"Die Kostbarkeit erkennen"
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, Karin Kortmann (SPD), hält es für problematisch, dass insbesondere die Industrienationen immer noch nicht begriffen hätten, "dass Wasser einer kostbare Ressource ist, mit der wir sorgfältiger umgehen müssen". Das sagte sie einem Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament" (Erscheinungstag 4. August 2008), die sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit dem Schwerpunktthema "Wasser - Gold des 21. Jahrhunderts" beschäftigt.
Kortmann betonte zudem, Deutschland gebe als eines der drei größten Geberländer weltweit jährlich 350 Millionen Euro für die weltweite Förderung von Wasservorhaben aus. Dazu kämen noch einmal 140 Millionen Euro, die Deutschland über die EU-Kommission, die Weltbank oder regionale Entwcklungsbanken zur Verfügung stelle.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Kortmann, für rund 2,6 Milliarden Menschen weltweit sind Toiletten Luxus, fast 1 Milliarde hat keinen Zugang zu sauberem Wasser. Die Uno hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 diese Zahlen zu halbieren. Ist das machbar?
Ich sehe eine Chance dafür. Würden alle bilateralen Geber einen solch großen Akzent auf dieses Thema setzen wie die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, dann wären wir schon einen Riesenschritt voran. Das Thema muss allerdings auch in den Entwicklungsländern eine Priorität erfahren. Das ist leider nicht in jedem Land so. Ich werbe auch sehr dafür, dass die private Wasserwirtschaft in den Industrieländern stärker mit einsteigt.
Wie ist das Echo auf Ihr Werben in Deutschland?
Es gibt eine große Aufmerksamkeit bei deutschen Unternehmen. Denn es ist vorhersehbar, dass der Wassersektor expandieren wird. Als Düsseldorferin habe ich ein Beispiel vor der Tür. Unsere Stadtwerke haben an der Uferfiltration des Ganges mitgearbeitet. Sie haben ihre Erfahrungen, Expertisen und Know-how angeboten. Das wurde sehr gerne angenommen.
Sie haben es schon erwähnt, Deutschland ist einer der größten Geber...
Nicht nur einer der größten, sondern unter den drei größten Gebern weltweit.
Wo liegen die Förderschwerpunkte?
Wir haben bilaterale Kooperationen mit etwa 60 Partnerländern. Der große Schwerpunkt ist Afrika, aber wir sind auch auf den anderen Kontinenten vertreten. Ganz wichtig ist auch die Wasserproblematik im Nahen Osten. Wir unterstützen außerdem die Mekong-Kommission in Asien und sind in Afghanistan - in Kundus - sehr engagiert; Deutschland ist etwa auch für die Wasserversorgung in Kabul zuständig. In Afrika geht es vor allem um grenzüberschreitende Wasserkooperationen und gemeinsames Wassermanagement. Das bezieht sich etwa auf den Tschadsee und die Nil-, Kongo-, Niger- und Voltabecken. Wir arbeiten auch mit den Staaten der südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) zusammen.
Wie sieht diese Kooperation konkret aus?
Wir laden die Wasserminister der jeweiligen Anrainerstaaten regelmäßig zu Konferenzen ein und reden mit ihnen über die Fragen der Trinkwasserversorgung, über - ein ganz wichtiger Punkt - die Entsorgung oder die Neubildung von Grundwasserressourcen und darüber, welche Auswirkungen der Klimawandel ganz konkret hat. Wir reden aber auch über die Qualität der vorhandenen Wasserressourcen und wie man diese sowohl für den privaten Verbrauch wie auch für Landwirtschaft und Industrie nutzbar macht. Gerade das Nilbecken ist ein Highlight der Zusammenarbeit. Es hat sich dabei gezeigt: Wasser hat auch eine Friedenskomponente, weil die Anrainerstaaten miteinander kooperieren müssen. Sie müssen sich austauschen, Verträge schließen, damit diejenigen, die am Ende des Flusslaufes leben, nach wie vor sauberes Wasser erhalten und nicht die Abwasserbrühe, und damit sie gesunde Fische angeln können - wie diejenigen, die am Oberlauf beheimatet sind.
