Kabinettsumbildung in Baden-Württemberg
Vor allem der Joker, den der Dauerregent mit der Berufung der landespolitisch weithin unbekannten CDU-Bundestagsabgeordneten Tanja Gönner (34) an die Spitze des Sozialressorts aus dem Ärmel zog, überraschte Freund und Feind. Allerdings provozierte die Versorgung der ausscheidenden Minister Friedhelm Repnik (Soziales) und Thomas Schäuble (Innen) mit Führungsjobs bei staatlichen Unternehmen nicht nur Protest bei SPD und Grünen, sondern auch Kritik bei der FDP und selbst in der Union. Und erneut umschiffte der 64-jährige Teufel, seit 1991 Herr in der Villa Reitzenstein, eine Antwort auf die Frage aller Fragen: ob er selbst bei der Landtagswahl 2006 noch einmal antritt oder nicht.
In aller Ruhe wollte der Ministerpräsident in der zweiten Jahreshälfte sein Kabinett neu sortieren. Ausgelöst hatte diese Pläne der amtsmüde Innenminister Thomas Schäuble, der seinen Rückzug aus der Politik angekündigt hatte. Einen Strich durch diese Rechnung machte Wirtschaftsressortchef Döring, dessen Affäre um die ungeklärte Bezahlung einer Umfrage samt seltsamer Spendenzuflüsse an die FDP aus der Kasse des PR-Gurus Moritz Hunzinger Mitte Juni in den Rücktritt gemündet war. Teufel musste nun schneller als geplant handeln, zumal die Liberalen mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Ernst Pfister (57) umgehend einen neuen Wirtschaftsminister nominierten. Doch wiederum wollte sich der Patriarch Zeit lassen und erst am 14. Juli mit den neuen CDU-Namen herausrücken. Indes kochte öffentlich und unionsintern die Gerüchteküche immer heißer hoch. Manche Ressortchefs geisterten tagelang als Wackelkandidaten durch die Medien, potenzielle Karriereaspiranten wurden gehandelt und verschwanden wieder in der Versenkung. Verkehrs- und Umweltminister Ulrich Müller setzte Teufel schließlich entnervt unter Zugzwang und bot sich öffentlich in einem Interview zum Auswechseln an.
So präsentierte der Regierungschef schon vergangene Woche seine neuen Minister. Müllers bisheriger Staatssekretär Stefan Mappus leitet nun das Verkehrs- und Umweltressort. Innen-Staatssekretär Heribert Rech (54) rückt an die Stelle von Thomas Schäuble. Und als neue Sozialministerin Tanja Gönner, deren Name in den ausufernden Spekulationen keine Rolle gespielt hatte: Teufel lobt die Abgeordnete aus Sigmaringen, die dem Bundesvorstand der Partei angehört, als "eines der hervorragendsten Nachwuchstalente, die die CDU anzubieten hat". Freilich hat sich die Rechtsanwältin Gönner, die im Bundestag im Umweltausschuss saß, landes- und sozialpolitisch noch kaum profiliert. Der Beifall in der Union über Gönners Aufstieg ist so auch nicht gerade von überbordender Begeisterung. Annette Widmann-Mauz, Vorsitzende der Frauenunion und Sozialpolitikerin in der Bundestagsfraktion, offerierte der neuen Ministerin, sie besonders in der Phase der inhaltlichen Einarbeitung zu unterstützen - eine interpretationsfähige Äußerung.
"Teufel schickt sein letztes Aufgebot ins Rennen": So kommentiert die SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt die Regierungsmannschaft. Der grüne Fraktionsvorsitzende Winfried Kretschmann sieht in der Kabinettsumbildung "keinen neuen Schub". Bei der Opposition, aber auch in den Reihen der Koalition führte die Berufung Repniks und Schäubles auf lukrativ besoldete Posten zu einer Debatte über Filz und Vetterleswirtschaft. Schäuble steht künftig an der Spitze der landeseigenen Rothaus-Brauerei, Repnik soll die staatliche Toto-Lotto-Gesellschaft leiten. Eine Ministertätigkeit, weist Teufel Vorwürfe zurück, könne ja wohl der Übernahme solcher Positionen nicht im Wege stehen. Der neue FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrich Noll sagt dazu trocken, die Liberalen hätten Versorgungsposten immer abgelehnt. Auch Ulrich Zeitel, Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats, kritisiert das Vorgehen bei Repnik und Schäuble: Bei der Besetzung von Leitungsfunktionen dürfe es nicht um Versorgung gehen.
Weiter gerätselt werden darf über die Zukunftspläne Erwin Teufels. Dies trifft vor allem den Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger und Kultusministerin Annette Schavan, die konkurrierenden Nachfolgeaspiranten. Noch aber ist offen, ob der Herr der Villa Reitzenstein überhaupt das Feld räumen oder ob er 2006 noch einmal antreten will. Teufels Autorität in der CDU ist angekratzt, seit er von einem Parteitag nur mit 75 Prozent als Landesvorsitzender wiedergewählt worden ist. Der Ministerpräsident will sich "rechtzeitig" erklären, bevor ein Parteitag im Februar 2005 den CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl kürt. Die jetzige Kabinettsumbildung fiel größer aus als erwartet, aber doch nicht so tiefgreifend, dass sie unbedingt als Indiz für ein Weiterregieren Teufels auf lange Sicht verstanden werden könnte. Aber will eine jetzt publizierte Allensbach-Umfrage, wonach die Südwest-CDU mit Teufel momentan auf 50,5 Prozent käme, etwas besagen? Vielleicht; vielleicht auch nicht.