Das Parlament: Hätten Sie als Rathauschef in Dresden nicht auch für die Privatisierung der kommunalen Wohnungen gekämpft, um den Etat zu sanieren?
Rips: Nein. So lässt sich ein Haushalt nicht konsolidieren. Die Schulden werden zwar reduziert. Doch das strukturelle Problem, dass die Ausgaben über den Einnahmen liegen, bleibt bestehen. Eine Privatisierung ist auch wirtschaftlich unsinnig, weil die kommunalen Unternehmen Gewinne an die Stadt abführen.
Das Parlament: Was schlagen Sie denn vor?
Rips: Man muss fragen, ob alle Ausgaben wirklich nötig sind. Zudem müssen kommunale Verwaltungen betriebswirtschaftlich effizienter werden. Überdies sollten Bund und Länder, die den Kommunen immer mehr Aufgaben übertragen, auch mehr Geld überweisen.
Das Parlament: Geraten kommunale Gesellschaften nicht gerade wegen der Finanznot unter Druck, mehr Gewinn zu erwirtschaften? Stellenstreichungen und Mieterhöhungen sind die Folge.
Rips: In der Tat steigt der Druck, mehr Gewinne zu erzielen und abzuführen. Das ist im Prinzip auch nicht falsch. Es ist legitim, wenn die Rathäuser eine Verzinsung ihres Kapitals zwischen drei und sechs Prozent erwarten. Bei solchen Margen bleibt den kommunalen Gesellschaften jedoch genug Spielraum, Gewinnerwartungen und Sozialauftrag auszubalancieren.
Das Parlament: Wozu benötigt man überhaupt öffentliches Eigentum an Wohnungen?
Rips: Der Staat hat die Aufgabe, Unterkünfte für Einkommensschwache oder Menschen mit schwierigem Sozialverhalten vorzuhalten. Auch wer nicht in diese Kategorien fällt, hat es auf dem privaten Wohnungsmarkt oft schwer, man denke etwa an Alleinerziehende oder junge Familien mit Kindern. Und wenn es um Stadtplanung, Stadtumbau, Quartiersgestaltung geht, erweisen sich kommunale Gesellschaften als kooperative Partner der Politik. Jedenfalls läuft das gemeinhin besser als mit privaten Eigentümern. Mein Fazit: Wer in großem Stil staatliches Wohnungseigentum aus der Hand gibt, verscherbelt Sozialkapital. Gegen Verkäufe an Mieter oder an Genossenschaften in Einzelfällen ist im Übrigen nichts einzuwenden.
Das Parlament: Lässt sich die Sozialpflichtigkeit nicht auch über das Mietrecht, Wohngeld für Einkommensschwache und Belegungsrechte möglich?
Rips: Wir benötigen einen Mix. Wohngeld kann im Einzelfall sinnvoll sein, schafft aber keinen Quadratmeter zusätzlichen Wohnraum und auch keinen Zugang zu einer Unterkunft. Nicht zu vergessen: So werden Vermieter subventioniert. Der Kauf von Belegungsrechten durch Rathäuser bei privaten Eigentümern ist eine paradoxe Sache: Bei einem angespannten Markt ist das sehr teuer, bei einem Überangebot von Wohnungen ist das kaum erforderlich.
Das Parlament: Nun werden bei Wohnungsverkäufen Mieter oft durch eine Sozialcharta geschützt.
Rips: So etwas nutzt nicht viel, das dient der Beschwichtigung. Eine Charta hilft nur aktuellen Bewohnern, gilt aber nicht bei Neuvermietungen, wobei es jährlich eine Fluktuation von zehn Prozent gibt. Vollends zu weißer Salbe wird eine Vereinbarung, wenn sie nicht über das Gesetz hinausgeht.
Das Parlament: Malt der Mieterbund nicht den Teufel an die Wand, wenn er im Falle von Privatisierungen die Gefahr beschwört, es drohten heruntergekommene Sozialgettos zu entstehen?
Rips: Das ist ein schleichender Prozess, wir warnen frühzeitig. Es ist ein Erfolg deutscher Wohnungspolitik, dass uns bislang französische Erfahrungen erspart blieben. Dazu haben die öffentlichen Unternehmen einen wesentlichen Beitrag geleistet. Werden immer mehr staatliche Wohnungen verkauft, werden sich schwierige Sozialfälle bei den verbleibenden kommunalen Gesellschaften ballen. Private Investoren neigen zur Filetierung: Profitable Bestände werden teuer modernisiert, dort werden Einkommensschwache verdrängt.
Das Interview führte Karl-Otto Sattler