Paare, die jetzt Eltern werden, freuen sich, wenn ihr Kind nach dem 1. Januar 2007 das Licht der Welt erblickt - ab diesem Zeitpunkt gibt es in Deutschland das neue Elterngeld. Es sieht vor, dass Väter und Mütter, die zuhause bleiben, auf der Basis von 67 Prozent ihres bisherigen Nettoeinkommens einen finanziellen Ausgleich erhalten - maximal 1.800 Euro im Monat. Mit der Einführung des Elterngeldes hofft Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf einen höheren Anteil von Männern, die ihren Job vorübergehend unterbrechen oder reduzieren. Die Zahlung einer Lohnersatzleistung sowie die beiden "Partnermonate" sollen vor allem Väter ermuntern, sich mehr um ihre Kinder zu kümmern. Dass solche Angebote durchaus zu Verhaltensänderungen führen können, belegt besonders eindrucksvoll das Beispiel Island: Dort genießen inzwischen fast 90 Prozent der Väter eine drei Monate dauernde und gut bezahlte Erziehungszeit.
Die isländischen Erfahrungen sind Thema eines Forschungsprojektes der Europäischen Union, das Ende Januar 2007 abgeschlossen wird. "Fostering Caring Masculinities", kurz FOCUS genannt, hat die Möglichkeiten von Männern untersucht, Erziehungs- und Fürsorgearbeit in ihrer Familie zu übernehmen. Im Mittelpunkt standen dabei die Spielräume männlicher Beschäftigter am Arbeitsplatz. In Spanien, Deutschland, Slowenien, Norwegen und Island wurden je zwei Unternehmen, ein privatwirtschaftliches und ein öffentliches, auf ihre Väterfreundlichkeit hin getestet.
Kulturelle Unterschiede stellten die Wissenschaftler schon bei den Vorauswahl fest. So entwickelte sich in Norwegen ein regelrechter Wettbewerb unter den Betrieben, weil diese unbedingt an dem Projekt teilnehmen wollten. In Deutschland dagegen wollte eines der befragten Unternehmen, ein großer Energiekonzern, lieber anonym bleiben. Im nationalen Bericht taucht deshalb neben dem Umweltbundesamt, das als öffentliche Behörde ein besonders flexibles Zeitmanagement entwickelt hat, die fiktive Firma "EnerCom" auf. Denn "Väterförderung ist in den meisten Betrieben immer noch ein blinder Fleck", stellt Marc Gärtner fest. Der Politikwissenschaftler vom Berliner Forschungsinstitut Dissens war für den deutschen Part am FOCUS-Projekt verantwortlich.
Im Vergleich zu Skandinavien dominiert in Deutschland noch eher die traditionelle Aufteilung der Geschlechterrollen - mit der Folge, dass bisher nur wenige Väter Teilzeit arbeiten oder befristet ganz aussteigen. Nach einer 2004 veröffentlichten Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums sind rund fünf Prozent der deutschen Elternzeitler Männer. Immerhin hat sich diese Quote seit 2001, als die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit während der Babypause erweitert wurden, verdreifacht. FOCUS-Forscher Gärtner geht davon aus, dass das neue lukrative Elterngeld den Väteranteil deutlich steigern wird.
Bestätigt wird diese Prognose durch die jetzt ausgewertete Praxis der gesetzlichen Regelungen in Norwegen, Schweden und vor allem Island. Auf der Insel im Nordatlantik ist die insgesamt neunmonatige Pause in verschiedene Phasen aufgeteilt. Drei Monate stehen der Frau, drei Monate dem Mann zu; über die restlichen drei Monate können die Eltern beliebig verfügen. Den Ergebnissen der EU-Studie zufolge nehmen die isländischen Väter im Schnitt 90 Tage und Mütter rund 180 Tage eine bezahlte Auszeit. Die Mütter stillen ihre Säuglinge rund ein halbes Jahr und bleiben in dieser Zeit zu Hause. Danach aber gehen neun von zehn Vätern für immerhin ein Vierteljahr in Elternzeit. In der von Männern dominierten Feuerwehr der Hauptstadt Reykjavik soll die hohe Nachfrage zwischenzeitlich sogar zu Personalengpässen geführt haben.
Dennoch befürworten nach den Befragungen der Wissenschaftler 73,7 Prozent der isländischen Arbeitgeber den befristeten Ausstieg der Väter. Vor allem diese Zahl macht die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und den nordischen Ländern deutlich: Gesetzliche "Papamonate" werden dort nicht als "Windelvolontariat" diffamiert oder gar als "staatliche Bevormundung" ganz abgelehnt. Vielmehr herrscht ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass auch Männer Erziehungsaufgaben verbindlich übernehmen sollen.
Deutsche Unternehmen gehen nicht davon aus, dass ihre männlichen Mitarbeiter künftig in Scharen zeitweise an den Wickeltisch abwandern könnten. Ein wichtiger Grund dafür dürfte die nach wie vor deutlich höhere Arbeitslosigkeit sein. Sie verunsichert die jungen Väter: Wer Angst vor einer Kündigung hat, der traut sich häufig nicht, Papamonate zu beantragen.