Beamtenrechtliche Klagen erfreuen sich seit jeher der besonderen Aufmerksamkeit des Bundesverfassungsgerichts. Was nicht nur daran liegt, dass den Richtern - die schließlich ebenfalls vom Staat bezahlt werden - die Beamtenbesoldung sozusagen in eigener Sache am Herzen liegt. Beamte haben kein Streikrecht, weshalb im Streit um ihre Besoldung die Karlsruher Richter ihre wichtigste Schutzmacht sind.
Diese Schutzmacht hat nun ein Münchner Polizeibeamter angerufen, um wegen der hohen Lebenshaltungskosten in der Landeshauptstadt eine Ballungsraumzulage durchzusetzen. Einen ersten Teilerfolg hat er bereits erzielt: Der Zweite Senat hat zu seinem Fall eine der seltenen mündlichen Verhandlungen angesetzt, was darauf hindeutet, dass die Klage aus Sicht der Richter nicht ganz einfach zu entscheiden ist. Eine eindeutige Tendenz auf der Richterbank ließ sich am 5. Dezember noch nicht erkennen, sodass die Sache bis zur Urteilsverkündung in einigen Monaten spannend bleibt - vor allem für die Finanzminister: Eine Zulage für Staatsdiener in Großstädten, so lautet eine Schätzung aus dem Bundesinnenministerium, würde bundesweit Mehrkosten von mindestens einer halben Milliarde Euro verursachen.
Auf den ersten Blick scheint die Klage durchaus einzuleuchten. Der Beschwerdeführer, Dienstgrad Erster Kriminalhauptkommissar, geschiedener Vater dreier Kinder, macht geltend, dass er bei gleichem Lohn deutlich mehr für seinen Lebensunterhalt ausgeben muss als seine Kollegen in der Provinz. Dass es sich nicht nur um eine gefühlte Kostendifferenz handelt, bestätigte der Essener Statistik-Professor Peter Michael von der Lippe: Das Preisniveau in München liege um 20 Prozent über dem Landesdurchschnitt. Das trifft zwar auch die nicht beamtete Münchner Bevölkerung - allerdings werde in der Privatwirtschaft das Kostengefälle durch deutlich höhere Gehälter in der Landeshauptstadt ausgeglichen, argumentierte sein Bevollmächtigter, der Berliner Professor Heinrich Amadeus Wolff. Tatsächlich gab es im deutschen Beamtenrecht 100 Jahre lang - bis zu seiner Abschaffung im Jahr 1972 - die so genannten Ortszuschläge, die örtliche Differenzen ausgleichen sollten. In Bayern gibt es das bis heute, jedoch nur für die unteren Besoldungsstufen, außerdem läuft die Regelung 2009 aus. Und es herrscht kein Zweifel daran, dass Unterschiede bei der Beamtenbesoldung verfassungsrechtlich zulässig sind. "Es gibt keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, der es dem Besoldungsgesetzgeber verwehrt, die Höhe der dem Beamten gezahlten Bezüge aus sachlich vertretbaren Gründen regional zu differenzieren", entschieden die Verfassungsrichter Anfang 2003 beim Thema Ostbesoldung.
Eine ganz andere Frage ist indes, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich dazu verpflichtet ist, entsprechende Zulagen auszuschütten. Zwar hat Karlsruhe den Beamten im Jahr 1999 Kinderzulagen gewährt, damit sich auch kinderreiche Familien ein "Minimum an Lebenskomfort" leisten können. Diese Entscheidung lässt sich aber schon deshalb nicht ohne weiteres für eine Ballungsraumzulage nutzbar machen, weil die Mehrkosten für Kinder relativ einfach, die regionalen Unterschiede dagegen ziemlich schwierig zu berechnen sind. Denn München bietet nicht nur hohe Mietpreise, sondern beispielsweise ein kulturelles Angebot. So war immer wieder von den "nicht monetären" Vorteilen der Großstadt die Rede. Eberhard Stegner, Geschäftsführer der Gesellschaft für Konsumforschung, illustrierte an einem Beispiel, warum man nicht einfach die Butterpreise von Stadt und Land vergleichen darf: München sorge durch seine Genehmigungspraxis für ein relativ dichtes Netz von kleinen Lebensmittelläden, die zwar normalerweise teurer seien als Supermarktketten, aber gerade älteren Menschen den Alltag ungemein erleichtern könnten. Außerdem biete die Großstadt normalerweise bessere Aufstiegschancen - die im Übrigen auch den Beschwerdeführer nach München gelockt hatten: 1985 wechselte er von Bayreuth in die Landeshauptstadt, weil ihm dort ein Wechsel vom mittleren in den gehobenen Dienst ermöglicht worden war. Dort ist er seither drei Mal befördert worden.