Damals ...vor 15 Jahren am 22. Juli 1990: Volkskammer der DDR verabschiedet das "Ländereinführungsgesetz"
So "neu" waren die "Neuen Bundesländer" eigentlich auch 1990 nicht. Sie hatten nur 1952 aufgehört zu existieren, als die Regierung der DDR mit einer Verwaltungsreform die Länderstrukturen und damit die weitgehende Unabhängigkeit eines föderalistischen Gebildes beseitigte. An die Stelle der fünf Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen traten 14 Bezirke. Nach 38 Jahren kehrte sich diese Geschichte wieder um: Am 22. Juli 1990 beschloss die erste frei gewählte Volkskammer der DDR das so genannte Ländereinführungsgesetz.
Eigens zu diesem Zweck war die Sondersitzung des Parlaments vor der Sommerpause einberufen worden. Dominiert wurde das Plenum jedoch, wie auch in den vorangegangenen Sitzungen, vom Streit über die Modalitäten, nach denen die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik beitreten sollte. Die Wiedereinführung von Länderstrukturen auf dem Gebiet der DDR war jedoch mehr als eine Verwaltungsreform; mit ihr legten die Abgeordneten den Grundstein für eine Anpassung an die föderale Struktur der Bundesrepublik. Ein Prozess, der weitgehend problemlos verlief. Zwar hatte sich in 14 Kreisen die Bevölkerung gegen die neue Zuordnung ihrer Kreise zu einem bestimmten Bundesland ausgesprochen. Die Kreistage, die letztendlich darüber zu entscheiden hatten, stimmten jedoch in elf Fällen der Neuordnung zu.
Das Gesetz bestimmte unter anderem, dass Meck-lenburg-Vorpommern ohne die Kreise Perleberg, Prenzlau und Templin auskommen müsse, diese fielen an Brandenburg. Brandenburg verlor wiederum die Kreise Hoyerswerda und Weißwasser an Sachsen und den Kreis Jessen an Sachsen-Anhalt. Sachsen musste sich ohne die Kreise Altenburg und Schmölln bilden, die an Thüringen fielen. Nur Thüringen musste, als ohnehin schon kleinstes Bundesland, kein Territorium abgeben.
Festgelegt wurde auch, dass die ersten Landtagswahlen am 14. Oktober stattfinden sollten. Einen Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS auf Abschaffung der 5-Prozent-Sperrklausel wiesen die Koalitionsfraktionen jedoch zurück. Die Angst der kleinen Parteien war nicht unbegründet. Schon bei der Volkskammer-Wahl am 18. März waren die Grünen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben; das Engagement der Bürgerrechtler im Herbst 1989 hatte keine Entsprechung in Prozentpunkten gefunden. Auch aus den Landtagswahlen im Oktober ging die CDU als klare Siegerin hervor. Lediglich in Brandenburg konnte die SPD mit 38 Prozent der Wählerstimmen den Ministerpräsidenten stellen. Ihre besten Ergebnisse erzielte die CDU in Sachsen (53 Prozent) und Thüringen (45 Prozent). Auch die FDP sorgte für eine Überraschung. In Sachsen-Anhalt, dem Heimatland ihres "Zugpferdes" Hans-Dietrich Genscher, erhielten sie sensationelle 13 Prozent der Stimmen. Während die PDS ohne Probleme in die neuen Landtage einzog, mussten die Bürgerrechtler erneut eine bittere Pille schlucken. Die Listenverbindung Neues Forum/Grüne verpasste in Mecklenburg-Vorpommern den Einzug ins Parlament, in die anderen Landtage schaffte sie es nur äußerst knapp.
Auch wenn sich die neuen Bundesländer im wesentlichen nach den Vorbildern der alten konstituierten: In einigem waren sie tatsächlich neu. So gab sich der Freistaat Sachsen eine Landesverfassung, deren Grundrechtekatalog mehr als 20 Artikel umfasst und der damit der umfangreichste einer deutschen Länderverfassung ist. Erstmalig wurden dort - nicht einklagbare - soziale Grundrechte als Staatszielbestimmungen formuliert, wie zum Beispiel das Recht auf Auskunft über Umweltdaten, auf Datenschutz und das Recht auf Mitbestimmung in den Dienststellen des Landes. Völlig neu war auch ein bis dahin nicht praktiziertes Regierungsmodell, das sich in Sachsen-Anhalt nach der zweiten Landtagswahl 1994 etablierte: das "Magdeburger Modell". Der frisch gewählte SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner bildete eine Koalition mit den Grünen, die aber nur durch die Tolerierung durch die PDS arbeitsfähig sein konnte. Für eine Sensation sorgte auch die FDP, die ihr sensationelles Wahlergebnis von 1990 um zehn Prozent und damit auch den Wiedereinzug ins Landesparlament verfehlte.