Mit politischem Feuer will Bayern den Nichtraucherschutz vorantreiben. Als Ziel der Staatsregierung hatte Ministerpräsident Edmund Stoiber nach einer Kabinettssitzung am 11. Dezember eine "möglichst gemeinsame Linie" mit den anderen Bundesländern angedeutet. Grundlage für das weitere Vorgehen sollte der Koalitions-Kompromiss von CDU/CSU und SPD sein, der den Grundsatz des Nichtraucherschutzes festschreibe, aber auch "vernünftige Ausnahmen" zulasse, sagte Stoiber.
Der Ministerpräsident machte zum damaligen Zeitpunkt aber deutlich, dass Bayern "auf jeden Fall selbstständig handeln" werde, wenn eine gemeinsame Lösung in einem "überschaubaren Zeitraum" nicht möglich sei. Wie es aus München heißt, könnte ein eigenes Landesgesetz bis Sommer 2007 verabschiedet sein. Die Opposition in Bayern verlangt dagegen eine möglichst kompromisslose Lösung zum Schutz der Nichtraucher. Ein totales Rauchverbot selbst in Kneipen, Bierzelten und Vereinsheimen fordert auch der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband - entgegen dem Willen der Wiesn-Wirte auf dem Münchner Oktoberfest. Stoiber will den Raucherqualm zwar aus allen öffentlichen Gebäuden sowie Restaurants verbannen, doch sollten Ausnahmen beispielsweise in Bierzelten oder in Gaststätten mit abgetrennten Räumen möglich sein. Antworten auf die Frage, ob Rauchverbot auch in Bars und Kneipen mit Bewirtung gelten solle oder in Dorfwirtshäusern mit nur einem Raum, gibt es derzeit noch nicht.
Bereits zum 1. August wurden Bayerns Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen zu rauchfreien Zonen erklärt. Und auf Vorschlag von Umwelt- und Gesund-heitsminister Werner Schnappauf hatte das Kabinett in München bereits Mitte Oktober beschlossen, vorsorg-lich Eckpunkte für eine landesrechtliche Regelung zur Verbesserung des Nichtraucherschutzes zu erarbeiten. Derzeit gibt es dazu nur eine freiwillige Vereinbarung mit dem Hotel- und Gaststättenverband. Danach haben knapp 60 Prozent der Mitgliedsbetriebe Nichtraucherbereiche eingerichtet, bei den übrigen Betrieben waren es nur etwa 37 Prozent. Sein Plädoyer für mehr Nichtraucherschutz untermauert Schnappauf mit Zahlen des Landesamts für Gesundheit. Dieses hatte in etwa 30 Gaststätten, Kneipen und Diskotheken jeweils über vier Stunden die Belastung durch Tabakrauch gemessen. Festgestellt wurde ein mittlerer Nikotinwert von 51 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und damit deutlich mehr als die zehn Mikrogramm, für die nach Meinung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits schwerwiegende Gesundheitseffekte zu erwarten sind. Der Minister verweist auch auf die jährlich zwischen 16.000 und 17.000 Menschen unter 65 Jahren, die allein in Bayern an den Folgen von Aktiv- oder Passivrauchen sterben - bundesweit sind es danach 140.000 Menschen.
Deshalb tritt Schnappauf für "konsequenten" Nichtraucherschutz ein und will "grundsätzliche Rauchfreiheit" erreichen. Doch soll das Ganze mit "Augenmaß" geschehen. Qualmen also auch in Gaststätten mit ausgewiesenem Raucherraum. Schließlich gelte in Bayern das Motto "Leben und leben lassen", so der Minister. Die Landtagsopposition will dagegen beim Nichtraucherschutz entschieden mehr Dampf machen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Kathrin Sonnenholzner, verlangt "schnellstmöglicht ein umfassendes Rauchverbot" für sämtliche gastronomischen Betriebe. Schließlich gehe es auch um den Schutz der dort Beschäftigten, argumentiert sie. Die Fraktionschefin der Grünen, Margarete Bause, sieht die Staatsregierung nach dem Grundsatz "Wasch mir den Pelz; aber mach mich nicht nass", vorgehen. Sie sagt erheblichen Streit im Falle von Ausnahmeregelungen voraus und plädiert ebenfalls für ein striktes Rauchverbot selbst in Bierzelten. Die Raucher könnten ja draußen rauchen, meinte sie auf Anfrage, "zum Bieseln gehen sie ja auch hinaus".