Nach welchen Kriterien werden die Projekte gefördert?
Eines der entscheidenden Kriterien ist eine gute Regierungsführung, also der politische Wille der Partnerländer, dazu Transparenz im Umgang mit Wasserressourcen, aber auch Personal. Zu den Grundsätzen der Zusammenarbeit gehören auch Eigeninitiative, Eigenverantwortung und Beteiligung der Bevölkerung. Und wir wollen regionale Ansätze fördern, weil Wasser sich nicht an nationale Grenzen hält.
Wie hoch ist das Finanzvolumen für deutsche Wasservorhaben?
Wir geben etwa 350 Millionen Euro pro Jahr aus. Darin sind nicht eingerechnet die Mittel, die wir über die EU-Kommission, die Weltbank oder regionale Entwicklungsbanken mit zur Verfügung stellen. Da kommen noch etwa 140 Millionen Euro hinzu. Aber wir sind nicht nur Geldgeber. Deutschland verfügt über Erfahrung und Know-how, die weltweit abgerufen werden.
In fast jedem Papier Ihres Ministeriums wird beim Thema Wasser die Gleichstellung der Geschlechter angesprochen. Wie erklären Sie den Zusammenhang?
Das lässt sich am Beispiel der sanitären Grundversorgung erklären. Wir haben festgestellt, dass viele Mädchen in Asien und Afrika die Schule verlassen, wenn sie in die Pubertät kommen, weil es in den Schulen entweder keine oder keine für Jungen und Mädchen getrennte Toiletten gibt. Arme Frauen, die keinen Zugang zur Toilette haben, warten bis es dunkel wird, um dann irgendwo am Straßenrand oder im Feld ihre Notdurft zu verrichten. Viele werden dabei Opfer von Übergriffen. Dass Millionen Frauen und Mädchen keine angemessene Toilette haben, ist auch gesundheitsschädlich, auch weil sie tagsüber zu wenig trinken. Und das ist eine permanente Verletzung der Menschenwürde der Frauen.
Gibt es eine gezielte Frauenförderung im Wassersektor?
Ja, sie ist sehr wichtig. Gerade in vielen afrikanischen Ländern müssen Frauen, die traditionell für die Wasserversorgung zuständig sind, kilometerweit gehen, um für die tägliche Wasserration an den nächsten Brunnen zu gelangen. Dadurch geht viel Zeit verloren, die sie für ihre Familien und die Hausarbeit hätten aufwenden können. Oder auch, um ein kleines Einkommen zu erwirtschaften. Leider ist es häufig so, dass die Mädchen Wasser holen müssen und ihnen damit die Möglichkeit genommen wird, in die Schule zu gehen.
Was tut das BMZ konkret?
Wir sorgen zum Beispiel dafür, dass Brunnen möglichst zentral gebohrt werden, um die Wege zu verkürzen und sie sicherer zu machen. Das ist gerade in Krisenregionen wichtig. Wir lassen auch Brunnen in der Nähe von Schulen bauen und verbinden damit zwei Komponenten: Wasser und Bildung. Denn die Frauen holen sich dort das Wasser ab und bringen gleichzeitig ihre Kinder zur Schule.
Wo sehen Sie die größten Probleme?
Dass wir immer noch nicht begriffen haben, dass Wasser eine kostbare Ressource ist, mit der wir sorgfältiger umgehen müssen. Ich meine auch ganz besonders die Industrienationen. Wenn man überlegt, wie viel Wasser wir allein durch Waschmaschinen, Spülmaschinen oder Duschen - für uns eine Selbstverständlichkeit - verbrauchen! Deswegen ist es sehr wichtig, deutlich zu machen, das Wasser ein globales öffentliches Gut ist. Und deswegen haben wir auch ein Interesse daran, mit dafür zu sorgen, dass man mit diesem Gut in Afrika, Asien oder Lateinamerika nachhaltig umgeht.
Das Interview führte Bernadette Schweda.