Das umstrittene Mauermahnmal am Checkpoint Charlie wurde geräumt
Am Ende hatte aller Widerstand nichts gebracht: Am 5. Juli, kurz vor halb sieben, wurde das umstrittene Mahnmal für die Mauertoten am Check-point Charlie geräumt. Der Initiatorin Alexandra Hildebrandt blieb nichts, als im ströhmenden Regen dabei zuzusehen, wie das Vermächtnis ihres verstorbenen Mannes Dieter Hildebrandt von den Arbeitern einer Baufirma abgerissen wurde.
1.065 Holzkreuze hatten seit Oktober 2004 auf zwei brach liegenden Grundstücken an der Friedrichstraße an die Opfer der Mauer erinnert. Hildebrandt, Chefin des Mauermuseums am Checkpoint Charlie und Vorsitzende der "Arbeitsgemeinschaft 13. August" hatte das Gelände gepachtet und das Mahnmal noch errichtet, als der Pachtvertrag von der Bankaktiengemeinschaft BAG Hamm schon gekündigt worden war. Nachdem sie in einem Rechtsstreit unterlegen war, reagierte Hilde-brandt in der vorigen Woche auf die angekündigte Räumung mit dem Plan, das Gelände für insgesamt 36 Millionen Euro kaufen zu wollen. Mit einer Anzahlung wollte sie den Abriss des Mahnmals noch verhindern. Geschafft hat sie es nicht - und auch der erhoffte göttliche Beistand blieb aus: Noch am Montagabend hatte ein katholischer Pfarrer die Holzkreuze geweiht. Das Angebot des evangelischen Superintendenten Martin-Michael Passauers, die Kreuze an einen kirchlichen Ort bringen zu lassen, war von Hildebrandt abgelehnt worden.
Ganz problemlos verlief die Räumung nicht: Vier ehemalige Stasi-Häftlinge hatten sich an den Kreuzen festgekettet. Auf Plakaten protestierten sie gegen den Abriss des Mahnmals: "Erinnern! Nicht vergessen. Über 1.000 Tote an Mauer und Stacheldraht". Doch angesichts von 190 Polizeibeamten, die für einen friedlichen Verlauf der Räumung sorgen sollten, gaben sie ihren Widerstand auf.
Alexandra Hildebrandt steht auch einige Tage nach der Räumung des Mauermahnmals noch vollkommen unter Schock. Sie spricht mit leiser, schleppender Stimme, ringt immer wieder um Fassung. "Ich bin geschockt, entsetzt. Was da passiert ist, ist einfach Barbarei. Das alles tut so weh, vor allem deshalb, weil so viele Menschen darunter leiden. Die Regierung in dieser Stadt hat gar keine Vorstellung davon, welche Wunde sie in die Herzen vieler Menschen gerissen hat." Mit dem Ende ihres Mauermahnmals kann die gebürtige Ukrainerin sich nicht abfinden. "Wir werden natürlich nicht aufgeben. Es muss ein Denkmal für die Mauertoten geben - und zwar am Checkpoint Charlie." Sie erzählt, man habe eine Schweizer Bank gefunden, die sie beim Kauf des Geländes begleiten werde. Auch ein hochrangiger Politiker habe ihr versichert, er werde sich für ihr Anliegen einsetzen. "Aber die regierenden Parteien wollen das nicht."
Mit seinem Verschwinden hat das Mauermahnmal am Check-point Charlie auch eine politische Diskussion ausgelöst. Die Berliner CDU hatte sich an den Protesten gegen die Räumung beteiligt und dem SPD/PDS-Senat Versagen vorgeworfen. Kultursenator Thomas Flierl hat inzwischen eingeräumt, es gebe "Defizite" beim Gedenken an Opfer der Mauer. Ein vom Senat vorgelegtes Konzept sieht ein Museum am Checkpoint Charlie vor, das an die Ost-West-Konfrontation während des Zweiten Weltkrieges erinnern soll. Einen Platz zur Erinnerung an die Maueropfer soll es hingegen in der offiziellen Gedenkstätte in der Bernauer Straße geben - die allerdings liegt im Norden der Stadt und ist weit entfernt aller touristischen Pfade. Für den Berliner CDU-Chef Ingo Schmitt ist das umstrittene Gelände an der Fried-richstraße der geeignete Platz für ein Mahnmal: "Der Bereich um den Checkpoint Charlie hat weltweite Bedeutung errungen, für Berlin ist er von symbolischer Bedeutung." Auch die Parteien im Bundestag sehen inzwischen Handlungsbedarf. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause beschloss das Parlament fraktionsübergreifend, einen Ort der Erinnerung an die deutsche Teilung am Brandenburger Tor zu schaffen. Für Alexandra Hildebrandt ist das nicht genug: Sie kämpft weiter um ihr Mauermahnmal.