*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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7.7.4       Handlungsempfehlungen

Empfehlung 7-27       Kultur der Nachhaltigkeit stärken

Nachhaltig leben bedeutet nicht notwendigerweise Verzicht, sondern die Chance zu einem guten Leben. Das schließt ein Handeln ein, das Verschwendung vermeidet. Die Bundesregierung sollte insbesondere solche Informations- und Aufklärungsbemühungen für nachhaltiges Verhalten unterstützen, die an zentrale Verhaltensmotive wie Convenience, Zeitersparnis, Spaß und Gesundheit anknüpfen und dadurch zur Motivation der beteiligten Akteure beitragen.

Empfehlung 7-28       Transparenz schaffen mit Kennzeichen und Tests

Durch einfache und glaubwürdige Schlüsselinformationen wie Umweltkennzeichen (z. B. Biosiegel), die Deklaration einer Nachhaltigkeit fördernde Prozessqualität (z.B. Deklaration von Erzeugungsanlagen und Emissionen bei der Stromerzeugung) oder an Sozialstandards orientierte Waren- und Unternehmenstests kann in zunehmenden Konsumbereichen bei den Verbrauchern die erforderliche Signalwirkung und das benötigte Vertrauen in nachhaltige Produkte und Transparenz geschaffen werden. Unternehmen sollten daher Offenlegungspflichten auferlegt werden bezüglich ökologischer, sozialer und ethischer Belange bei Produktion und Investitionen. Sowohl für Produkt- als auch für Unternehmenstests müssen prüfbare Bewertungskriterien entwickelt und festgelegt werden. Die damit geschaffene Transparenz stärkt auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.129

Empfehlung 7-29       Industrie und Handel mit staatlichen Anreizen überzeugen

Die Bundesregierung soll mit den ihr verfügbaren politischen Instrumentarien Einfluss nehmen auf Handel und Industrie in Richtung auf Produktion und Absatz nachhaltiger Produkte. Gefördert werden sollen im Ergebnis neben ökologischer Produktion ökologieorientierte Handelskonzepte. Im Bereich Energie ist die rasche Einführung eines Energiepasses erforderlich, um potenziellen Mietern oder Eigentümern ein Signal zur Höhe der erwartbaren Heizungskosten bzw. des langfristigen Werts der Immobilie zu geben; im Bereich Ernährung ist darauf zu achten, dass sich neben der Stärkung des Ökolandbaus auch die konventionelle Landwirtschaft stärker ökologisiert und dass über Qualitätssiegel ausreichend Handlungsdruck erzeugt wird; im Bereich Mobilität sind entsprechende Leitkonzepte weitgehend erst noch zu entwickeln (Ansatzpunkte: Förderung Firmentickets, Lieferdienste, Kauf von Dienstleistungen anstelle von Produkten etc.).

Empfehlung 7-30       Naturverbrauch transparent machen

Bei der Produktion von Waren (z. B. Orangen) und Dienstleis­ tungen (z. B. Flugreisen) sollte der Ressourcenverbrauch (Flächen, Rohstoffe, Energie) im gesamten globalen Herstellungszyklus für Verbraucherinnen und Verbraucher soweit wie möglich transparent gemacht werden. Entsprechende Analysen sollten vorangetrieben werden.

Empfehlung 7-31       Ressourceneffizienz verbessern

Eine langfristig angelegte und sozialpolitisch ausgewogene Politik der Anhebung von Energie- und Rohstoffpreisen    sowie der Verteuerung der Flächeninanspruchnahme soll sicherstellen, dass sich das Schwergewicht der technologischen Innovation sowie das Verbraucherverhalten in Richtung Ressourceneffizienz verschiebt.

