Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (Anhörung)/
Berlin: (hib/HIL) Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur
Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG (DB AG) ist nach Meinung
der Mehrheit der Experten, die am Mittwochnachmittag in einer
öffentlichen Anhörung im Verkehrsausschuss gehört
wurden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Lediglich Professor
Hubertus Gersdorf, Verfassungsrechtler an der Universität
Rostock, bezeichnete den Entwurf uneingeschränkt als
"verfassungskonform". Verfassungsrechtlicher Dreh- und Angelpunkt,
da waren sich die Experten einig, ist Artikel 87e des
Grundgesetzes. Darin ist die alleinige Verantwortung des Bundes
für die Eisenbahninfrastruktur festgeschrieben. Es komme einer
Quadratur des Kreises gleich, so Professor Robert
Uerpmann-Wittzack, Verfassungsrechtler an der Universität
Regensburg, die Bahn privatwirtschaftlich zu betreiben - mit einem
wirtschaftlichen Eigentum an der Infrastruktur - wobei der
rechtliche Eigentümer des Schienennetzes der Bund bleiben
solle. "Ich sehe da keine Lösung", so Uerpmann-Wittzack, "man
kann Artikel 87e nicht wegdiskutieren". Auch nach Meinung von
Professor Georg Hermes, Verfassungsrechtler an der Universität
Frankfurt/Main, widerspricht der vorliegende Entwurf dem
Grundgesetz. Entscheidend ist für die Experten, dass der Bund
den im Grundgesetz festgeschriebenen Einfluss auf die Infrastruktur
haben muss. Das sei im aktuellen Entwurf nicht gegeben, so
Ferdinand Kirchhof, Verfassungsrechtler an der Universität
Tübingen. "Die Letztentscheidung des Bundes müsste
gesichert werden - zivilrechtlich oder verfassungsrechtlich", sagte
Kirchhof. Nur so könne eine verfassungstreue Lösung
erreicht werden. Auch Professor Michael Fehling,
Verfassungsrechtler der Bucerius Lawschool in Hamburg, beurteilte
die im Referentenentwurf vorgesehenen Einflussmöglichkeiten
des Bundes als "zu schwach ausgebildet". Der vorliegende Entwurf
versuche aus zwei Sachen - Infrastrukturverantwortung des Bundes
und wirtschaftliches, börsennotiertes Agieren - eine zu
machen. Dies bringe "erhebliche Unsicherheiten" mit sich und sei
keine gute Grundlage für eine Kapitalprivatisierung, so
Professor Rainer Hüttemann, Gesellschaftsrechtler an der
Universität Bonn. Auch Professor Detlef Kleindiek,
Gesellschafts- und Bilanzrechtler an der Universität Bielefeld
befand: "Das sind zwei Dinge, die sich nicht in Einklan g bringen
lassen." Für ihn, so der Jurist, mache es den Eindruck, als
werde mit dem Referentenentwurf, der aus dem Formelkompromiss des
Bundestages aus dem November des vergangenen Jahres resultiere,
gerade von der Rechtsrealität eingeholt. "Ich fürchte,
das ist so nicht machbar", sagte der Gesellschafts- und
Bilanzrechtler. Auf die aus Reihen den Abgeordneten
geäußert Frage, ob der vorliegende Referentenentwurf
verbesserungsfähig sei oder es eines neuen Entwurfs
bedürfe, zeigten sich die Experten zurückhaltend. Die
meisten hielten eine Verbesserung zwar grundsätzlich
theoretisch für möglich, ein Neuanfang ist ihrer Meinung
nach aber deutlich bessere weg - gerade, so Georg Hermes, aus
europarechtlicher Perspektive.
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