Die Bundesregierung plant mit ihrem über 580 Seiten starken Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform, die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) strukturell und organisatorisch zu reformieren und ihre Finanzen neu zu ordnen. Die Reform betrifft aber auch die privaten Krankenversicherungen (PKV). Ziel sei es, die Strukturen des deutschen Gesundheitswesens zu modernisieren und zu effektivieren, insbesondere die Qualität der Versorgung zu verbessern, die Wirtschaftlichkeit durch mehr Transparenz, intensiveren Wettbewerb und weniger Bürokratie zu erhöhen und die Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten auszuweiten.
Weniger die Zielsetzung als der Weg dahin bereiten den Ländervertretern Kopfzerbrechen. Derzeit liegen mehr als 100 Änderungsanträge der Länder vor. Neben den Regelungen im Bereich der Privaten Krankenversicherungen sind vor allem die Vorschläge zur Entschuldung der Krankenkassen sowie die Sparbeiträge der Krankenhäuser umstritten - und natürlich die finanziellen Belastungen der Länder. So sieht Sachsen- Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) ein riesiges Finanzloch entstehen, da die Tabaksteuer nicht wie vereinbart mit 4,2 Milliarden Euro in den Gesundheitsetat eingehe. Die vorgesehen Maßnahmen, mit denen dieses Loch gestopft werden solle seien für die Länder nicht tragbar. Verbesserte medizinische Leistungen, so Böhmer, verursachten auch höhere Kosten. Dies könne keine Gesetz verhindern. Es ginge also darum, die Einnahmeseite zu verbessern. Dies werde mit den Gesetz nur unzureichend geschafft.
Brandenburg Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) lobte die Regelung hingegen. Es sei die erste Reform, bei der man ohne erhöhte Zuzahlungen oder Leis-tungskürzungen für den Patienten auskomme. "Das Gesetz kann sich sehen lassen", so Ziegler. Es sei "unredlich", die Reform zu blockieren, schließlich seien die Länder in die Kompromissfindung eingebunden gewesen. Dennoch könne man im weiteren Verlauf Länderinteressen berücksichtigen, nicht jedoch die Interessen der Lobbyisten.
Der Wettbewerb sollte gestärkt werden, erreicht habe man das Gegenteil, kritisierte hingegen Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP). Der Staat sollte nur den politischen Rahmen abstecken und sich nicht einmischen. Man müsse jedoch feststellen: mit dem Gesetz werde der Staat gestärkt und nicht die Gesundheitswirtschaft. Außerdem sei die vorgesehen Quersubventionierungspflicht für private Krankenversicherungen verfassungsrechtlich bedenklich. Im jetzigen Zustand sei das Gesetz nicht zustimmungsfähig.
Trotz einiger Änderungswünsche stimme Schleswig-Holstein dem Gesetz zu, kündigte Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) an. Es gebe einen erheblichen Reformbedarf, dem das Gesetz auch Rechnung trage. Allerdings führe an der steuerfinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung zukünftig kein Weg vorbei, so Trauernicht, die in diesem Zusammenhang auch die Herausnahme der Tabaksteuereinnahmen aus dem Gesundheitsetat kritisierte.
Schwere Vorwürfe gegenüber Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erhob die bayrische Sozialministerin Christa Stewens (CSU). Im Bundesgesundheitsministerium sei man bei der Ausgestaltung des Gesetzes von Eckpunkten der gefundenen gemeinsamen Kompromisslinie abgewichen. So sei zum Beispiel der PKV-Basistarif für einen viel größeren Personenkreis geöffnet worden als vorgesehen, sagte Stewens. "Bayern wird nicht mittragen, dass das derzeitige Geschäftsmodell der PKV auf kaltem Weg abgeschafft wird." Beim Basistarif müsse es deutliche Veränderungen geben. Die bisherigen Regelungen würden zu Tariferhöhungen von 30 bis 40 Prozent für aktuell Privatversicherte führen. Das treffe nicht nur Gutverdiener, sondern auch Beamte oder kleine Handwerksmeister. Außerdem müsse Bundesministerin Schmidt endlich Zahlen zu den genauen Auswirkungen des Gesundheitsfonds bei der Umverteilung der Finanzen zwischen den Bundesländern vorlegen. Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) forderte von Schmidt "belastbare Zahlen", wie sich der Fonds auf die Kassen seines Landes auswirke.
Der SPD-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Mi-nisterpräsident Kurt Beck mahnte, nicht die Verantwortung für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem aus den Augen zu verlieren. Die Reform könne "nicht in erster Linie jeden Lobby-Interessen gerecht werden". Beck zeigte sich offen für Kompromisse in Einzelfragen. Er nannte als mögliche Änderung, den Sparbeitrag der Krankenhäuser zu verringern. Darüber habe er mit Ministerin Schmidt gesprochen. Es gehe aber nicht an, die im Sommer vereinbarten Eckpunkte der Reform in Frage zu stellen, sagte Beck und kritisierte dabei Bayerns Regierungschef: Stoiber sei bei den Verhandlungen dabei gewesen - nun verlange der Freistaat gravierende Änderungen. "Ich weiß nicht, ob das Politik ist", sagte Beck.
Auch die Ministerpräsidenten der unionsgeführten Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen, Roland Koch und Jürgen Rüttgers, warnten vor einer neuen Grundsatzdebatte über die Reform. Allerdings übte auch Rüttgers Kritik am Sparbeitrag der Krankenhäuser. Die angesetzten 500 Millionen Euro würden bedeuten, dass Krankenhäuser geschlossen werden müssten. Roland Koch wiederum zeigte Vorbehalte gegen die neuen Regelungen zum Arzneimittelmarkt. Hier gebe es noch "beachtliche Fragen" zu diskutieren.