7.2.2.4 Institutionen
Unterernährung kann als Einschränkung elementarer
menschlicher Freiheiten begriffen werden. Die Erweiterung und
institutionelle Sicherung von politischen, wirtschaftlichen und
sozialen Freiheiten im Handlungsfeld der Ernährungssicherheit
ist ein wichtiger Aspekt der politischen Gestaltung der
Globalisierung.17
Zu den
wichtigsten institutionellen Regelungen der
Ernährungssicherung gehört das im Internationalen Pakt
über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
niedergelegte Menschenrecht auf angemessene Nahrung. Die Bedeutung
der WSK-Rechte in der entwicklungspolitischen Debatte der letzten
Jahre und der damit verbundene Perspektivenwechsel von Basic
Needs zu Basic Rights hat erheblich zugenommen, so dass
sie inzwischen als wichtige Indikatoren im Sinne von
Mindeststandards für staatliches Handeln gelten. Schon der
Welter näh rungsgipfel von 1996 hat sich
dafür ausgesprochen, das Recht auf Nahrung durch
Verpflichtungen, die das für die Politik von Staaten bedeutet,
in einem Verhaltenskodex umzusetzen. Einen ersten, international
breit diskutierten Entwurf dieses Verhaltenskodex gibt es
inzwischen. Nun macht sich die deutsche Agrarministerin dafür
stark, dass dieser Verhaltenskodex politisch vom
Welternäh rungs gipfel – Fünf Jahre
danach im Juni 2002 gefördert wird.18 Diese Initiative ist zu unterstützen,
denn noch hat dieser Ansatz keine breite politische Bedeutung, noch
nicht einmal innerhalb der EU.
Hunger und
Mangelernährung waren Gegenstand zahl reicher
internationaler Konferenzen und Initiativen der Vergangenheit
(z.B.: UN-Welternährungskonferenz 1974, Weltkindergipfel 1990,
Weltbevölkerungskonferenz 1994).19 Auch auf dem jüngsten
Welternährungsgipfel 1996 in Rom wurden zwar viele
richtungsweisende Vorschläge gemacht, die Erfolge des
vereinbarten Aktionsprogramms sind bis heute jedoch gering.
Gleichwohl tragen internationale Konferenzen dazu bei, „durch
gemeinsamen Dialog die Einsicht und die Dialogbereitschaft zu
fördern“ (Reimann 2000: 357). „Um das Recht auf
Ernährung zu verwirklichen, müssen keine neuen
Institutionen geschaffen, sondern bestehende Einrichtungen
effizienter koordiniert und genutzt werden. Dabei wirken sich die
Vorgaben und Entscheidungen einer großen Anzahl
unterschiedlicher Akteure aus. Neben dem Menschenrechtsschutzsystem
der Vereinten Nationen haben internationale
Regierungsorganisationen, Banken und sonstige Finanzierungsfonds
sowie NRO maßgeblichen Einfluss“ (Reimann 2000: 357, s.
Abbildung 7-9).
Innerhalb des Menschenrechtsschutzsystems der
Vereinten Nationen spielt das 1977 gegründete
Ernährungskomitee (United Nations Administrative Committee on
Coordination – Subcommittee on Nutrition) eine wichtige
Rolle. Ziel ist es, die Aktivitäten zur Verbesserung der
Ernährungslage zu harmonisieren. Deshalb wirken alle
UN-Organisationen mit, die in unterschiedlicher Weise einen Beitrag
zur Verbesserung der Welternährungssituation leisten.
Die Ziele der Welternährungssicherheit
zu verfolgen ist auch der satzungsgemäße Auftrag des
Committee on World Food Security (CFS). „Der Ausschuss soll
innerhalb des Systems der Vereinten Nationen als Forum zur
Überprüfung und Weiterverfolgung von Maßnahmen
hinsichtlich der weltweiten Ernährungssicherheit dienen,
einschließlich der Nahrungsproduktion, der nachhaltigen
Nutzung der natürlichen Ressourcenbasis für die Er
näh rungssicherheit, der Ernährung, des physischen
und wirtschaftlichen Zugangs zu Nahrungsmitteln und anderen
für die Ernährungssicherheit relevanten
Aspekten der Armutsbekämpfung, der Auswirkungen des Handels
mit Nahrungsmitteln auf die Ernährungssicherheit, sowie
anderer in diesem Zusammenhang stehender Fragen“ (§6 der
Satzung des CFS).20 Die
Fortschritte bei der Erreichung der im Rahmen des
Welternährungsgipfels 1996 formulierten Ziele zur Halbierung
der Anzahl der Unter ernährten bis zum Jahr 2015, die
während des UN-Milleniumgipfels bekräftigt wurden, sind
derzeit nicht ausreichend. Es sind erhebliche Anstrengungen
nötig, um die angestrebten Ziele tatsächlich zu
verwirklichen. Ein entsprechender Review-Mechanismus, wie er
bereits im CFS festgelegt ist, sollte während des
Welternährungsgipfels – fünf Jahre danach im
Juni 2002 auf seine Funktion und Wirkung hin überprüft
werden, gegebenenfalls müssten Beschlüsse gefasst werden,
die die Effektivität des Monitoring-Systems steigern. Die FAO
könnte in Zusammenarbeit mit den anderen Akteuren eine
zentrale Rolle übernehmen (s.
Abbildung 7-9).Es ist wichtig zu begreifen, dass
„‚wir, die Völker‘, aus Individuen bestehen,
deren Anspruch auf die grundlegenden Rechte viel zu oft den
angeblichen Interessen eines Staates oder einer Nation geopfert
wurde“ (Annan 2001).
17 Eine ausführliche Darstellung des hiermit
allgemein angesprochenen Begriffes der „Global
Governance“ findet sich in Kapitel
10.1.
18 Der Welternährungsgipfel – Fünf Jahre
danach, der ursprünglich vom 5.–9. November 2001 in Rom
stattfinden sollte, wurde auf Juni 2002 verschoben.
19 Weitere internationale Konferenzen, auf denen
Ernährungsfragen eine wichtige Rolle gespielt haben:
Internationale Ernährungskonferenz 1992, Konferenz zur
Reduzierung des weltweiten Hungers 1993, 2020 Vision für
Nahrung, Landwirtschaft und die Umwelt 1995.
20 S. http://www.fao.org/legal/basictxt/h63f.htm
07.05.02.
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