7.2.2.2
Produktionsmöglichkeiten
Neben dem Zugang
zu Land und den in 7.2.2.1 genannten Agrarstruktur- und
-verfassungselementen spielt die Frage der verfügbaren
Technologie eine herausragende Rolle. Sie ist eng verknüpft
mit dem Stand und der Ausrichtung der Agrarforschung, dem
verfügbaren Wissen vor Ort und den Investitionen in Bildung
und Ausbildung der Landwirtinnen und Landwirte. In diesem Sinne ist
die Förderung der menschlichen Ressourcen essentiell zur
Verbesserung der Ernährungslage (von Braun u. a. 1998:
216).
Die von Brot
für die Welt und Greenpeace veröffentlichte Studie
„Ernährung sichern“ (Brot für die Welt,
Greenpeace 2001) setzt sich aus der Perspektive des Südens mit
nachhaltiger Landwirtschaft auseinander. Zugrunde liegen die
Forschungsergebnisse der britischen Agrarexperten Jules Pretty und
Rachel Hine, die in ihrem „SAFE-World-Report“ (Pretty,
Hine 2001) anhand von ca. 200 Beispielen aus 52 Ländern
belegen, dass die nachhaltig standortgerechte Landwirtschaft einen
wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Ernährungssituation im
ländlichen Raum leisten kann. Neben agrartechnischen Aspekten
belegt die Studie die enorme Bedeutung des traditionellen Wissens
der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Die dargestellten
Produktivitätssteigerungen wären ohne partizipatorische
Ansätze und ohne die Berücksichtigung des Gender
aspektes sicherlich nicht zu realisieren gewesen. Noch ist die
ökologisch bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche
insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern relativ
gering (mit Ausnahme von Argentinien < 1%).
Tabelle 7-1können Angaben für Lateinamerika, Afrika
und Asien entnommen werden.
Ein besonderes
Augenmerk muss auf jene Agrar standorte gelegt werden, die u.
a. geprägt sind von hohem Energieeinsatz, Monokulturen und dem
Verlust von Agrobiodiversität. Großflächige
kapitalintensive landwirtschaftliche Strukturen und nachhaltiges
landwirtschaftliches Wirtschaften unter Berücksichtigung von
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekten müssen
kein Widerspruch sein. Allerdings bedarf es der entsprechenden
politischen Weichenstellungen. „Nachhaltige
Landwirtschaft“12
muss sowohl den Bedürfnissen der Bevölkerung als auch den
natürlichen, ökologischen Bedingungen in einer bestimmten
Region gerecht werden, die ja häufig in ihren Zielen,
nämlich Erhalt natürlicher Ressourcen, gleich sind. Ihr
Ziel ist ein opti maler Ertrag landwirtschaftlicher Erzeugnisse, ohne
dass zerstörerische Auswirkungen auf die Umwelt einhergehen.
Priorität genießen die Nutzung und Erweiterung lokaler
Ressourcen in der Region wie zum Beispiel Arbeitskraft, Wasser,
Nährstoffe, vor der Abhängigkeit von Betriebsmitteln. Das
schließt den Gebrauch technischer und synthetischer Mittel
nicht aus, hält aber ihren Einsatz so gering wie möglich,
um weder die natürliche Umwelt noch die wirtschaftliche und
physische Eigenständigkeit der Bevölkerung aufs Spiel zu
setzen. Landwirtschaft kann nur dann nachhaltig sein, wenn die
sozialen und kulturellen Belange der sie tragenden Menschen als
integraler Bestandteil aller Veränderungsprozesse angesehen
und deren Entscheidungsbefugnisse nicht angetastet werden“
(epd Entwicklungspolitik 19/1997: d10, s. auch 7-1).
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage,
welche entwicklungspolitischen Auswirkungen die neue deutsche
Agrarpolitik erkennen lässt (Grethe 2001). Zu
berücksichtigen sind z. B. Effekte einer verringerten
Erzeugung von Agrarprodukten, Fragen von Produkt- und
Prozessstandards, Änderungen der Marktzugangsbedingungen, eine
veränderte Nachfrage nach ökologisch erzeugten Produkten
und die Frage der Zertifizierung ökologischer Produktion in
Entwicklungsländern.
Der
Internationalen Agrarforschung kommt in diesem Zusammenhang eine
wichtige Aufgabe zu. Neben unbestreitbaren züchterischen
Leistungen in den verschiedenen Agrarforschungszentren und den
Erfolgen einer präventiven Hungerbekämpfung seit ihrer
Gründung im Jahre 1971 muss die Internationale Agrarforschung
ihren Reformprozess mutig vorantreiben und konsequent eine
zukunftsfähige Ausrichtung entwickeln, die sich neben der
klassischen Züchtung insbesondere mit den sozio
ökonomischen Rahmenbedingungen der landwirtschaftlichen
Produktion beschäftigt. Traditionelles Wissen, Gen
der aspekte, partizipative Forschungsansätze, ver
stärk ter Einsatz regenerativer Energien im Sinne
angepasster Technologien, Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher
Produkte und der weitere Ausbau von Wissensmana
gementsystemen stehen im Mittelpunkt des Interesses. Diese
Forschungsschwerpunkte würden die konsequente Orientierung der
Internationalen Agrarforschung an der Bekämpfung der
weltweiten Armut unterstreichen.
Biotechnologien
und insbesondere die Gentechnik eröffnen der
Pflanzenzüchtung neue Wege. Inwieweit die neu gewonnenen
Erkenntnisse und deren praktische Umsetzung sich positiv auf die
Welternährungslage auswirken, „hängt vor allem
davon ab, wie dieses Potenzial eingesetzt und wie mit ihm
umgegangen wird“ (Misereor 1999: 2). Während die einen
mit der praktischen Anwendung der Gentechnik keine neuen
Abhängigkeiten verbinden und mit dem Einsatz krankheits- und
schädlingsresistenten Saatgutes ökonomische Vorteile
sowohl für große landwirtschaftliche Einheiten als auch
für Familienbetriebe prognostizieren (Novartis Deutschland
GmbH 1999: 16), befürchten die Kritiker neben bisher
unabsehbaren gesundheitlichen und ökologischen Risiken, neue
Abhängigkeiten für die Landwirte in den
Entwicklungsländern von weltweit agierenden Saatgut- und
Biotechnologiekonzernen sowie eine Verdrängung traditioneller
und biologischer Landwirtschaft. Misereor (1999: 4) kritisiert,
„dass durch die dieser Technik innewohnenden Dynamik das
Modell der industrialisierten Landwirtschaft weiter forciert wird
mit der Folge, dass sich die Schere zwischen ´arm und
reich´ und ´dominant und abhängig´ sowohl in
den Ländern des Südens selbst als auch zwischen Nord und
Süd weiter öffnen wird“. Tatsache ist, dass die
„Grüne Gentechnik“ bisher keinen Beitrag zur
Verbesserung der Welternährung leisten konnte.
12 Der Begriff „Nachhaltige Entwicklung“
wird sehr unterschiedlich verwendet (s. z. B. epd
Entwicklungspolitik 19/1997: d9).
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