Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2005
Bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern sind in den vergangenen Jahren "große Fortschritte" gemacht worden. Nach wie vor gibt es aber 15 Jahre nach der Einheit immer noch "große Herausforderungen" in den neuen Ländern, was insbesondere die Situation am Arbeitsmarkt, die Folgen des demografischen Wandels und die ungleiche Verteilung industrieller Standorte betrifft. Diese Bemerkungen hat Bau- und -verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) dem "Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2005" vorausgeschickt, den er in seiner Eigenschaft als Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Länder am 28. September 2005 in Berlin vorgestellt hatte.
Es ist inzwischen Tradition, zum Tag der Einheit am 3. Oktober einen solchen Bericht vorzulegen, der einen Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung, industrielles Wachstum, Förderprogramme von Bund, EU und Ländern sowie ausgewählte Daten aus Bildung, Kultur und Wissenschaft widergibt. Die Bericht-erstattung hat insofern auch Tradition, als frühere Bundesregierungen vor der Wende alljährlich einen "Bericht zu Lage der Nation im geteilten Deutschland" abgegeben hatten, der den Zusammenhalt der Deutschen in beiden Staaten unterstreichen sollte.
Der Bericht stellt fest, dass die vielzitierte "Aufholjagd" des Ostens nach einer Schwächephase (bedingt vor allem durch die nach wie vor lahmende Bauwirtschaft) Ende der 90er-Jahre inzwischen wieder in Fahrt gekommen sei. Der Anteil am gesamtdeutschen Bruttoinlandprodukt (BIP) stieg von 11,0 Prozent im jahre 1991 auf 14,7 Prozent im vergangenen Jahr. Die Produktivität (BIP pro Erwerbstätigen) liegt derzeit mit etwa 74 Prozent bei drei Viertel des Westniveaus. Das resultiert auch aus der Neuansiedlung mehrfacher namhafter Unternehmen. Dazu heißt es im Bericht:
"Die Standortentscheidungen zugunsten der neuen Länder wurden durch mehrere Faktoren positiv beeinflusst, insbsondere durch das qualifizierte Arbeitskräftepotenzial, die Flexibilität der Tarifpartner, die moderne Infrastruktuzrausstattung und die zielgerichtete Investitionsförderung." Als Schlüsselwirtschaft habe die Industrie "längst" die Bauwirtschaft abgelöst.
Die verfügbaren Einkommen je Einwohner sind laut Bericht in den neuen Ländern bis 2003 auf 84,9 Prozent des Durchschnitts in ganz Deutschland angestiegen; die ostdeutschen Rentnerhaushalte liegen "teiweise über dem Westniveau". Als wirksames Instrument für die Ankurbelung wirtschaftlichen Wachstums hat sich nach Angaben Stolpes "die Förderung von Schwerpunkten und Clustern" bewährt. Schwerpunkte, das bedeutet zum einen Konzentration auf bestimmte Regionen, in denen auf schon vorhandene Strukturen aufgebaut werden kann, also weg vom Gießkannenprinzip.
Clusterbildung, das ist "die Stärkung vorhandener wirtschaftlicher Kompetenzen, sei es in einer bestimten Region oder zur Stärkung bestimmter industrieller Wertschöpfungsketten". Hier komme es zum "integrativen Einsatz" verschiedener Politiken wie Wirtschaftsförderung, Forschungs-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitk, - ein Prozess, den die Bundesregierung "ganz gezielt" unterstütze.
Zentrale Herausforderung in den neuen Ländern sei nach wie vor die hohe Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Arbeitslosen habe im Jahr 2004 zwar gegenüber dem Vorjahr geringfügig (0,1 Prozent) abgenommen, sei aber im Jahresdurchschnitt mit 18,4 Prozent noch immer doppelt so hoch wie der westliche Wert (8,5 Prozent). Größtes Sorgenkind bleibt die Bauwirtschaft, die in den vergangenen zehn Jahren "insgesamt mehr als die Hälfte" ihrer Arbeitsplätze verloren hat. Positiv wird vermerkt, dass sich die Zahl neuer Ausbildungsverträge 2004 im Vergleich zum Vorjahr erhöht hat und dass ferner die Kinderbetreuung "jetzt schon bedarfsgerecht" ist, "während vor allem in den alten Bundesländern zahlreiche Angebote erst noch geschaffen werden müssen".