Im Gegensatz zu Bayern setzt die Regierung in Niedersachsen zwar auch auf gesetzliche Regelungen, jedoch weitaus stärker auf den Faktor Freiwilligkeit. "Niedersachsen ist Vorreiter beim Nichtraucherschutz gewesen und hat schon vieles von den Berliner Plänen in die Tat umgesetzt", erklärte dazu Mechthild Ross-Luttmann, Niedersächsische Sozialminis- terin, noch vor der Entscheidung, eine gemeinsame Arbeitsgruppe einzusetzen. So habe Niedersachsen als eines der ersten Bundesländer die rauchfreie Schule eingeführt. Der "Erlass zum Rauchen und Konsum alkoholischer Getränke in der Schule" verbietet seit dem 31. Juli 2005 Zigaretten- und Alkoholkonsum in Schulgebäuden, auf dem Schulgelände sowie bei Schulveranstaltungen, die außerhalb der Schule angeboten werden.
Zudem würden die Nichtraucher in Diensträumen der Landesregierung durch Erlasse, im Sozialministerium bereits seit dem Jahr 1991, geschützt. "Wir haben in Niedersachsen unsere Hausaufgaben gemacht", betonte Ross-Luttmann. Auch immer mehr Krankenhäuser würden über ein komplettes Rauchverbot durch entsprechende Betriebsvereinbarungen mit dem Personal und Hausordnungen für die Patienten nachdenken. Bei neuen Pachtverträgen zum Beispiel für Kantinen von Krankenhäusern sollte noch stärker auf Rauchfreiheit geachtet werden, sagte die Sozialministerin. In Gaststätten müssten zumindest grundsätzlich für Raucher und Nichtraucher getrennte Bereiche ausgewiesen werden. Da sei klar, dass mittelfristig nicht mehr nur Absperrbänder reichen.
Ross-Luttmann zeigt sich optimistisch, dass keine neuen bürokratischen Hemmnisse für das Gaststättengewerbe aufgebaut werden müssen. Immer mehr Wirte entschieden sich dafür, das Rauchen nur noch in bestimmten getrennten Bereichen ihrer Lokale zu erlauben. Das habe auch der DEHOGA, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, in seiner Selbstverpflichtung bis Anfang 2008 zugesagt. "Klar ist aber: Wenn Freiwilligkeit nicht greift, dann muss man gesetzlich handeln", betonte die Sozialministerin.
Auch Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) setzt auf Freiwilligkeit. Er forderte mehr Eigenverantwortung von Gastronomen. Der Staat sollte sich nicht in alle Lebensbereiche einmischen und nicht alles gesetzlich regeln, erklärte Wulff. Wo Menschen ihre Freiheit eigenverantwortlich nutzen müssen, sollten keine Verbote geschaffen werden. Überall dort, wo sich Menschen zwangsläufig aufhalten müssten, wie in Behörden, auf Bahnhöfen oder Flughäfen, sollten Regelungen getroffen werden. Der niedersächsische Ministerpräsident betonte, dass Passivrauchen vor allem für Kinder eine besondere Gesundheitsgefährdung darstelle. Dafür möchte er ein Bewusstsein schaffen.
Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag hatte Sozialministerin Ross-Luttmann aufgefordert zu handeln. Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Uwe Schwarz, hatte in der vergangenen Woche noch einmal nachdrücklich ein striktes Rauchverbot in allen öffentlichen Räumen angemahnt. Dazu zählten neben Schulen und Kindertagesstätten insbesondere Krankenhäuser sowie andere Einrichtungen im Gesundheitswesen. "Auch in Restaurants muss es ein Rauchverbot geben", erklärte Uwe Schwarz und kritisierte gleichzeitig, dass sich die niedersächsiche Landesregierung beim strittigen Thema Nichtraucherschutz bisher nicht bewege.