Die arabische Welt im Bundestag
Die in der Arabischen Liga zusammengeschlossenen Staaten des Nahen Ostens wollen in nächster Zeit ein Kulturzentrum in Berlin errichten. Das teilte der Generalsekretär der Liga, Amr Moussa, während der "Tage der Arabischen Welt" mit, die vom 1. bis 3. Dezember im Deutschen Bundestag stattfanden. An der internationalen Konferenz, die das Parlament erstmals veranstaltete, nahmen hochrangige Gäste aus den Ländern Nordafrikas, des Nahen und Mittleren Ostens sowie der Arabischen Halbinsel teil. In sechs Podiumsdiskussionen diskutierten die Gäste mit Parlamentariern sowie Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur aus Deutschland über Fragen der politischen und ökonomischen Beziehungen, über bildungspolitische Kontakte, Umweltprobleme und religiöse Themen.
Zu Beginn der Tagung hatte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse auf die Bedeutung dieses Treffens als Chance zu einem Perspektivenwechsel verwiesen. "Dieser Perspektivenwechsel ist geradezu überfällig in einer Welt voller alter und neuer Feindbilder. Der vermeintliche Kampf der Kulturen und Religionen, die reale Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, die täglichen Schreckensmeldungen aus dem Irak, der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern - all diese Entwicklungen sind auf bloß regionaler Ebene kaum zu lösen." Hier stünden die Länder gemeinsam in der Verantwortung.
Der neue Vorsitzende des Rates der Außenminister der Arabischen Liga und tunesische Außenminister, Abdelbaki Hermassi, unterstrich, dass die Zusammenarbeit zwischen Europa und den arabischen Staaten gestärkt und der gegenseitige Austausch verbessert werden müssten. Die multilaterale Kooperation sei geeignet, den Terrorismus und die Gründe für sein Entstehen zu beseitigen. Es dürfe keine Vermengung von Islam und Terrorismus zugelassen werden, wie es seit dem 11. September 2001 häufig geschehe.
"Unsere Beziehungen haben eine feste Basis, die von tagespolitischen Fragen unabhängig sein sollte", betonte Amr Moussa. Von dem geplanten Kulturzentrum erhofft er sich einen Brückenbau für die Kultur auf beiden Seiten des Mittelmeeres. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble setzte sich für eine stärkere Öffnung der arabischen Länder gegenüber der übrigen Welt ein. Sie seien zu sehr auf eigene Probleme konzentriert. Es gehe um ein gemeinsames Interesse an Frieden und Demokratie in Irak und um die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen in Broader Middle East.
Gernot Erler, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, bedauerte, dass es im israelisch-palästinensischen Konflikt keine Weiterentwicklung beim Road-Map-Friedensplan gegeben habe. Es gehe bei der Lösung dieses Problems um die Zukunftschancen aller arabischen Völker. Es sei in diesem Zusammenhang schwierig, von einem einheitlichen Demokratiemodell auszugehen. Er gab seiner Erwartung Ausdruck, dass sich alle Muslime künftig "aktiv mit dem Thema Gewalt auseinandersetzen und aktiv für eine Ächtung der Gewalt eintreten". Der tunesische Parlamentsabgeordnete Mahmood Karoui setzte sich für eine euro-arabische Partnerschaft ein. Die arabische Welt müsse besser in politische und wirtschaftliche Beziehungen eingebunden werden. Die Entwicklung der Demokratie gehe nur mit wirtschaftlichem Aufschwung einher.
Scharfe Kritik am Verhältnis zwischen Europa und dem Nahen Osten übte der Direktor des Hamburger Orient-Institutes, Udo Steinbach. Es finde kein Dialog statt, Europa habe 200 Jahre lang die arabischen Länder kolonisiert und diese Rolle an die USA abgegeben. Dem widersprach Bundestagsvizepräsident Norbert Lammert (CDU). Die Probleme beruhten nicht auf Kontaktstörungen beim Dialog, sondern die Erwartungen der Araber seien ausgeprägter "als unsere gegenwärtigen Möglichkeiten".
Das Treffen, an dem rund 150 Gäste aus arabischen Ländern teilnahmen und dessen Initiatoren die drei Parlamentariergruppen des Bundestag waren, die die Beziehungen zu diesen Ländern pflegen, unterstrich den hohen Stellenwert der Kultur als Brücke zwischen beiden Partnern. Samih Sawiris von Orascom Projects and Touristic Development machte die Medien dafür verantwortlich, dass häufig ein falsches Bild von den fremden Kulturen entstehe, weil es sich besser verkaufe. Der Leiter des Kairoer Goethe-Institutes Johannes Ebert verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass der Islam im Westen monolithisch wahrgenommen werde. Umgekehrt sei es allerdings genauso. Der Islam-Beauftragte des Auswärtigen Amtes, Botschafter Gunter Mulack, sprach sich für einen engeren Kontakt zur Jugend der arabischen Länder aus. Missionarismus komme in diesem Zusammenhang allerdings nicht so gut an. Der Moderator der lebhaften Diskussion, Aktham Suliman, Leiter des Berliner Al-Dschasira Büros, fragte Gunter Mulack, was er von einem Christentumsbeauftragten in den islamischen Ländern halte. Diese polemisch gemeinte Frage bezog sich allerdings nicht auf die Minderheit der Christen im Orient. Für einen kulturellen Dialog setzte sich Taher Masri von der jordanischen Universität Amman ein. Die islamische wie die europäische Kunst und Kultur hätten stets von der Wechselwirkung profitiert. Ähnlich äußerte sich Salah Ali Muhammed, Mitglied der Shura im Königreich Bahrain. Gott habe den Menschen im Koran geboten, einander kennenzulernen. Das bedeute aber nicht, der jeweils anderen Seite die eigene Kultur aufzuzwingen. Seit dem New Yorker Attentat gebe es leider wieder einen "Kampf der Kulturen", dem man nur mit Austausch und Begegnungen entgegnen könne. Ali Ahmed, Programmdirektor bei TV Abu Dabi, meinte, dass die Araber erstmal Brücken untereinander errichten müssten. "Die Hauptbeschäftigung unserer Leute ist das Überleben." Zum Abschluss stellte Aktham Suliman die Frage, warum diese Diskussion nicht auch in einem arabischen Parlament geführt werden könne. Die kurze Antwort von Abdulkarim Al-Eryani, jemenitischer Ministerpräsident a.D., lautete: "Ihr seid willkommen!"