3.7
Die Rolle und der
Einfluss von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im
internationalen Handelssystem
3.7.1
Spezifische Probleme der KMU
Im Prozess der Internationalisierung der
Märkte stellen sich die spezifischen Probleme der kleinen und
mittleren Unternehmen im Zugang zu Wissen und Informationen, zu
haftendem Eigenkapital und zu Krediten mit angemessenen Konditionen
(vgl. Kapitel 2.3.3)sowie zu
qualifiziertem Personal in neuer Qualität.
Im Zuge der Entfaltung des europäischen
Binnenmarktes hatten die deutschen kleinen und mittleren
exportorientierten Betriebe viele Chancen ergriffen und nicht
wenige Herausforderungen gemeistert. Für die Zukunft des
Mittelstandes wird es jedoch wichtig sein, vermehrt Märkte auf
dem europäischen Binnenmarkt und weltweit zu
erschließen.
Außenwirtschaftsförderung und Kooperation:
Angesichts der natürlicherweise beschränkten sachlichen
und personellen Ressourcen der KMU wird es besonders wichtig sein,
dass sich die wichtigsten Akteure der
Außenwirtschaftsförderung, die sich zum
„Servicebund Außenwirtschaft“ zusammen gefunden
haben, die Transparenz in der Außenwirtschaftsförderung
durch den Ausbau der elektronischen Angebote verstärken und
nutzerfreundlich anbieten. Elektronische Angebote müssen
jedoch weit stärker als bisher ihr Beratungs- und
Informationsangebot auf die Bedürfnisse der KMU, auf das
Handwerk und die Freien Berufe ausrichten, mit den
mittelständischen Verbänden und dem ZDH zusammen arbeiten
und so den Zugang zu neuen Märkten erleichtern. Die neue
Anlauf- und Koordinierungsstelle des BMWi sowie die
einschlägigen Beratungsstellen vieler Bundesländer sind
dabei wichtige Instrumente, um Auslandsprojekte besser zu
unterstützen.
Viele Märkte
werden aber nur durch Kooperation mit einheimischen Partnern
sinnvoll bearbeitet werden können. Informationen und
Hilfestellungen bei Kooperationsprojekten über politische,
soziale und kulturelle Voraussetzungen sind dafür
unentbehrlich und sollten verstärkt angeboten werden. Mit den
bisher geförderten Kooperationsbörsen für Ingenieure
und Architekten kann man auf gute Erfahrungen
zurückblicken.
Häufig ist
auch die Präsenz auf Auslandsmessen ebenso unentbehrlich wie
unerschwinglich. Die öffentliche Förderung von
Auslandsmessen – gerade für mittelständisch
strukturierte Branchen – und von Internet-Auftritten ist
deswegen empfehlenswert und weiter auszubauen.
Sprach- und
Landeskenntnisse sind ein entscheidender Faktor für
längerfristige, erfolgreiche Export- und
Kooperationsbeziehungen. Gerade hier haben aber KMU entscheidende
Nachteile gegenüber großen Firmen, weil sie bei global
ausgerichteten Exportbeziehungen keinesfalls so viele mehrsprachige
Beschäftigte anstellen können, wie sie sie zur Nutzung
potenzieller Chancen benötigen. Die Auslandshandelskammern und
deren Ausrichtung auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer
Unternehmen sind ein wichtiges Instrument und im Zuge weiterer
Internationalisierung unentbehrlich.
Die
Förderung der Mehrsprachigkeit nicht nur im
Sekundär-Schulwesen und an Fachhochschulen und
Universitäten ist deswegen ebenso zwingend erforderlich wie
deren verstärkte Berücksichtigung im Rahmen der Berufs-
und Weiterbildung. Die Förderung darf sich dabei nicht in der
Förderung von Zweisprachigkeit (Englisch) erschöpfen,
sondern muss auf Mehrsprachigkeit und auch auf das Erlernen
„kleinerer“ Sprachen abzielen.
Fachkräfte: Ein derzeitiges großes Problem des
Mittelstandes nicht nur in Deutschland ist der nicht zu
befriedigende Bedarf an qualifizierten Beschäftigten und
Führungskräften. Die KMU in Deutschland hatten im
Frühjahr 2001 einer Umfrage zufolge 900 000 offene Stellen
vorwiegend für qualifizierte Mitarbeiter anzubieten (Gruner +
Jahr AG & Co., Dresdner Bank AG 2001: 80). Europaweit wird der
Mangel an Fachkräften von fast zehn Prozent der Unternehmen
als „wesentliches Hindernis der
Geschäftstätigkeit“ angesehen (Europäische
Kommission 2000a: 8). Die lange Suche und Auswahl geeigneten
Personals hemmt somit die wirtschaftliche Tätigkeit der
Unternehmen. Als Grund nennen die Unternehmen häufig die
Lücke zwischen der Qualifikation der Arbeitnehmer und den
Ansprüchen, die sie an die Bewerber stellen.
Aufgrund des schon heute
bestehenden Fachkräftemangels gewinnt die Weiterqualifizierung
der Beschäftigten für KMU zunehmend an Bedeutung. Dies
wird durch die Empirie bestätigt: Fort- und Weiterbildung
bereits vorhandener Arbeitskräfte sind in der EU die am
meisten angewandten Strategien, dem Fachkräftemangel entgegen
zu wirken.
Angesichts der
demographischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland
genügen diese Strategien jedoch nicht mehr. Ab ca. 2010 ist
mit einem Rückgang des Arbeitskräftepotenzials zu
rechnen. Dies verschärft die Arbeitskräfteproblematik der
KMU zusätzlich. Das bedeutet, dass der Mittelstand
künftig stärker als bisher das Potenzial und die
Arbeitskraft von qualifiziert ausgebildeten Frauen nutzen muss.
