Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 52-53 / 20.12.2004
Susanne Kailitz

Aufgekehrt...

Jedes Jahr im Dezember bietet sich das gleiche Bild: Überfüllte Kaufhäuser, in denen gestresste Menschen auf der Jagd nach Geschenken sind. Doch in diesem Jahr ist alles noch ein bisschen spezieller. Rentner, die sich den Slogan "Geiz ist geil" zum Lebensmotto gemacht haben, prügeln sich um Zehn-Euro-Staubsauger, Kunden einer Elektronikmarktkette ziehen sich Dieter-Bohlen-Masken über, um ihre Einkäufe nicht bezahlen zu müssen, und wer auch nur einen Cent zuviel bezahlt, darf ganz offen als doof bezeichnet werden. Ob das, was letztlich unter dem Weih-nachtsbaum liegt, auch gefällt, ist egal - billig muss es sein.

Leichter hat es, wer auf's Geld nicht wirklich achten muss. Das neue Wall-Street-Magazin "Trader Monthly" weiß, was solvente Herzen höher schlagen lässt und offeriert gelangweilten Multimillionären unschlagbare Schnäppchen wie eine private 15-Hektar-Insel für schlappe 4,9 Millionen Dollar. Auch die amerikanische Kaufhauskette Neiman Marcus kümmert sich um die maximale Freude beim Blick auf den Gabentisch. In ihrem "Christmas Book" werden originelle Geschenkideen präsentiert, die garantiert nie in Vergessenheit geraten werden. Wer wäre nicht überrascht, wenn der Weihnachtsmann einen Zeppelin für 7,6 Millionen Euro, einen Zwei-Personen-Unterwasser-Jet für 1,7 Millionen Dollar oder eine maßgefertigte Ritterrüstung für preiswerte 20.000 Dollar aus dem Sack zaubern würde?

Bei all diesen Verlockungen wäre es natürlich schön, wenn das ganze Jahr Weihnachten wäre. Das dachten sich wohl auch einige afrikanische Spitzenpolitiker. Um auch außerhalb der Weihnachtszeit nicht auf den angemessenen Luxus verzichten zu müssen, hat sich etwa der namibische Staatschef Sam Nujomba rechtzeitig vor der Machtübergabe an seinen Nachfolger ein Gesetz zurechtgeschneidert, das ihm eine angenehme Rente beschert. Im Ruhestand muss Nujomba auf nichts verzichten: Ein Fuhrpark mit drei Chauffeuren, zwei Köche, drei Haushaltshilfen, zwei Gärtner, zwei Kellner, zwei Wäscherinnen, zehn Sicherheitsbeamte, zwei Sekretärinnen, zwei Adjutanten und zwei Bürohilfen sorgen dafür, dass es dem Pensionär an nichts mangelt. Ähnlich gut versogt hat sich Kollege Joaquim Chissano aus Mosambik. Der langjährige Präsident wird demnächst ein schickes Zwei-Millionen-Dollar-Anwesen beziehen.

Schade eigentlich, dass diese Luxusversorgung in Deutschland noch immer verpönt ist. Diese bittere Erfahrung musste gerade erst Herman-Josef Arentz machen. Der CDU-Politiker, bis vor kurzem noch Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen-Arbeitnehmerschaft, musste alle Ämter aufgeben - nur, weil er ein 60.000-Euro-Jahresgehalt und Gratisstrom von RWE bezogen hatte, ohne dafür einen Finger krumm zu machen. Und das kurz vor Weihnachten. Wie Arentz ohne Zusatzverdienst nun den sicher umfangreichen Wunschzettel seiner Familie abarbeiten soll, scheint niemanden zu interessieren. Aber es gibt Hoffnung. Die nächste Rabattaktion von Aldi oder Lidl kommt bestimmt.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.