Die Blackbox des am 6. April 1994 beim Anflug auf Kigali abgestürzten Flugzeugs mit den Präsidenten Ruandas und Burundis an Bord lag zehn Jahre lang unausgewertet in einem Büro der Vereinten Nationen. Schlamperei oder Absicht? Der Schriftsteller und Reporter Hans Christoph Buch unterstellt Letzteres, hätte die Auswertung der gespeicherten Daten doch Auskunft geben können über ein Unglück, das den Auftakt bildete zu einem der schlimmsten Völkermorde der jüngsten Vergangenheit. Die Wahrheit kam erst Jahre später ans Licht. Paul Kagame, Anführer der Tutsi-Befreiungsfront und Staatschef von Ruanda, soll den Abschuss der Maschine befohlen haben, der den Genozid an der Tutsi-Bevölkerung auslöste.
Ein Beispiel mit schrecklichen Folgen, ein Beispiel zum einen für die Skrupellosigkeit und den unstillbaren Machthunger afrikanischer Herrscher einerseits und für das Wegschauen der Vereinten Nationen. Nicht nur die USA verschlossen die Augen vor dem Völkermord, die UNO nahmen ihn sogar in Kauf und ordnete trotz verzweifelter Appelle den Abzug der Blauhelmtruppen aus Ruanda an.
Neben Buchs "Black Box Afrika" liegt fast zur gleichen Zeit ein Reportageband - "Der alltägliche Ausnahmezustand - Kongo im Chaos" - des langjährigen ZDF-Korrespondenten Albrecht Heise vor, wie er aktueller nicht sein könnte. Der Kongo, der mit Europas Hilfe zur Demokratie finden soll, bildet auch einen der Schwerpunkte in Buchs Erzählband. Als die Bücher auf den Markt kamen, war gerade das Ergebnis der Wahlen im Kongo bekannt geworden - mit zunächst hoffnungsvoll stimmenden Reaktionen. Ob die Gewalt sich wieder entlädt, wenn die EU-Soldaten und die letzten Wahlbeobachter abziehen, bleibt abzuwarten.
So unterschiedlich die beiden ausgewiesenen Afrikakenner ihre Reportagen und Essays aufbauen und die Probleme des Kontinents analysieren, so frappierend ähnlich sind sie sich in ihren Schlussfolgerungen. Angola, Burundi, Elfenbeinküste, Sudan/Dafur, Eritrea, Kongo, Liberia, Sierra Leone, Somalia, Westsahara, Zentralafrikanische Republik, Simbabwe - kaum ist ein Buschbrand gelöscht, lodert wieder ein neuer auf.
Doch wie sind die Brandherde Afrikas nachhaltig zu bekämpfen? Das Ausleeren eines Füllhorns von Geld, so Buch, löse keine der Probleme, sondern schaffe nur neue und dränge Afrika in die Rolle des Bittstellers, der an seinem Elend nichts ändern will und auf Almosen angewiesen bleibt. Der als Allheilmittel verordnete Schuldenerlass sei eine zweischneidige Angelegenheit; bestraft würden diejenigen, die Kredite zurückzahlten, während korrupte Regimes noch belohnt würden. Die neuen Eliten würden ihre Mitbürger ebenso skrupellos ausplündern wie die reichhaltig vorhandenen Ressourcen - Mensch und Umwelt blieben auf der Strecke.
Auch Heise kommt zu dem Schluss, dass die Macht der Regierenden in Afrika mit westlicher Hilfe stabiler, das Elend der Menschen hingegen immer dramatischer werde. Mit Entwicklungshilfe werde nur die Inkompetenz der afrikanischen Führer verschleiert, zitiert Heise einen afrikanischen Kollegen: "Kein Geld mehr und kein Schuldenerlass für Afrika, damit die Afrikaner endlich gezwungen sind, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen."
Die Politik des Geldes als Fortsetzung kolonialer Arroganz? Tatsache ist, dass Afrika seit der Unabhängigkeit seiner Staaten mehr als tausend Milliarden an Entwicklungshilfe erhalten hat und heute ärmer dasteht als zuvor. Wirtschaftsexperte James Shikwati aus Kenia ist der Auffassung, mit Geld schadeten die Industrienationen dem Kontinent schon seit 40 Jahren. "Wenn sie den Afrikanern wirklich helfen wollen, sollen sie endlich diese furchtbare Hilfe streichen." Jenen Ländern, die die meiste Entwicklungshilfe kassiert hätten, gehe es am schlechtesten. Überdies schwäche, so der Wirtschaftsfachmann, die Entwicklungshilfe die lokalen Märkte und die unternehmerische Initiative. Ausgangspunkt der Kritik ist der Beschluss des G-8-Gipfels im Jahre 2005, 18 der ärmsten Entwicklungsländer alle Schulden zu erlassen, zusammen rund 40 Milliarden Dollar.
Dabei könnte beispielsweise der rohstoffreiche Kon-go seine Entwicklung selbst finanzieren. Obwohl Millionen Kongolesen von ausländischen Hilfsorganisationen mit importierten Nahrungsmitteln geradezu überhäuft würden, gehe es der Bevölkerung immer schlechter, konstatiert der Reporter und Filmemacher Albrecht Heise. Entwicklung zur Eigeninitiative durch Entzug von Geschenken, müsse das Rezept für Afrika lauten - darin sind sich beide Autoren einig.