*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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3.6.5.3    Das prinzipielle Regulierungsproblem und die Bedeutung von Kodizes

Sowohl Unternehmen, als auch Gewerkschaften und NGO wissen, dass eine Kontrolle von selbst aufgestellten Kodizes sinnvoll und notwendig ist. Je besser die Kontrolle, desto glaubwürdiger ist der Kodex.

Während die Unternehmen die eigene Kontrolle bevorzugen, wollen insbesondere NGO dies durch spezielle unabhängige, eventuell gar staatliche Institutionen gewährleistet sehen. Je größer und internationaler die Unternehmen sind, desto schwieriger wird es sein, die Einhaltung von Kodizes zu kontrollieren. Die Schwierigkeiten beginnen bei der Definition von Verhalten und enden bei der Kontrolle des Verhaltens von Vorlieferanten. Gerade bei letzterem ergeben sich vielfältige Probleme, denn eine absolute Kontrolle ist unmöglich. Allerdings muss auch Sorge dafür getragen werden, dass die Vorlieferkette grundsätzlich in Verhaltenskodizes einbezogen wird, weil andernfalls die Gefahr besteht, „kritische“ Aktivitäten aus dem eigenen Unternehmen auszugliedern. Bei der Kontrolle von Vorlieferern ist deshalb die Einbeziehung lokaler Instanzen sinnvoll. Die Schwierigkeit zeigt sich allerdings bei dem Beispiel aus der Textilbranche, wonach die führenden europäischen Unternehmen in Indien z.B. auf eine Zahl von 12000 bis 15000 Hauptlieferanten kommen (BDA, BDI 2001).

Wie bereits im Zwischenbericht der Kommission erörtert, erschließt sich die Bedeutung von Kodizes aus dem Spannungsverhältnis zwischen rechtlich verbindlichen Regelungen und Instrumenten auf der einen Seite (Sozialklauseln, nationale Arbeits- und Umweltgesetze) sowie Selbstverpflichtungen auf der anderen Seite.

Während Sozialklauseln als wirksames Instrument insgesamt umstritten bleiben83, ist insbesondere auf die Wechselwirkung zwischen nationalen Gesetzen und Codes zu verweisen. Nationale Arbeits- und Umweltgesetze definieren in der Regel komplexere und verbindlichere Standards als Normenkataloge von Unternehmen (CoC). Durch den Stakeholder-Dialog von Selbstverpflichtung und seiner Anwendung in der Praxis entstehen neue strategische Allianzen zwischen den lokalen Gruppen von Betroffenen im Kontext der Aktivitäten transnational agierender Unternehmen und den so genannten Verbraucherinnen und Verbrauchern im Norden.

   Das prinzipielle Regulierungsproblem besteht weniger im Vorhandensein als in der mangelnden Anwendung und Umsetzung nationaler Standards. In diesem Sinne ist der Begriff ‚Einführung von Sozial- und Umweltstandards’ über Verhaltenskodizes missverständlich. In den für deutsche Vermarkter maßgeblichen Standorten Indien und China gibt es per Gesetz relativ hohe Standards, was sich bspw. in der Neufassung des chinesischen Gewerkschaftsgesetzes vom Oktober 2001 manifestiert. Das Problem besteht darin, wie die Aufsichtsbehörden und auch das politische Umfeld dazu gebracht werden können, diese Gesetze auch tatsächlich anzuwenden. Codes of Conduct können dazu beitragen, nationale Gesetze tatsächlich zur Anwendung zu bringen. Deshalb fordern Arbeitsrechtsnetzwerke und Gewerkschaften explizit84, dass als eine wesentliche Voraussetzung für positive Wirkungen von Kodizes Beratungs- und Schulungsmaßnahmen für Beschäftigte und betroffene Gemeinden (bei rohstofffördernden Industrien) durchgeführt werden müssen. Einige Unternehmen wie etwa Nike, Adidas und Reebok haben bspw. mit chinesischen Arbeitsrechtsorganisationen die Durchführungen von Fortbildungen im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz vereinbart.

In der Vergangenheit hat sich in wenigen Einzelfällen gezeigt, dass per Selbstverpflichtung nationale Standards unterlaufen werden können. Mit der Anerkennung der Kernarbeitsnormen durch eine große Mehrheit deutscher Unternehmen wird eher das Gegenteil der Fall sein, sofern Unternehmen, NGO und Gewerkschaften dafür im Dialog die Voraussetzungen schaffen. Eindeutige Grenzen hingegen bestehen dort, wo politische Rahmenbedingungen nicht gegeben sind (Fall Triumph – Burma). Dabei kommt die in der Regel problematische Frage des Boykotts ins Spiel, die jedoch für die Anwendung von Kodizes von deutschen Unternehmen gegenwärtig keine Bedeutung hat.

Der Enquete-Kommission war es aus Zeitgründen nicht möglich, neben den bisherigen Ergebnissen des Runden Tisches auch andere Initiativen85 bzw. Hintergründe86 und Erfahrungen mit Verhaltenskodizes detaillierter zu untersuchen und darzustellen. Diese Arbeit bleibt einer Folge-Enquete überlassen. Dazu gehört auch eine Untersuchung staatlicher Initiativen bzw. der Wirksamkeit gesetzlicher Regelungen.87



83 Gewerkschaften verweisen auf die positiven Wirkungen von Sozialklauseln und berufen sich u. a. auf empirische Studien zur Wirkung von Sozialklauseln in Handelsvereinbarungen bezüglich der Durchsetzung der Gewerkschaftsfreiheit. Unternehmen lehnen Sozialklauseln demgegenüber in der Regel eher ab. Bei NGO, insbesondere zwischen Akteuren im Norden und Süden, besteht eine generelle Uneinigkeit – insbesondere hinsichtlich möglicher protektionistischer Wirkungen.

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84 Z. B. der chinesischen Arbeitsrechtsnetzwerke und der unabhängigen Gewerkschaften in Hongkong.

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85 Etwa der Entwurf eines Code of Conduct für die Gas- und Ölindustrie des Hilfswerks „Brot für die Welt“.

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86 Etwa Werner und Weiss (2001).

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87 Verwiesen sei auf die gesetzliche Berichtspflicht für Unternehmen in den Niederlanden, die bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vorausgesetzt wird oder der belgische Gesetzesentwurf, wonach Wirtschaftstätigkeit auch exterritorial gerichtsrelevant ist, was während eines gemeinsamen Gesprächs mit dem Runden Tisch angesprochen wurde.

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