und ökologischen Kosten produzieren
können. Zum anderen führt die Internationalisierung der
Produktion zu größerer Intransparenz für die
Verbraucherinnen und Verbraucher bezüglich der
Produktionsbedingungen von am Markt vorhandenen Gütern.
Verhaltenskodizes
für Unternehmen sind eine derzeit viel diskutierte
Möglichkeit, im Rahmen der Selbstverpflichtung der Industrie,
soziale und ökologische Fortschritte zu erzielen und im
gleichen Moment eine weitere ökonomische Entwicklung zu
gewährleisten. Ein Hauptstreitpunkt zwischen Unternehmen auf
der einen und Gewerkschaften und NGO auf der anderen Seite ist die
Frage des Grades der Verbindlichkeit und der Ausgestaltung der
Überprüfung.
Ein zentrales
Motiv für das Zustandekommen von marktgesteuerten
Implementierungsprozessen ist insbesondere der unmittelbare Druck
der Öffentlichkeit auf Unternehmen, wie auch die indirekte
Wirkung ihres öffentlichen Erscheinungsbildes (Public
Performance). Die vor allem in Industrien mit komplexen
Zulieferketten und dem Handel diskutierten Codes of Conduct,
die im Mittelpunkt der aktuellen Debatte stehen, kamen Mitte der
90er Jahre aus den USA nach Europa. In den USA hatten
Menschenrechtsaktivisten und Konsumentennetzwerke die großen
Handelshäuser durch Berichte über Verletzungen von
grundlegenden Rechten von Arbeitern und Arbeiterinnen bei deren
Zulieferfirmen unter Druck gesetzt.
Die Social
Accountability Initiative aus New York geht davon aus, dass
mittlerweile weltweit 500 Kodizes existieren. Eine Untersuchung der
ILO von 215 Kodizes aus dem Jahr 1998 weist folgendes aus: Von 215
beinhalten oder thematisieren: 66 Prozent keine Diskriminierung;
45Prozent das Verbot von Kinderarbeit; 25 Prozent das Verbot von
Zwangsarbeit; 15 Prozent das Recht auf Organisationsfreiheit; 40
Prozent die Zahlung von Mindestlöhnen; 75 Prozent
Gewährleistung von Arbeits- und Gesundheitsschutz am
Arbeitsplatz und Arbeitszeiten, soziale
Sicherheit/Arbeitsverträge, ökologische Standards (ILO
1998c: 21ff.).
Eine
OECD-Erhebung von 182 Kodizes aus dem Jahr 1999 unterscheidet
zwischen vier verschiedenen Kodextypen: a) faires
Geschäftsgebaren; b) Einhaltung der geltenden Gesetze, c)
faire Arbeitsbedingungen und d) Umweltverträglichkeit. Faire
Arbeitsbedingungen und Arbeiterrechte sind das häufigste
Kriterium (Köpke 2000: 5)
Der Begriff
Codes of Conduct bezeichnet im ursprünglichen Sinn vor
allem unilaterale Selbstverpflichtungen von Unternehmen in Branchen
mit langen Zulieferketten mit zumeist in Entwicklungsländer
ausgelagerten lohninten siven Fertigungsbereichen.
Selbstverpflichtungen gewinnen allerdings auch zunehmend in
hochtechnisierten Sektoren und rohstoffausbeutenden Industrien an
Bedeutung. Dazu gehört die Automobilindustrie, die
Chemieindus trie, der Bergbau sowie die Gas- und
Ölindustrie. In diesen Branchen betreffen
Selbstverpflichtungen vorwiegend das globale Gesamtverhalten, das
Personalmanagement innerhalb des Konzerns und seiner
Tochterunternehmen, wie auch auf die externen Auswirkungen der
Unternehmenstätigkeit, v.a. die Umweltauswirkungen.
Im Gegensatz zu
nationalen gesetzlichen Verpflichtungen sind Verhaltenskodizes
(Codes of Conduct) von transnationalen Unternehmen
freiwillige, präventive oder reaktive Maßnahmen zur
Verbesserung der sozialen, ökologischen und ökonomischen
Performance von Unternehmen bzw. ihres Gesamtverhaltens in der
Gesellschaft („good citizenship). Vielfach versuchen
Unternehmen, durch die freiwillige Selbstverpflichtung
ordnungsrechtliche Maßnahmen gerade auch in den
Stammländern der Transnationalen Unternehmen abzuwehren.
Codes of Conduct sind völkerrechtlich gesehen weiche
Regelungsmechanismen und werden damit zum sogenannten ‚Soft
Law’ gezählt.76 Die in Kodizes festgelegten Normen
können im Rahmen von Qualitätssicherung und
Einkaufspolitik allerdings Verbindlichkeit erlangen, z.B. sofern
Codes of Conduct Bestandteil der Vertragsbedingungen sind,
die zwischen Vermarktern und Zulieferern ausgehandelt werden.
Die Wirkung von
Kodizes ist umso höher, je mehr Unternehmen diese als
Instrument akzeptieren und anwenden, je transparenter der jeweilige Kodex bzw. seine
Umsetzung ist und je mehr sie in der Produktionskette eingehalten
werden
Es ist wohl
empfehlenswert, Codes of Conduct nicht für die gesamte
Wirtschaft, sondern eher für einzelne Branchen zu entwickeln
(wobei jedoch gewisse Mindeststandards – wie z.B. im Bereich
von Sozialstandards die Kernarbeitsnormen – als Grundlage
nicht in Frage gestellt werden dürften). Dann ist es leichter,
auf spezielle Gefahren, Risiken und Möglichkeiten einzugehen,
die Verhaltenskodizes können effektiver wirken. Die Anwendung
von Kodizes sollten auch ausreichend flexibel formuliert werden, um
verschiedene Situationen in verschiedenen Ländern erfassen zu
können.
75 Der wissenschaftliche Input zu diesem Kapitel
stammtin Teilen von Köpke (2000).
76 Vgl. Kap. 10.3.4.
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