Geburtstag der Demokratie
Vor 160 Jahren, am 18. März 1848, waren zwei Schüsse auf dem Berliner Schlossplatz Auslöser einer blutigen Straßen- und Barrikadenschlacht auf dem Höhepunkt der so genannten Märzrevolution. Damals eskalierte in Berlin eine Großkundgebung von Bürgern, Arbeitern und Handwerkern, die vor dem Stadtschloss für Demokratie und Pressefreiheit demonstrierten.
Bis heute gilt der Tag als ein Geburtstag deutscher Demokratie: Zwei Monate später versammelten sich in der Frankfurter Paulskirche die ersten demokratisch gewählten Abgeordneten aus den Fürstentümern des Deutschen Bundes, aus Preußen und aus Österreich, um eine neue Ordnung auszuarbeiten.
Unerfüllte Hoffnungen
Seit langem hatte sich in der Bevölkerung Unmut aufgestaut, nicht nur in den kleinen und mittleren Fürstentümern des Deutschen Bundes und in Preußen und Österreich, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern. Nach dem Sturz Napoleons hatte der Wiener Kongress 1814/15 die alte staatliche, absolutistische Ordnung so wiederhergestellt, wie sie vor der Französischen Revolution von 1789 und vor Napoleons Großreich bestanden hatte. Die Hoffnungen vieler Menschen auf Freiheit, nationale Einheit des Landes und Mitspracherechte des Volkes waren nicht erfüllt worden.
Bevölkerung forderte Reformen
Missernten, Hungerkrisen und Massenarmut verstärkten den Eindruck in weiten Kreisen der Bevölkerung, die fürstlich-aristokratischen Regierungen würden diesen Problemen nicht Herr werden können. Bürger, Arbeiter und Handwerker waren sich einig in dem Glauben, nur einschneidende Reformen, neue politische Institutionen und eine volksnahe Politik könnten die Verhältnisse verbessern. Es bedurfte lediglich eines Anstoßes, um den allgemeinen Unmut in revolutionäres Handeln umzuwandeln.
Kette von revolutionären Ereignissen
Zu diesem Anstoß wurden schließlich die Barrikadenkämpfe vom 22. bis 24. Februar 1848 in Paris. Die Nachricht von der Abdankung des französischen „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe wirkte wie ein Fanal und löste in Deutschland eine Kette von revolutionären Ereignissen aus: Ausgehend von Baden breitete sich die so genannte Märzrevolution zunächst nach Norden und Osten aus, erfasste alle deutschen Mittel- und Kleinstaaten, bevor sie auch die preußische Hauptstadt Berlin erfasste.
Mochte die staatliche Ordnung in Deutschland noch so zersplittert sein - die rasche Folge von Demonstrationen und Barrikadenkämpfen landauf landab verstärkte den Eindruck der Geschlossenheit. Auch die Forderungen waren überall in Deutschland ähnlich: „Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft, ohne Unterschied der Geburt und des Standes“, forderten die Demonstranten auf Flugblättern und in Petitionen, außerdem die Bildung eines nationalen Parlaments, Pressefreiheit und die Schaffung von Volksmilizen.
König in Alarmbereitschaft
In Berlin entwickelte die Märzrevolution eine besondere Dynamik. Täglich strömten größere Menschenmengen zu Kundgebungen, der König ließ daraufhin immer mehr Soldaten aufmarschieren. Schließlich machte Friedrich Wilhelm IV. erste Konzessionen, um seine Macht zu retten: Er hob die Zensur auf und willigte ein, den Landtag einzuberufen. Doch zu spät: Vor seinem Schloss eskalierte am 18. März die Situation. Straßenschlachten entbrannten, 254 Menschen wurden getötet, Tausende verletzt. Da gab sich der König geschlagen: Er zog seine Truppen zurück und gab den Forderungen der Demonstranten nach. Die übrigen Fürsten in Deutschland folgten seinem Beispiel und erklärten sich bereit, eine verfassungsgebende Nationalversammlung zuzulassen.
Bereits am 31. März 1848 konstituierte sich eine Versammlung von Volksvertretern in der Frankfurter Paulskirche. Dieses so genannte Vorparlament sollte die Wahlen zur Nationalversammlung vorbereiten.
Wahlen zur ersten gesamtdeutschen Nationalversammlung
Im Mai 1848 war es dann soweit: Deutschland wählte seine Nationalversammlung – oder zumindest die Deutschen, die männlich und „selbständig“ waren. Frauen und die meisten Arbeiter waren von den ersten nationalen Wahlen ausgeschlossen. Und doch war die Nationalversammlung das umfassendste Parlament der deutsche Geschichte, denn gewählt wurde in fast allen deutschsprachigen Gebieten einschließlich Österreichs.
Am 18. Mai 1848 nahm die Nationalversammlung schließlich ihre Arbeit auf.
Gescheiterte Revolution
Die Märzrevolution scheiterte trotzdem nur wenig später. Schon Ende des Jahres 1848 formierten sich die monarchistischen Kräfte neu und gingen mit großer Gewalt gegen die Aufständischen vor. Wien und Berlin fielen wieder in die Hände der königstreuen Truppen. Der Nationalversammlung in Frankfurt fehlte bald die Zentralgewalt, die Verfassung, die 28 Staaten zuvor anerkannt hatten, auch durchzusetzen. Bereits ein Jahr nach dem Ausbruch der Märzrevolution wurde das inzwischen nach Stuttgart geflüchtete Parlament vom Militär gewaltsam aufgelöst.
Schließlich wurden 1849 die vorrevolutionären Verhältnisse wieder hergestellt: Deutschland blieb zersplittert in unabhängige monarchisch bestimmte Einzelstaaten, politische Mitbestimmung blieb dem Volk versagt.