Wirtschaft kritisiert Gesetz gegen Steuerhinterziehung
Wirtschafts- und Bankenverbände bewerten den von Union und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung äußerst kritisch. In einer Anhörung des Finanzausschusses am Montag, 25. Mai 2009, erklärte der Zentrale Kreditausschuss, in dem die Spitzenverbände der deutschen Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken zusammengeschlossen sind, der Gesetzentwurf enthalte keine Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Geschäftsbeziehungen zum Ausland rechtfertigten allein keine stärkeren staatlichen Kontrollen, erhöhte Mitwirkungs- und Nachweispflichten oder die Versagung beziehungsweise Kürzung des Betriebsausgaben- oder Werbungkostenabzugs.
Der Gesetzentwurf (
16/12852) sieht unter anderem stärkere
Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen vor, die in Staaten, die
keine Auskünfte in Steuersachen erteilen, Geschäfte
machen. Diese Steuerpflichtigen sollen zur Abgabe von
eidesstattlichen Versicherungen verpflichtet werden können,
dass ihre Angaben vollständig sind.
Außenprüfungen bei Bestverdienern
Werden Informationen oder die Abgabe der Versicherung verweigert, können der Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug verweigert werden. Außerdem sieht der Entwurf die Möglichkeit von Außenprüfungen ohne vorherige Begründung bei Steuerpflichtigen mit Einkünften von mehr als 500.000 Euro pro Jahr vor.
Lars Salzmann vom Bundesverband der Deutschen
Industrie bezeichnet den Entwurf als in der Praxis nicht anwendbar,
weil er sehr viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte, was auch
von mehreren Experten kritisiert wurde. Der Entwurf sei in der
jetzigen Form eine "Black Box" für die deutsche Wirtschaft und
führe zu einem immer weniger berechenbaren Steuerrecht.
Wirtschaft sieht rechtsstaatliche Grundsätze verletzt
"Die Vorschläge gehen unseres Erachtens weit über das Ziel hinaus und verletzen in bedenklicher Weise rechtsstaatliche Grundsätze", erklärten die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme. Schwierigkeiten bei der Amtshilfe mit anderen Staaten würden zum Anlass genommen, unbescholtene Steuerpflichtige, denen keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne, zu sanktionieren.
Die Regelungen könnten auch im Widerspruch zu bestehenden
Doppelbesteuerungsabkommen stehen. Auf dieses Problem wies auch die
Bundessteuerberaterkammer hin.
"Systematische und sehr effektive Maßnahme"
Dagegen erklärte Prof. Dr. Lorenz Jarass (Rhein-Main-University Wiesbaden), der Entwurf stelle eine "systematische und sehr effektive Maßnahme zur Austrocknung der Steueroasen dar". Der Fall des früheren Postchefs Klaus Zumwinkel habe gezeigt, dass es höchst attraktiv sei, Steuern zu hinterziehen. Die Aufdeckungsquote bei Steuerhinterziehung liege im Promillebereich.
Der Gesetzentwurf stelle ein Drohpotenzial zur Verfügung. Ohne
dieses Drohpotenzial würden andere Länder sich kaum zu
einem besseren Informationsaustausch mit den deutschen
Behörden bereitfinden. Auch Klaus Herrmann
(Oberfinanzdirektion Koblenz) erwartet eine höhere
Aufdeckungsquote bei Steuerhinterziehung, wenn der Gesetzentwurf
umgesetzt wird.
"Die Steuerunehrlichen an die Kasse holen"
Nach Auffassung des Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, ist das Gesetz "notwendig und richtig. Die steuerehrlichen Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die Steuerunehrlichen an die Kasse geholt werden", sagte Ondracek.
Er berichtete von einem anonymen Schreiben von Schweizer
Bankmitarbeitern, in dem von 52.000 Tarnkonten allein bei einer
Bank die Rede sei. Die Existenz von Tarnkonten bestritt allerdings
der Vertreter der Schweizerischen Bankiervereinigung, Urs
Roth: "Es gibt keine anonymen Konten in der Schweiz."
"Schutz der Privatsphäre nicht ausreichend
gewürdigt"
Er bezeichnete es auch als nicht akzeptabel, dass die EU mit seinem Land einen Vertrag über die Zinsbesteuerung geschlossen habe und EU-Länder jetzt im Alleingang Nachbesserungen vornehmen wollten.
Der Bund der Steuerzahler kritisierte, dass
Außenprüfungen der Finanzbehörden in Zukunft ohne
Begründung in Privatwohnungen vorgenommen werden könnten.
Damit werde der Schutz der Privatsphäre nicht mehr ausreichend
gewürdigt.