Empfehlung 7-32       Kriterien für Technologietransfer im Zuge einer nachhaltigen Entwicklung nutzen

Die Enquete-Kommission fordert die Bundesregierung dazu auf, dass die Kriterien für die Förderung des Technologietransfers noch einmal daraufhin überprüft und dahingehend vereinheitlicht werden, dass Ziele der Nachhaltigkeit (ökonomisch, ökologisch und sozial/kulturell) ein noch größeres Gewicht bekommen, hierfür eindeutige Indikatioren entwickelt, bei der Fördermaßnahmen tatsächlich angewandt und ihre Einhaltung überprüft bzw. ihre Nicht-Einhaltung sanktioniert werden. Dies sollte von den bestehenden interministeriellen Arbeitskreisen aufgegriffen werden. Folgenden Aspekten sollte dabei Rechnung getragen werden:

–    Technologietransfer muss in seiner Durchführung den Kriterien der Nachhaltigkeit folgen. Es geht darum, den Empfängerländern Wege zu eröffnen, auf denen sie eine nachhaltige Entwicklung mit sehr viel geringerem Ressourcen- bzw. Umweltverbrauch in Gang setzen können als wir in den hochentwickelten Indus­ trieländern dies vermocht haben.

–    Technologietransfer muss eine Hilfe zur Selbsthilfe sein, mit der insbesondere der Kapazitäts- bzw. Kompetenzaufbau gefördert wird. Es geht also darum, eine Mischung aus technologischen Maßnahmen und Maßnahmen zur Gestaltung besserer Rahmenbedingungen im Zielland zum Gegenstand des Transfers zu machen.

–    Technologietransfer sollte sich nicht auf die Ebene der konkreten Technologieprojekte beschränken, sondern immer auch die Ebene der politischen und sozialen Orientierung einschließen. Das Transferprojekt muss in einen übergeordneten politischen und sozialen Rahmen eingebunden werden.

–    Es wird ein Technologietransfer gebraucht, der im Ausgangsland auch rückgekoppelt ist und dort wiederum zu Innovationen führt, wodurch letztlich auf beiden Seiten technische Potenziale und eine dauerhafte Zusammenarbeit aktiviert werden.

–    Bei Projekten des Technologietransfers müssen alle maßgeblichen und potenziell betroffenen Akteure vor Ort einbezogen werden.

–    Jeder Technologietransfer hat die sozioökonomischen und die soziokulturellen Gegebenheiten im Empfängerland zu berücksichtigen.

Empfehlung 7-33       Systemlösungen anbieten

Eine Antwort auf die Anforderungen der internationalen Märkte sind Projektgesellschaften, in denen integrierte System- und Servicelösungen angeboten werden. Vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern werden in zunehmenden Maße so genannte BOT (Build-Operate-Transfer) und BOO (Build-Own-Operate) Angebote nachgefragt. Dabei geht es nicht mehr um den Export einzelner Anlagen sondern um Systemlösungen, die Planung, Finanzierung, Bau, Betrieb und Schulung mit einschließen. Politische, soziale und (inter-)kulturelle Aspekte müssen hier ein deutlich stärkeres Gewicht erhalten. Diese strukturelle Veränderung der Nachfrage bedeutet für mittelständische Unternehmen in Deutschland neue Herausforderungen, für die sie bisher nicht die nötigen Konzepte bzw. Strategien haben. Dies erfordert eine stärkere Kooperation zwischen den nationalen Technikanbietern. Hier sind z. B. von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geeignete Modelle zu entwickeln. Sie müssen auf mikroökonomischer Ebene auf eine Stärkung der Kooperation und der Projektfähigkeit mittelständischer Unternehmen abzielen.

Empfehlung 7-34       Angepasste Technologien entwickeln

Die technologische Entwicklung, die lange Zeit vor allem durch einen starken Binnenmarkt geprägt war, hat im Zeichen der Globalisierung differenzierter zu erfolgen. Insbesondere in Transformations- und Entwicklungsländern bestehen häufig spezifische Anforderungen, die oft nur mit angepassten Technologien zu angepassten Preisen umgesetzt werden können. Hieraus resultieren kostenträchtige Anpassungsleistungen, die, soweit sie sich privatwirtschaftlich nicht kurzfristig rentieren können, teilweise von der öffentlichen Hand übernommen werden sollen.



129 Siehe hierzu auch Kapitel 3.6.3.

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