Unser Hund ist am Boden zerstört. Früher hat er immer die Zeitung aus dem Briefkasten geholt. Und jetzt ist unsere Tochter schneller als er." Wenn Volker Stennei von den Reaktionen auf die Kinderseite des "Hellweger Anzeigers" erzählt, hebt er sich dieses Zitat einer Mutter gerne als kleine Schlusspointe auf. Stennei ist Chefredakteur des "Hellweger Anzeigers" in Unna - und stolz auf den Erfolg der Seite, die er am 25. April dieses Jahres gelauncht hat. Der "Hellweger Anzeiger" ist damit die erste Tageszeitung in Deutschland, die eine tägliche Kinderseite produziert. Und: Nicht Ausmalbildchen und Bastelspiele stehen im Mittelpunkt, sondern Nachrichten und Information. "Wir setzen hundertprozentig auf die Marke Tageszeitung", sagt Stennei.
Konkret heißt das: Der Schwerpunkt liegt auf dem Lokalgeschehen und auf internationalen Ereignissen und politischen Entwicklungen. Jeden Tag liefert die logo!-Redaktion des ZDF zudem eine überregionale Nachricht nach Unna. Die Kinderseite für Acht- bis Zwölfjährige soll so bewusst eine "Lese-" und keine "Mitmach-Zeitung" sein. Stennei hat sie als Schlussseite des ersten Buchs prominent platziert. Denn nebst des Interesses, Jungen und Mädchen schon früh an seine Zeitung zu binden, will er vor allem eines: sie ernst nehmen.
Kindern auf Augenhöhe begegnen - in der Diskussion um Qualitäts-Medien und Politikberichterstattung für Kinder sind diese Aussagen häufig zu hören. Aber wie machen die Medien das eigentlich: Kinder ernst nehmen? Das war auch eines der Themen, über die mehr als 100 Kindermedienmacher aller Sparten sowie Wissenschaftler vom 6. bis 8. Dezember auf der ersten KinderMedienKonferenz der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Köln diskutierten.
"Man kann und sollte aus allen Gesellschaftsbereichen berichten. Kinder kriegen ja durch die 'großen' Medien mit, was passiert. Deshalb berichten wir auch über Themen wie den Amoklauf in Emsdetten", sagt Tobias Gehle, Redakteur beim Radio-Kinderprogramm Lilipuz des WDR. "Wir begegnen den Ängsten der Kinder, indem wir den Emotionen sachliche Informationen entgegensetzen, die die Kinder auch verstehen." Einmal in der Woche senden die Lilipuz-Redakteure live aus einer Schule. Hier kriegen sie mit, was die Kinder interessiert und wo es eventuell Verständnisschwierigkeiten gibt. Auch der Bayerische Rundfunk (BR) legt in seiner Nachrichtensendung Klaro Wert auf den Kontakt zur Zielgruppe, besucht Schulen, sendet, was die Kinder hören, und beantwortet, was sie wissen wollen. Und: "Wenn wir über ein Thema berichten, suchen wir ein Beispiel aus der direkten Umgebung der Kinder. Wir müssen es auf ihre Welt herunterbrechen", meint Kai Frohner, Leiter des BR-Kinderfunks. Außerdem sei es "sehr wichtig, dass Kinder im Programm selbst zu Wort kommen", sagt Frohner. Darauf setzt man auch in der Redaktion der 1988 gegründeten Kindernachrichtensendung logo! des ZDF: Kinderreporter fühlen den Politikern gerne auf den Zahn.
Das Thema Kinder und Medien liegt derzeit voll im Trend. In den vergangenen Jahren ist auf dem deutschen Markt viel passiert: Die medialen Angebote für Jungen und Mädchen im Grundschulalter wachsen, Kinder werden nicht mehr einzig als Zielgruppe der Zukunft, sondern auch als Zielgruppe der Gegenwart erkannt. Dennoch, im internationalen Vergleich hinkt Deutschland hinterher: In Frankreich etwa gründete François Dufour schon Mitte der 1990er-Jahre "Mon Quotidien", eine Zeitung für Kinder ab zehn Jahren. Drei Blätter für unterschiedliche Altersgruppen folgten: Das Tageszeitungs-Quartett aus dem Verlag Play Bac Presse "wächst" jetzt mit den Kindern ab einem Alter von fünf Jahren. Die ersten drei Blätter sind je vier Seiten lang, nur der Umfang von "L'actu" (für Pre-Teens ab 14 Jahren) ist noch größer.
Auch in Großbritannien, Belgien und Schweden gibt es Kinderzeitungen. Das jüngste Produkt der Briten nennt sich "First News" und erschien erstmals im Mai 2006, im Tabloidformat. Deutlich älter ist hingegen die schwedische Zeitung Kameratposten für Kinder ab acht: Sie blickt auf eine Geschichte von fast 15 Jahren zurück.
In Belgien wird für die Acht- bis Zwölfjährigen "Le Journal des enfants" publiziert. Kai Frohner vom Bayerischen Rundfunk wünscht sich in Deutschland vor allem eines: dass die finanzielle Ausstattung für Kindermedien verbessert und bestehende Angebote bekannter gemacht werden.