Bayern: Wenig Beifall für Huber
Die bayerische Landespolitik hat ihr Sommertheater: Kaum schien es der CSU-Fraktion im Landtag gelungen zu sein, die von der Staatskanzlei im Eiltempo und zum Teil mit überhasteten Schritten vorangetriebene Verwaltungsreform im Land in überlegte Bahnen zu lenken, da kommt ein neuer Paukenschlag. So wurde ein kürzlich im Kabinett bereits verabschiedetes elfseitiges Strategiepapier von Reformminister Erwin Huber bekannt, das einen weitaus schärferen Spar- und Reformkurs für Bayern fordert als alle bisherigen Pläne. Huber verlangt eine "drastische Reduzierung staatlicher Tätigkeit" auf das "strikt Notwendige und Unerlässliche". Staatliche Leistungen an die Bürger will er auf eine "Grundsicherung und Hilfe zur Selbsthilfe" beschneiden. Die Vorlage stieß auf heftige Kritik von Opposition und Verbänden, aber auch innerhalb der CSU.
Vor allem der harsche Ton von Hubers neuem Vorstoß erregte Aufsehen. Vor dem Hintergrund stark wachsender Pensionsausgaben für die Beamten - von derzeit 2,92 auf 5,07 Milliarden Euro im Jahr 2005 - forderte Huber einen drastischen Personalabbau und den Rückzug sowie den Abbau staatlicher Aufgaben. Dabei qualifizierte er die Staatsdiener indirekt als "großen, aber mittelmäßigen und unmotivierten Beamtenapparat" ab, wohingegen "mit einer vergleichsweise geringen Zahl qualifizierter und motivierter Staatsbediensteter" einer Volkswirtschaft mehr gedient sei.
Huber warnte für den Fall, dass es zu keinem kräftigen Abbau von Aufgaben und Personal kommen sollte, vor einem Absinken der Investitionsquote bis 2014 unter zehn Prozent. Bereits bis 20. Juli sollen nun die einzelnen Ressorts entsprechende Vorschläge auflisten, damit im Herbst darüber beraten werden könne. Dabei bleibt kaum etwas von Hubers strengem Prüfstand verschont. Nach einem festen Schema hat jedes Ministerium zu untersuchen, ob Aufgaben ersatzlos gestrichen, auf Private übertragen oder effizienter von einer anderen Behörde erfüllt werden können. Gleichzeitig machte Huber deutlich, dass der Umfang der abzubauenden Aufgaben "deutlich" über die Aufgaben hinausgehen müsse, die von den Ressorts Anfang des Jahres bei einer Erhebung als unverzichtbar genannt worden seien. Die Staatskanzlei will dazu eigene Vorschläge machen, die von den Ministerien aufgegriffen werden müssen. Als Zielvorgabe für die Einsparungen bis zum Jahr 2008 nannte Huber eine Marke oberhalb der bisher anvisierten 15 Prozent (gegenüber 2003).
Die Opposition reagierte postwendend. "Das soziale Bayern wird abgewickelt", wetterte SPD-Fraktionschef Franz Maget. Stoiber schieße weit über das Ziel hinaus, denn gerade in Bayern gebe es durch Steuermehreinnahmen noch Spielräume im Haushalt, die gute Struktur zu erhalten. Ein derart rigider Sparkurs sei nicht gerechtfertigt. Magets Fraktionskollegin und Vize-Vorsitzende im Ausschuss für den öffentlichen Dienst, Christa Naaß, forderte Huber auf, sich für seine verbalen Ausfälle gegen die Beamten zu entschuldigen. Der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbunds, Rolf Habermann, kommentierte, man gewinne den Eindruck, dass die Staatsregierung in ihrem Reformeifer keine Grenzen kenne und offenbar dabei sei, "die Bodenhaftung zu verlieren".
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sepp Dürr, spottete: "Mit Huberismus zurück in die 80er-Jahre". Es sei zwar richtig und überfällig, den "aufgeblähten CSU-Staat" zu reformieren, aber nicht mit diesem Rückfall in neoliberale Experimente à la Thatcher. Der Staat könne nicht darauf reduziert werden, der Wirtschaft den Weg frei zu räumen: "In Hubers Welt fehlt der Mensch, der Schutz der Lebensgrundlagen, die Verantwortung, die der Staat für diejenigen aufbringen muss, die sich selbst nicht helfen können", so Dürr.
Landtagspräsident Alois Glück, früher CSU-Fraktionschef, sah in Hubers Einschätzung der bayerischen Beamten eine "pauschale Beleidigung, die den Respekt vor den betroffenen Menschen vermissen lässt". Bei der Verwaltungsreform werde der Umgang mit den Betroffenen "zunehmend zu einem Schaden für die CSU", wird der Politiker zitiert. Dagegen müssten die vielen Reformwilligen im Land zu Verbündeten gemacht werden, erklärte er weiter und mahnte einen "partnerschaftlichen Stil" an. Erst dieser Tage hatte Glück als Vorsitzender des größten CSU-Bezirksverbands Oberbayern breite Zustimmung für ein Thesenpapier zum "Kurs der CSU in dieser Umbruchzeit" bekommen. Darin wird vor einer "Krise des Gemeinwesens" gewarnt und eine Synthese von Leistungskultur und Sozialkultur verlangt. Weiter ruft das Papier die CSU zu Bürgernähe und Respekt vor den Menschen auf und mahnt, man müsse nicht nur über die Finanzen, sondern auch über Wertvorstellungen reden.
Glücks Nachfolger im Fraktionsvorsitz, Joachim Herrmann, begrüßte grundsätzlich, dass nun endlich konkrete Vorschläge für den Abbau staatlicher Aufgaben vorgelegt würden. Gleichzeitig machte er deutlich, dass soziale Leistungen wie die Förderung des Breitensports oder der Jugendarbeit nicht zur Diskussion stünden. Auch bei der Wirtschaftsförderung hält Herrmann weitere Kürzungen für nicht verträglich. Missmut dringt ferner aus den einzelnen Ministerien. Nach der Bayerischen Verfassung führt nämlich jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbstständig und unter eigener Verantwortung. Tatsächlich aber regiert den Ministern die Staatskanzlei immer stärker hinein.
Ministerpräsident Edmund Stoiber machte deutlich, dass er grundsätzlich hinter Hubers Kurs stehe. Bayern werde seinen maßvollen, aber konsequenten Kurs solider Staatsfinanzen entschlossen fortsetzen, sagte er beim Präsidentenwechsel am Bayerischen Obersten Rechnungshof. Der Staat müsse schlanker werden, "weil wir nicht in ein paar Jahren die Hälfte des Staatshaushalts für Beamtengehälter und Pensionen ausgeben wollen". Der nachfolgenden Generation immer größere Schuldenberge zu hinterlassen, wäre "zutiefst ungerecht und unmoralisch". Erik Spemann