Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 12-13 / 15.03.2004
Bernard Bode

Die Wehrpflicht bleibt umstritten

Geteilte Meinungen über Einsatz der Bundeswehr im Inland
Von Übereinstimmung, teilweise aber auch von scharfen Tönen war die Debatte zur Regierungserklärung über die Reform der Bundeswehr am 11. März geprägt. Dissens herrschte zwischen den Fraktionen vor allem über den eventuellen Einsatz der Bundeswehr im Inland und die Zukunft der Wehrpflicht. An den Verteidigungsausschuss wurden drei Anträge überwiesen. In einem sprechen sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen dafür aus, den eingeleiteten Umgestaltungsprozess "konsequent" fortzuführen. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen müssten optimal eingesetzt werden. Die Union setzt sich dafür ein, den Verteidigungshaushalt "substanziell" aufzustocken. Die zusätzlichen Mittel seien unter anderem als Anschubfinanzierung zur Beschaffung modernen Materials notwendig. Die FDP plädiert für die Aussetzung der Wehrpflicht.

Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) betonte, die Streitkräfte seien zu einem wichtigen Botschafter Deutschlands geworden. Eine Weiterentwicklung sei nötig, weil die Sicherheitslage sich verändert habe. Konfliktverhütung und die Krisenbewältigung einschließlich des Kampfes gegen den Terrorismus stünden nunmehr im Vordergrund. Bis zum Jahr 2010 würden Eingreifkräfte mit einem Umfang von etwa 35.000 Soldaten, Stabilisierungskräfte mit rund 70.000 Soldaten und Unterstützungskräfte mit circa 147.500 Dienstposten geschaffen.

Deutschland werde in der Lage sein, seine Verpflichtungen gegenüber den Vereinten Nationen, der NATO und der Europäischen Union zu erfüllen, sicherte Struck zu. Die Bundeswehr werde aber nicht Hilfstruppe der Polizei innerhalb Deutschlands sein. Grundwehrdienstleistende seien "fester Bestandteil" des neuen Konzepts. Das Stationierungskonzept werde Ende des Jahres vorliegen. Die Schließung von etwa 100 Standorten sei unabdingbar. Struck sprach in diesem Zusammenhang von "schmerzlichen Einschnitten". Er schloss mit dem Satz des Kölner Kardinals Meisner "Die Bundeswehr ist die größte Friedensbewegung Deutschlands".

Dieser Satz, fing Wolfgang Schäuble von der CDU/CSU an, finde seine "volle und uneingeschränkte Zustimmung". Aber wahr sei leider auch, dass es immer weitere Kürzungen in dem für die Streitkräfte vorgesehenen Haushalt gebe. Das Problem sei, dass "Anspruch und Wirklichkeit dramatisch auseinander klaffen". Er verwies darauf, dass die Bundeswehr überall in der Welt zum Einsatz käme, nur im eigenen Lande nicht. Die Sprache von Rot-Grün erweise sich als "verräterisch", wenn man von "Hilfstruppen der Polizei" spreche. Wer eine Veränderung der Verfassung verweigere, nehme in Kauf, dass die "notwendige Vorsorge für die Sicherheit" nicht betrieben werde. SPD und B'90/Grüne könnten nicht "Sicherheitspolitik nach Kassenlage" betreiben. Es gelte, Prioritäten zu setzen. Rainer Arnold (SPD) bemerkte zur Rede Schäubles, er habe das Ausland gegen das Inland ausgespielt. Im Inneren habe Deutschland "klare Regeln". Die Bundeswehr dürfe sich keine neuen Aufgaben anmaßen.

Wolfgang Gerhardt (FDP) sagte, kein "Wegducken" helfe, wenn nur eine Kombination von zivilen und militärischen Mitteln der Abschreckung ausreiche, einer Bedrohung den Kampf zu erklären. Zur Wehrpflicht bemerkte der Liberale, es sei nicht gewährleistet, dass Wehrgerechtigkeit noch gewahrt werde. Doch auch ohne die Wehrpflicht "wäre die Parlamentsarmee gesichert".

Winfried Nachtwei (Bündnis 90/Die Grünen) führte aus, Bundeswehreinsätze zur Verhütung und Bewältigung von Krisen dürften nur für die Ziele und nach den Regeln der Vereinten Nationen ablaufen. Wichtig sei die Verständigung über klare Kriterien für Auslandseinsätze. Militär sei kein Konfliktlöser, aber es könne die Lösung begleiten. Zur Wehrpflicht bemerkte Nachtwei, bevor das Bundesverfassungsgericht wegen mangelnder Wehrgerechtigkeit diese kassiere, sollte die Politik "klare Verhältnisse schaffen".


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.