5.3.1.7 Biologische Vielfalt
und Biopiraterie
Die Gefahren für Biodiversität und
für Biopiraterie gehören seit 1960 zu den
Hauptverhandlungsthemen im Zusammenhang mit Patentierung.
„Dem Verlust der Bio diversität ist aus mehreren
Gründen Einhalt zu gebieten. Das Übereinkommen über
biologische Vielfalt nennt in seiner Präambel hierzu neben dem
Eigenwert der Biodiversität deren Wert in ökologischer,
genetischer, sozialer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher,
kultureller und ästhe tischer Hinsicht, sowie ihre
Erholungsfunk tion“ (Brühl 2002: 8) „Heute
ist zudem allgemein anerkannt, dass die biologische Vielfalt auch
indirekt das Überleben der Menschheit sichert, in dem sie
beispielsweise zum Klimaschutz beiträgt.“ (Brühl
2002: 10). Dabei geht es um folgende Konflikte:
„Im Zeitalter der Globalisierung
agieren transnationale Unternehmen weltweit und suchen in den
Zentren der Bio diversität nach neuen Wirkstoffen.
Politisch brisant ist dies vor dem Hintergrund des systematischen
Ungleichgewichtes in der Verfügbarkeit von genetischen
Ressourcen einerseits und Technologie andererseits.“
(Brühl 2002: 10) Insofern wurden die schon 1960 beginnenden
Verhandlungen von massiven Konflikten zwischen
Entwicklungsländern und Industrieländern geprägt.
„Zugespitzt möchten die Industrieländer (bzw. deren
privatwirtschaftlichen Akteure) Zugang zur biologischen Vielfalt
haben, um die eigene Forschung und Produktion voranzubringen. Die
Entwicklungsländer sind zwar Eigentümer der biologischen
Ressourcen, können sie jedoch nicht adäquat nutzen, da
ihnen hierfür die Technologie fehlt. Zudem wurde in den 1970er
und 1980er Jahren offensichtlich, dass die biologische Vielfalt
trotz bestehender Naturschutzbemühungen abnahm (Brühl
2002: 11).
Vandana Shiva, Trägerin des alternativen
Nobelpreises und Wissenschaftlerin aus Indien, warnt in diesem
Kontext zu Recht vor der Entstehung eines neuen Kolonialismus:
„Seit der Kolonialzeit wurden Land, Ressourcen und Rechte der
Menschen durch die Kolonialländer ursupiert. Heute findet
dieser Prozess auf subtilierer Ebene statt. Die transnationalen
Konzerne (TNC) der nördlichen Hemi sphäre versuchen
exklusive Rechte auf genetische Ressourcen der Pflanzenwelt und der
Artenvielfalt der Dritten Welt zu erhalten. Durch Institutionen wie
die GATT-Verhandlungen betreiben sie die Ausweitung des
‚Schutzes geistigen Eigentums‘, was eine
Monopolisierung von Ideen und eine Entwertung des Wissens der
Menschen in der Dritten Welt bedeutet. Der Schutz des geistigen
Eigentums ist der Schlüssel zur endgültigen Besitznahme
und Kontrolle der Ressourcen und Märkte der Dritten
Welt.“ (Greenpeace 1999: 70). So sollten etwa in einem
internationalen Forschungsprojekt 720 vom Aussterben bedrohte
Volksgruppen mit Blut- und Gewebeproben erfasst werden, um
Aufschluss über besondere genetische Anlagen zu geben. Der
Kongress der australischen Aborigines verurteilte dieses
Unternehmen als „legalisierten Diebstahl“. Der
permanente Konflikt wird auch hinsichtlich des Einsatzes von
Heilpflanzen deutlich. In einer Studie der Weltbank wurde
festgestellt, dass 1990 weltweit 43 Milliarden US-Dollar mit
Arzneimitteln umgesetzt wurden, die von indigenen Völkern
entdeckt worden waren, ohne dass diese einen nennenswerten Anteil
an den Gewinnen erhielten. Und die UN-Entwicklungsorganisation UNDP
stellte 1999 fest: „Die biologische Vielfalt ist für die
Entwicklung von Medikamenten von größter Bedeutung.
Schätzungen zufolge lagern in den Entwicklungsländern 90
Prozent der biologischen Ressourcen der Welt. (...) Gerade diese in
langer Tradition erworbenen Kenntnisse des in der Natur
vorkommenden Potenzials sind für die Pharmafirmen heute so
wertvoll. (...) Ohne Genehmigung der lokalen Bevölkerung wurde
dieses Wissen zur Entwicklung hochprofitabler Medikamente
eingesetzt. In jeder anderen Situation würde dies als
Industriespionage bezeichnet.“ (Greenpeace 1999: 74). Deshalb
wurde in der Konvention über biologische Vielfalt, die 1992
auf dem Gipfel in Rio verabschiedet wurde und 1993 in Kraft trat,
vertraglich festgelegt, dass die Ursprungsländer bei der
Erschließung und Nutzung der biologischen Vielfalt beteiligt
werden müssen. Die Konvention erkennt die Rechte der
Länder in der Verfügung über ihre genetischen
Ressourcen ausdrücklich an. Die TRIPS-Regelungen, aber auch
die der europäischen Richtlinie gelten aus Sicht von NGOs,
vieler internationaler Organisationen und Wissenschaftler und
Entwicklungs- und Schwellenländern als Verstoß gegen
diese Konvention. Die UNDP stelle in ihrem „Bericht über
die menschliche Entwicklung“ 1999 zu den
Patentierungsgesetzen ausdrücklich fest: „Diese Gesetze
ignorieren die kulturelle Vielfalt bei der Schaffung von
Innovationen und Teilhabe daran. Ebenso wenig berücksichtigen
sie die vielfältigen Ansichten darüber, was Gegenstand
von Eigentumsansprüchen sein kann und sein darf.“ (UNDP
1999). Mitte Februar 2002 gründeten zwölf Entwicklungs-
und Schwellenländer, unter ihnen China, Indien und Brasilien,
eine Allianz gegen Biopiraterie. Sie wollen verhindern, dass die
genetische Vielfalt weiterhin von transnationalen Konzernen
ausgebeutet wird und diese daraus kommerzielle Exklusivrechte in
Form von Patentschutz ableiten, ohne dass die lokale
Bevölkerung daraus einen Nutzen zieht. In diesen zwölf
Ländern konzentrieren sich ca. 70 Prozent der weltweiten
Artenvielfalt. Die Initiatoren erklärten, die Initiative diene
auch dem Ziel, dass die Frage der Patentierung auf Tiere und
Pflanzen im August diesen Jahres auf dem UN-Kongress für
nachhaltige Entwicklung zur Sprache gebracht und unter dem UN-Dach
gelöst werde (vgl. Kapitel
7.3.2.3).
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