Steht die seit Anfang des Jahres arbeitende Bundesstaatskommission aus Bund und Ländern, die den deutschen Föderalismus reformieren soll und will, vor dem Scheitern? Oder gelingt vielmehr den beiden Vorsitzenden, dem SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering und dem CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber der Durchbruch? Auch die Sitzung der Kommission am 4. November, vermutlich die letzte Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, lässt weiterhin viele Fragen offen und gibt Skeptikern Raum. Am 17. Dezember will die Kommission in ihrer letzten Sitzung die abschließenden Entscheidungen fällen. Man sei optimistisch, versicherten beide Vorsitzenden. Müntefering sprach von einer "guten Diskussion". Es habe Bewegung gegeben, versicherte Stoiber. Müntefering: "Wir werden keine Revolution machen, aber wir werden eine Menge neu regeln, und das ordentlich." Stoiber ergänzte: "Was möglich ist, werden wir machen."
Doch auch nach dieser viereinhalbstündigen Sitzung kann nicht eines der vielen Probleme als abgehakt gelten, räumte Müntefering ein. "Beschließen kann man nur, wenn alles auf dem Tisch liegt." Das Ziel war am 5. November, sich in den strittigen Finanzfragen zu einigen. Auch da hat es keinen Durchbruch, aber weitere Annäherungen gegeben. Nach Stoiber ist man sich im Prinzip einig, die Zuständigkeiten der Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern zu ändern, weil sie sich nicht bewährt hätten. Deshalb sollen die Länder wieder allein für den Hochschulbau zuständig sein. Der Küstenschutz solle dagegen als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern erhalten bleiben. Umstritten ist weiterhin, wer für die Förderung der Agrarstruktur zuständig sein soll. In der Frage der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur neigt sich die Waage offenbar zur Länderseite, auch wenn noch nicht von Einigung gesprochen wird.
Weiterhin offen sei, was der Bund für seine finanzielle Entlastung durch die Wegfall einiger Gemeinschaftsaufgaben den Ländern zahlen solle. Vom Tisch sei die Forderung der Länder, ihre Rechte bei der Steuererhöhung zu stärken. Wirtschaftlich schwächere Länder fürchteten, in dieser Frage gegenüber den anderen Ländern ins Hintertreffen zu kommen. Strittig ist auch, welchen Anteil Bund und Länder leisten müssen, um den europäischen Stabilitätspakt einzuhalten und wie mögliche Strafen der Europäischen Kommission zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden sollen.
Bei Innerer Sicherheit geht es um eine mögliche weitere Zentralisierung von Sicherheitsfragen, etwa im Falle einer Katastrophe. Bei Europa geht es um die Mitspracherechte der Länder bei der Vertretung deutscher Interessen gegenüber der Europäischen Kommission in Brüssel. Hier sollen weitere Gespräche auf Expertenebene folgen. Müntefering und Stoiber versicherten aber, man sei sich einig, diese Zuständigkeiten endlich zu klären, damit sich Deutschland in der Europäischen Union auch künftig behaupten könne. Gemeinsame Erkenntnis sei, viele der Europa betreffenden Fragen könnten unterhalb der Verfassungsebene geregelt werden. Offen ist, inwieweit Artikel 23 des Grundgesetzes geändert werden muss, der seit der Einheit Länderrechte zu Europa fest schreibt.
Der Optimismus beider Seiten gründet sich offenkundig auch darauf, dass man sich über eine Art Fahrplan einig ist. Der im Oktober erteilte Auftrag der Kommission an die Vorsitzenden, rechtzeitig vor dem 17. Dezember einen Entwurf vorzulegen, an welchen Punkten die Verfassung geändert werden soll und was sonst alles zu regeln ist, wurde jetzt in mehrere Einzelschritte zerlegt. Die Vorsitzenden wollen bereits am 10. November einen gemeinsamen "Vorvorentwurf" den Obleuten in der Kommission vorlegen. Eine Woche später sollen dann die Chefs der Staatskanzleien der Länder einen überarbeiteten Entwurf erhalten. Deren gewünschte Änderungen sollen Anfang Dezember beraten werden. Danach soll ein fertiges Papier der Kommission vorgelegt werden.