Triumph auf der ganzen Linie: Erstmals ist es Bremer Bürgern gelungen, per Volksbegehren eine Reform durchzuboxen. Nach dem Vorbild anderer Bundesländer erhalten auch die Wähler an der Weser mehr Einfluss auf die Zusammensetzung von Parlamenten. Bremens große Koalition war zunächst überwiegend dagegen. Doch dann organisierte der Verein "Mehr Demokratie" ein Volksbegehren und sammelte 65.197 gültige Unterschriften für eine Wahlgesetzänderung. Schließlich gaben auch SPD und CDU nach: "In Respekt vor der beachtlichen Beteiligung" übernahm ihre Regierung den Reformvorschlag und brachte ihn - trotz "Bedenken und Bauchschmerzen" - in die Bürgerschaft ein.
Das neue Recht gilt für die Wahlen zur Bürgerschaft (Landtag), zu den Bremer Stadtteilbeiräten und zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung. Die Wähler, die bisher nur vorgegebene Parteilisten an-kreuzen konnten, dürfen jeweils fünf Stimmen auf ver-schiedene Kandidaten verteilen ("panaschieren") oder auf eine Person konzentrieren ("kumulieren"). Da-durch, so fürchten Koalitionäre, könnten Spezialisten ohne populäres Themenfeld Probleme bei der Wiederwahl bekommen, und auch unbekannte Neulinge hätten es schwerer. Außerdem könnten die "riesigen Wahlbögen" mit den vielen Einzelnamen einen "ab-schreckenden Effekt" haben, hieß es in der Debatte.
"Sie haben Angst vor den Wählern", hielten die Grünen den Bedenkenträgern entgegen. Die FDP bescheinigte der Koalition immerhin Lernfähigkeit, da sie ja nun doch die Reform mittrage. Den beiden Oppositionsparteien geht die Umsetzung allerdings nicht schnell genug: Sie möchten bereits bei der Bürger-schaftswahl im Mai 2007 panaschieren und kumulie-ren. Doch die Mehrheit setzte sich mit ihrer Ansicht durch, dass dies nicht so schnell zu organisieren sei.
Ein weiterer Streitpunkt: Mit der Reform fällt auch die Fünf-Prozent-Hürde für die Bremerhavener Stadtverordnetenwahl. Teile der großen Koalition befürchten Zersplitterung und Radikalisierung. Grüne und FDP verweisen dagegen auf andere Bundesländer, in denen trotz fehlender Sperrklausel "keine Weimarer Verhältnisse" herrschten. Am Ende stimmte eine breite Bürgerschaftsmehrheit für die Reform. Nur die SPD- und CDU-Abgeordneten aus Bremerhaven votierten dagegen - obwohl die Koalition bereits darüber nachdenkt, die Sperrklausel in der nächsten Wahlperiode wieder einzuführen.