Forschung und
Entwicklung: Die Gesellschaft befindet sich im Übergang
von der Industrie- in die Wissensgesellschaft. Dieser
Strukturwandel, der durch die verstärkte internationale
Arbeitsteilung im Rahmen der Globalisierung noch verstärkt
wird, eröffnet große Chancen für Wachstum,
Produktivitätsfortschritt und die Verbesserung der
Lebensqualität. Gleichzeitig stellt er eine Heraus
forderung im globalen Innovationswettbewerb dar. Der Druck im
internationalen Wettbewerb wird stärker, die technologische
Entwicklung dynamischer, die Produktlebenszyklen kürzer. Dies
gilt für große Unternehmen genauso wie für KMU.
Diese sind aus eigener Kraft aber schlechter als die großen
Unternehmen in der Lage, Forschungsvorhaben zu ihrer
Weiterentwicklung zu finanzieren oder gar selbst
durchzuführen. Diesen Unternehmen fällt es schwer, den
Anschluss an den technischen Fortschritt sicherzustellen. Sie sind
oft kaum in der Lage, allein kostspielige und risikoreiche
Aufträge an externe Forschungsstellen zu finanzieren oder gar
interne Abteilungen zur Deckung ihres FuE-Bedarfs mit
entsprechendem Personal zu unterhalten.
Wichtig für
die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist neben den
staatlichen Forschungsaufwendungen das Volumen an FuE in den
Unternehmen. Während 1999 der Staat 16,2 Milliarden Euro in
Deutschland für Forschung und Entwicklung aufgewendet hat,
waren es seitens der Wirtschaft 31,0 Milliarden Euro. Die
FuE-Position der deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich
ist nicht zufriedenstellend. Insbesondere die stark nachlassende
Beteiligung von KMU an FuE in den 90er Jahren ist ein Schwachpunkt.
Etwa 15 Prozent der FuE-Ausgaben der Wirtschaft, also etwa 4,6
Milliarden Euro, entfallen auf die KMU.
Ziele der
Forschungspolitik aus KMU-Sicht
– Die notwendigen Rahmenbedingungen
müssen geschaffen werden. Zur Unterstützung der
industriellen FuE-Anstrengungen, die immer mit Erfolgsrisiken
behaftet sind, muss der Staat die notwendigen Rahmenbedingungen
schaffen. Im innovationsfördernden globalen Wettbewerb der
besten FuE-Standorte um private FuE-Mittel sind Strategien zur
unternehmerischen Verwertbarkeit von FuE sowie Rechtssicherheit bei
Patenten wichtig. Patente legen Erfindungen offen und sind ein
Motor für den (insbesondere globalen) Technologietransfer.
Daher müssen internationale Patente auch für KMU
bezahlbar bleiben.
– Der Technologietransfer muss
erhöht werden. Ein großes Problem ist für KMU
der Technologietransfer von der Forschung in marktfähige
innovative Produkte. Die frühzeitige Ausrichtung von
Forschungsprogrammen auf Innovationen ist für den
erfolgreichen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis
genauso wichtig wie die Arbeit von Transferagenturen. Generell
sollten KMU einen besseren Zugang zu staatlichen
Forschungseinrichtungen erhalten.
– Fachkräftemangel und
Mobilität von Forschern. Der Transfer von Know-how
funktioniert am besten über Köpfe. Hierin liegt ein
erhebliches Beschleunigungspotenzial für Innovationen. Die
Globalisierung bietet gerade hier große Chancen, den
personellen Austausch zwischen In- und Ausland sowie zwischen
Wissenschaft und Wirtschaft zu verstärken. Gefragt sind
insbesondere international ausgerichtete und qualifizierte
Mitarbeiter. Der Mangel an entsprechenden Fachkräften
dämpft heute schon die wirtschaftlichen
Entwicklungsmöglichkeiten in Deutschland. Dies gilt in
verstärktem Maße für KMU, die leider oft wegen
scheinbar mangelnder Attraktivität bei Hochschulabsolventen
und anderen Fachleuten besonders große Schwierigkeiten bei bei
der Personalsuche haben.
Forschungsförderung. Die direkte Förderung von
vorwettbewerblichen Forschungsprojekten der Wirtschaft
(„Projektförderung“) – oft im Verbund mit
Forschungsinstituten der Wissenschaft – ist die
vorherrschende und bewährte Maßnahme vieler Staaten zur
Verringerung der FuE-Kosten und zur Reduzierung des
Forschungsrisikos. In Deutschland werden speziell die KMU durch die
Förderung der vorwettbewerblichen industriellen
Gemeinschaftsforschung (IGF) unterstützt. Die
Gemeinschaftsforschung und Forschungskooperationen sollten
verstärkt gefördert werden.
Auch indirekte
oder indirekt-spezifische Fördermaßnahmen können
helfen, technologiepolitische Ziele zu erreichen. Viele Staaten
führen deshalb indirekte Maßnahmen zur Verringerung der
FuE-Kosten der Unternehmen ein. Einer der effizientesten Wege, aus
Forschungsergebnissen technische Innovationen zu machen, sind
wissensbasierte Unternehmensgründungen. Neues Wissen wird
unmittelbar vermarktet und trägt dadurch zu mehr Wachstum und
Beschäftigung bei. Die Enquete-Kommission hat dazu keine
Gutachten über weltweit vorhandene, in Erprobung befindliche
Fördermodelle vergeben. Da sie dieses Thema aber für
wichtig erachtet, schlägt sie die Bearbeitung in einer
folgenden Enquete-Kommission vor.
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