Der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hatte laut aufgeschrien, das zuständige Ministerium für Wissenschaft und Kunst war äußerst verwundert, und nun empörte sich auch der Sächsische Landtag über das Gebaren der Nachfahren der sächsischen Kurfürsten. Die Familie von Sachsen aus der albertinischen Linie des Wettiner Adelsgeschlechts hatte unlängst Ansprüche auf 1.600 Kunstschätze aus der Staatlichen Porzellansammlung angemeldet, obwohl sie bereits 1999 bei einem Vergleich mit dem Freistaat 24 Millionen Euro für den Verzicht auf Eigentumsansprüche am sächsischen Staatsschatz erhalten hatte. Allerdings - so stellte sich erst in diesem Jahr heraus - gibt eine Öffnungsklausel in dem Vertrag den Wettinern die Möglichkeit, Nachforderungen auf Gegenstände zu erheben, die seinerzeit nicht in einem Anhang zum Vergleichstext aufgeführt worden sind.
Von einem "Skandal ersten Ranges" sprach nun die Linksfraktion/PDS und warf der Staatsregierung vor, dass sie bei den Verhandlungen mit den Nachfahren Augusts des Starken nicht richtig aufgepasst habe. Etwas gelassener betrachteten die anderen Fraktionen den Vorgang. Auch die Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva-Maria Stange (SPD), verwies darauf, dass es nicht um einen Ausverkauf sächsischer Kulturgüter gehe, sondern um die Prüfung von Ansprüchen. Dass die Wunschliste der Wettiner zehn bis 15 Prozent des Bestandes der Porzellansammlung umfasst, für die erst im Oktober neue, aufwendig ausgestattete Räume im Dresdner Zwinger eingeweiht wurden, empfanden sie jedoch ausnahmslos als moralisch äußerst bedenklich. Denn was die Wettiner mit zurückerhaltenen Kunstgütern machen, lässt sich diese Woche im Auktionshaus Christie's in London verfolgen: Dort werden fünf Porzellane, die der Freistaat im April dieses Jahres hergeben musste, meistbietend versteigert.
Die von August dem Starken und seinen Nachfahren erworbenen Kunstschätze gehörten untrennbar zur sächsischen Identität und seien kein Verpfändungsgut für Menschen, die mit ihren ersteigerten Millionen nicht umgehen könnten, empörte sich die FDP. Und für Bündnis 90/Die Grünen erinnerte Karl-Heinz Gerstenberg daran, dass die Sachsen alles Recht hätten, die Schätze der Kunstsammlungen ihr eigen zu nennen, hatte doch August der Starke einst 500 sächsische Dragoner für ein paar chinesische Vasen an Preußen verhökert. Gunter Hatzsch (SPD) verwies auf den Weg, den Freiherr Speck von Sternenburg nach der Wende eingeschlagen hat: Er gründete eine Stiftung, überließ Sachsen und der Stadt Leipzig Kunstwerke im geschätzten Wert von 100 Millionen Euro und begnügte sich mit der Summe, die er für zwei Gemälde erhalten hatte. Für die CDU appellierte der frühere Justizminister Steffen Heitmann an die Wettiner, eine Lösung mit dem Freistaat zu suchen, die die Verbundenheit der Sachsen mit ihren Kulturgütern berücksichtigt.