Deutschland rüstet sich "für den Sprung aus dem Mittelalter in die Moderne des Passivraucherschutzes". Diese optimistische Sicht hatte Carola Reimann, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, noch im August. Sie schmiedete mit anderen Abgeordneten eine parlamentarische Allianz, um mit einem fraktionsübergreifenden Gruppenantrag die Bundesregierung zu mehr Engagement beim Nichtraucherschutz zu bewegen. Dafür schien die parlamentarische Mehrheit nicht gesichert; die anschließende Bundesinitiative zum Passivraucherschutz wurden hauptsächlich wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zurückgezogen. So ist etwa das Gaststättenrecht seit der Föderalismusreform Ländersache und der Bund kann Restaurants gesetzlich nicht dazu verpflichten, ein Rauchverbot einzuführen.
Carola Reimann sieht das anders. Die 39-jährige promovierte Biotechnologin glaubt, dass der Bund für den Schutz vor allgemeingefährlichen Krankheiten wie Lungenkrebs zuständig ist. Sie blickt mit Skepsis auf die unterschiedlichen Positionen in den Bundesländern: "Mit einem föderalen Flickenteppich beim Nichtraucherschutz ist niemandem gedient." Vom erlittenen Dämpfer lässt sie sich jedoch nicht entmutigen. Mitmenschen bescheinigen ihr eine ausgeprägte Frustrationstoleranz. "Jedenfalls glaube ich, dass ich eine gute Ausdauer habe."
Viel mehr noch als ihr Engagement für den Nichtraucherschutz beschäftigt die Politikerin die Gesundheitsreform. Einerseits geht es um die Arbeit am Gesetz, andererseits müssen die Ergebnisse auch den Bürgern und Bürgerinnen vermittelt werden. Deshalb führt Carola Reimann gemeinsam mit anderen Abgeordneten ihrer Fraktion Veranstaltungen im ganzen Land durch, um Einzelheiten der Reform zu erklären und Missverständnisse auszuräumen. Der Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform umfasst knapp 600 Seiten mit zum Teil sehr komplexen Regelungen. "Viele merken erst durch den Dialog, dass die Reform viel mehr beinhaltet als nur den Gesundheitsfonds", so Reimann über ihre bisherigen Erfahrungen aus Diskussionen mit Bürgern.
Der Dialog mit Menschen liegt ihr. Die "äußerst kommunikative Arbeit" als Bundestagsabgeordnete macht ihr auch im sechsten Berliner Jahr immer noch Spaß. Dazu tragen auch die positiven Aspekte bei, die sie in ihrer Arbeit sieht. "Wir sind inzwischen mit dem Reformpaket ein gutes Stück vorangekommen und stehen kurz vor dem Abschluss. Wer Gesundheitspolitik macht, weiß, dass man mit Reformen immer auf Widerstände stößt. Das muss man aushalten können." 2004 hat Carola Reimann diese Widerstände schon einmal als Mitglied des Gesundheitsausschusses ausgehalten. Damals wurde um das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung gestritten, "ein großer Schritt hin zu mehr Wettbewerb, Qualität und Wirtschaftlichkeit", so die Naturwissenschaftlerin. Auf diesem Weg gelte es jetzt weiterzugehen, um den langwierigen Transformations- und Umbauprozess im Gesundheitswesen voranzubringen.
Die Bundespolitikerin ist Kritik gewohnt. Apotheker, Ärzte und Verbandsfunktionäre erheben massive Vorwürfe, wenn es um die geplante Reform geht. In dieser schwierigen Debatte gibt Carola Reimann aber auch Kritik zurück: "Natürlich gibt es gerade im Gesundheitsbereich sehr viele verschieden gelagerte Interessen. Das ist aber nicht das Hauptproblem. Problematisch wird es dann, wenn einzelne Interessengruppen gezielt versuchen, die Bürger und Bürgerinnen zu verunsichern und gegen einzelne Regelungen aufzubringen. Hier wird manchmal geradezu Panikmache betrieben, die ich für gefährlich halte." Dennoch ist sie mit Ergebnis insgesamt zufrieden. "Vor allem freue ich mich, dass wir konkrete Maßnahmen durchsetzen konnten, die sich für die Versicherten positiv auswirken werden wie beispielsweise die Aufnahme der geriatrischen Rehabilitation und der Palliativmedizin als Pflichtleistung sowie die Erweiterung der Wahlmöglichkeiten." Die Gesundheitsreform ist für Carola Reimann ein Kompromiss zwischen zwei Koalitionspartnern, die mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen in die Verhandlungen gegangen sind. "Da kann man leider nicht alles durchsetzen, was man für richtig und notwendig hält. Beispielsweise hätte ich mir bei der Finanzierung einen größeren Steueranteil gewünscht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden."
Mit medizinischen Themen beschäftigte sie sich bereits vor ihrer Zeit als Parlamentarierin. Noch im Jahr 2000 arbeitete sie als Projektleiterin für medizinisches Marketing in einer Agentur. Dass sie im gleichen Jahr in den Bundestag einzog, war "eher zufällig". 1998 hatte sie auf einem eigentlich hoffnungslosen Listenplatz kandidiert und den Einzug ins Parlament knapp vefehlt. Sie rückte 2000 für Ernst Schwanhold nach, der in Nordrhein-Westfalen einen Ministerposten übernahm. Wirklich beeindruckend sind ihre Wahlkreisergebnisse 2002 und 2005: 2002 errang Reimann das Direktmandat in Braunschweig mit über 54 Prozent der Erststimmen, 2005 noch mit über 51 Prozent. Das analysiert die Naturwissenschaftlerin ganz sachlich. Wie andere habe sie von der Popularität des Niedersachsen Gerhard Schröder profitiert.
Sie ist froh darüber, wie ihr Weg verlaufen ist. "Im Grunde genommen ist meine Arbeit im Bundestag so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Manches geht mir nicht schnell genug. Wenn man davon überzeugt ist, dass eine Sache richtig ist, möchte man sie möglichst schnell verwirklicht sehen. Das gelingt in der Politik nicht immer gleich. Da braucht man Geduld."