Mit Blick auf die Details
22 ständige Ausschüsse gibt es derzeit im Deutschen Bundestag. Sieben von ihnen haben in der aktuellen Wahlperiode einen oder mehrere Unterausschüsse eingesetzt, um einen bestimmten Gesetzentwurf oder ein besonders wichtiges Thema intensiv beraten zu lassen und den jeweiligen Hauptausschuss zu entlasten. Wir stellen den Unterausschuss Europarecht vor.
Herausforderung Europa
Europa wächst zusammen. Deutlich wird das auch und gerade in der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten, die immer mehr durch EU-Vorlagen bestimmt wird. Die nationalen Parlamente stehen dadurch vor ganz neuen Herausforderungen. Denn zum einen ist es ihre Aufgabe, sich über Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene möglichst frühzeitig zu informieren, damit sie auf politische Entscheidungsprozesse in Brüssel Einfluss nehmen können. Zum anderen müssen sie die vielen Richtlinien und anderen Vorschriften, die jedes Jahr in Brüssel beschlossen werden, in nationales Recht umsetzen.
Grundgesetz legt Mitwirkungsrechte fest
In Deutschland ist die Beteiligung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union im Grundgesetz geregelt. "Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union", heißt es in Artikel 23. "Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen."
Zahl der EU-Vorlagen wächst rasant
Eine wichtige Rolle spielt dabei der Rechtsausschuss des Bundestages. Dort wurden bis zur 13. Legislaturperiode alle europarechtlich relevanten Vorlagen direkt beraten und die Tätigkeit der Bundesregierung in diesem Bereich kontrolliert. Vor dem Hintergrund der rasant wachsenden Zahl der EU-Vorlagen übertrug der Rechtsausschuss diese Aufgabe im September 1995 dem Unterausschuss Europarecht. Seither werden in dem Gremium EU-Vorlagen, bei denen der Rechtsausschuss federführend oder mitberatend ist, mit dem Ziel behandelt, dem Rechtsausschuss das Verfahren für die weitere Beratung dieser Vorlagen zu empfehlen.
Eine verantwortungsvolle und spannende Aufgabe, findet Dr. Carl-Christian Dressel, der für die SPD-Fraktion im Unterausschuss sitzt: "Zweifellos ist das Europarecht zu einer der bedeutsamsten Rechtsquellen in Deutschland geworden: Nahezu jedes zweite Gesetz hat seinen Ursprung in Brüssel, wobei etwa 70 Prozent der Rechtsnormen, die dort beschlossen werden, sich direkt auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger auswirken."
Unterschiedliche Rechtsgebiete
Neun Abgeordnete gehören als ordentliche Mitglieder dem Unterausschuss an, alle haben einen juristischen Hintergrund. Denn ohne profunde Kenntnisse europäischen und deutschen Rechts könnten die Mitglieder die Informations- und Beteiligungsrechte des Bundestages im Prozess der europäischen Rechtsetzung gar nicht wahrnehmen. Zumal sie sich mit Vorlagen aus ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten befassen müssen. Intensiv setzt sich der Unterausschuss etwa mit Fragen des Verbraucherschutzes auf europäischer Ebene auseinander. Doch auch strafrechtliche Themen wie etwa die Anerkennung von Abwesenheitsurteilen stehen immer wieder auf der Agenda des Unterausschusses.
Um sich über Initiativen der EU und die Haltung der Bundesregierung informieren zu lassen, lädt der Unterausschuss regelmäßig Vertreter des Bundesjustizministeriums in seine Sitzungen ein. Außerdem führt er Expertenanhörungen durch. So fand im vergangenen Herbst eine Anhörung zum Thema "Entsteht ein einheitliches europäisches Strafrecht?" statt.
Kollegiale Atmosphäre
An der Arbeit des Unterausschusses schätzt Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vor allem die sachorientierte und kollegiale Atmosphäre. "Natürlich gibt es auch bei uns politische Differenzen", sagt der Abgeordnete, der zur Mitte der Legislaturperiode turnusgemäß den Vorsitz des Unterausschusses übernommen hat. "Aber es überwiegt doch der Wille zur Zusammenarbeit bei der Wahrung rechtsstaatlicher Standards, wie wir sie in Deutschland haben und verteidigen."
Intensive Arbeit fortsetzen
Einig sind sich die Mitglieder des Unterausschusses darin, dass seine Arbeit in Zukunft noch verstärkt werden sollte. "Die Mitglieder des Deutschen Bundestages müssen sich viel früher und intensiver mit den Gesetzesvorschlägen aus Brüssel befassen", findet die FDP-Abgeordnete Mechthild Dyckmans. "Diese intensive Arbeit muss im Unterausschuss vorbereitet und im Rechtsausschuss zum Abschluss gebracht werden." Und Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) meint: "Wir sind immer professioneller geworden bei der Einflussnahme auf die europäische Gesetzgebung, mischen uns immer frühzeitiger ein. Das reicht aber nicht aus. Wir müssen noch besser werden."