7.2.2.3 Märkte und
Handel13
In Abhängigkeit von Entwicklungsstand,
Offenheit der Wirtschaft und Intensität der
außenwirtschaftlichen Beziehungen, der landwirtschaftlichen
Produktionsstruktur, insbesondere ihrer Exportorientierung und der
rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen wirkt die
Globalisierung direkt auf die Landwirtschaft ein oder beeinflusst
sie indirekt im vor- und nachgelagerten Bereich (BMZ 2000: 6).
Insgesamt sind die Entwicklungsländer in den internationalen
Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (einschließlich Forstprodukte)
stärker integriert als in den Welthandel insgesamt14 (BMZ 2000: 6). Gleichzeitig
kann festgestellt werden, dass der internationale Handel diverser
Agrarprodukte von wenigen transnationalen Unternehmen
„kontrolliert“ wird (s.
Tabelle 7-2).
Die
Liberalisierung der Märkte hat zwar in der Summe auch in den
Entwicklungsländern dynamische Wachstums effekte
mobilisiert (von Braun u.a. 1998: 129). Dies konnte jedoch nicht
verhindern, dass die Einkommensschere zwischen Industrie- und
Entwicklungsländern weiter auseinanderging. Darüber
hinaus wirken sich die Globalisierungseffekte innerhalb der Gruppe
der Entwicklungsländer sehr unterschiedlich aus.
Nettoimportländer und insbesondere die LIFDCs (Low Income Food
Deficit Countries) sind am stärksten negativ getroffen. Je
unzureichender die agrarinfrastrukturellen Voraussetzungen eines
Landes ausgestaltet sind, desto geringer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass etwa steigende Weltmarktpreise für
Getreide Produktionsanreize auslösen, die sich
einkommenswirksam umsetzen. In der Regel ist jedoch die
Elastizität der Inlandspreise in Bezug auf die Weltmarktpreise
relativ gering (BMZ 2000a: 7). Insofern kommt dem Institutionen-
(vg. Kapitel 2.2.4) und dem Infrastrukturausbau ländlicher
Räume entscheidende Bedeutung zu.
Mit der so
genannten Uruquay-Runde wurde die Landwirtschaft erstmals in das
multilaterale Handelssystem einbezogen. Mit der Unterzeichnung der
Schlussakte von Marrakesch (Marokko) am 15.4.1994 verpflichteten
sich die Mitglieder des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens
(GATT), den Einfuhrschutz und die Stützungsmaßnahmen
über einen Zeitraum von sechs Jahren (1995-2001) schrittweise
zu verringern. Aufgrund der damals gewählten
Bezugsgrößen (Ausgangstarifäquivalente) und der
Möglichkeit der Erhebung von Zusatzzöllen (besondere
Schutzklausel) konnten die EU und die USA ihre Verpflichtungen zum
Abbau der Agrarprotektion ohne Mühe umsetzen und somit ihre
Stellung im Markt absichern. Im Rahmen der Green Box16 und der Vorzugsbehandlung
der Entwicklungsländer bei der internen Unterstützung
(Special and Differential Treatment) steht ein gewisser Spielraum
zur Umsetzung von Ernährungssicherungszielen zur
Verfügung. Darunter fallen z. B. die Verbesserung der
physischen Infrastruktur, der verbesserte Zugang zu
landwirtschaftlichen Inputs (gegebenenfalls zu subventionierten
Preisen), der Ausbau bzw. die Effektivierung des
landwirtschaftlichen Beratungswesens und der verbesserte Zugang zu
Krediten (insbesondere auch für Frauen) (Reichert 2001: 8).
Dennoch kann festgestellt werden, dass der durch das Agreement on
Agriculture (AoA) teilweise liberalisierte Agrarmarkt die
Länder des Nordens privilegiert, und zwar indem es die
Landwirtinnen und Landwirte der Südländer durch
verstärkte Öffnung der Märkte von
Entwicklungsländern in zunehmendem Maße dem Wettbewerb
mit der subventionierten Landwirtschaft der nördlichen Staaten
aussetzt. Insofern hat der Abbau von Zolltarifen und
nichttarifären Handelshemmnissen zwar in der Tat bisher schon
in vielen Entwicklungsländern durchgreifende Wirkung erzielt
(Weltbank 2001). Gleichzeitig wurden jedoch Konzentrationsprozesse
in Entwicklungsländern im agrarischen Bereich forciert, die
die Armut im ländlichen Raum nicht gemindert haben (Justitia
et Pax 2001) und keinen Beitrag zu Chancen- und
Bedürfnisgerechtigkeit leisten konnten. Daran hat sich auch
durch die WTO-Ministerkonferenz Ende 2001 in Doha
grundsätzlich nichts geändert. Wenn auch durch den
WTO-Streitschlichtungsmechanismus und den Willensbildungsprozess im
Konsensverfahren für die Entwicklungsländer Möglichkeiten
bestehen, ihr Gewicht in die Verhandlungen einzubringen, so steht
dem die insgesamt ungleich größere Verhandlungsmacht der
Indus trieländer gegenüber (Wieczorek-Zeul
1999).
Um negativen
Auswirkungen des globalen Handels mit Agrargütern für die
Entwicklungsländer entgegenzutreten, stellten in Doha
Entwicklungsländer die Idee einer Development-Box vor
(s.
Kasten 7-2). Nichtregierungsorganisationen unterstützen
dieses Modell und schlagen zur Finanzierung vor, durch den Abbau
von Agrarsubventionen eingesparte Mittel in diese Box
einzuzahlen.
13 Auf „fair gehandelte“ Produkte wird in
Kapitel 3.5.3.2.1
„Qualitätsoder Gütesiegel“
eingegangen.
14 Auf die Entwicklungsländer entfallen 44 Prozent
der Weltexporte landwirtschaftlicher Erzeugnisse, aber nur 35
Prozent der Weltimporte. Landwirtschaftliche Erzeugnisse tragen zu
14 Prozent an den Gesamtexporten und zu 11 Prozent an den
Gesamtimporten bei (BMZ 2000: 6).
16 Die „Green Box“ enthält erlaubte,
handelsneutrale Stützungszahlungen, also Maßnahmen die
keine oder nur geringe Handelsverzerrungen oder Auswirkungen auf
die Produktion haben (vgl. www.verbraucherministerium.
de/aktuelles/wto/kap6.htm).
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