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Der Bundestag kann in erster Linie über die Bundesregierung Einfluss auf die Rechtsetzung der EU nehmen. Außerdem hat das Parlament die Möglichkeit, sich direkt an die Kommission zu wenden und mit anderen nationalen Parlamenten sowie dem Europäischen Parlament zusammenzuarbeiten. Insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament hat sich in den letzten Jahren intensiviert. So finden regelmäßig interparlamentarische Treffen und Anhörungen statt, durch die die Parlamente der Mitgliedstaaten bei wichtigen EU-Vorhaben in die gesetzgeberische Arbeit des Europäischen Parlaments einbezogen werden.
Informations- und Kontrollrechte
Die Mitwirkung des Bundestages in EU-Angelegenheiten sowie seine Kontrollrechte gegenüber der Bundesregierung setzen umfassende Informationen voraus. Diese sind in Artikel 23 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes verankert und werden durch das im September 2009 neu gefasste Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) konkretisiert. Danach hat die Bundesregierung den Bundestag umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Insbesondere ist sie verpflichtet, dem Bundestag alle Kommissionsvorschläge für EU-Verordnungen und Richtlinien, Berichte, Mitteilungen, Grün- und Weißbücher sowie Vorschläge für Beschlüsse des Rates zuzuleiten und über die Planungen und Beratungen dieser Entwürfe auf europäischer Ebene zu informieren.
Beratungen zu EU-Vorlagen in den Ausschüssen des Bundestags
Im Zentrum der parlamentarischen Mitgestaltung steht die Behandlung der EU-Vorhaben in den Ausschüssen des Bundestages: So werden die Vorhaben von einem jeweils federführend zuständigen Ausschuss und in der Regel von weiteren Ausschüssen beraten. Da die EU-Vorlagen im europäischen Gesetzgebungsverfahren ständig Änderungen erfahren, beraten die Ausschüsse nicht selten mehrmals, beginnend von der ersten Zuleitung des ursprünglichen Dokuments bis hin zur abschließenden Behandlung des Entwurfs im Rat und Europäischem Parlament.
Stellungnahme und Parlamentsvorbehalt
Die Beratung im Bundestag kann mit einer Beschlussempfehlung an das Plenum abgeschlossen werden. Das Plenum fasst in diesem Fall auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses einen Beschluss (Stellungnahme). Eine Stellungnahme kann auch durch Antrag mindestens einer Fraktion durch den Bundestag beschlossen werden. Der Bundestag kann zu allen Vorhaben der EU eine Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung abgeben. Vor ihrer Mitwirkung an EU-Vorhaben gemäß § 3 EUZBBG muss dieBundesregierung dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme geben (§ 9 Abs. 1 S. 1 EUZBBG). Gibt der Bundestag eine Stellungnahme ab, hat die Bundesregierung diese ihren Verhandlungen auf europäischer Ebene zugrunde zu legen (§ 9 Abs. 2 S. 1 EUZBBG). Bei Stellungnahmen zu einem Rechtsetzungsakt ist sie verpflichtet, einen Parlamentsvorbehalt einzulegen, wenn der Beschluss des Bundestages in einem seiner wesentlichen Belange nicht durchsetzbar ist (§ 9 Abs. 4 S. 1 EUZBBG). Die Bundesregierung hat das Recht, aus wichtigen außen- oder integrationspolitischen Gründen von der Stellungnahme des Bundestages abzuweichen.
Der Bundestag kann außerdem gemäß Artikel 45 des Grundgesetzes den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ermächtigen, seine Mitwirkungsrechte gegenüber der Bundesregierung und den Organen der Europäischen Union wahrzunehmen.
Integrationsverantwortungsgesetz
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon hat der Bundestag durch das im September 2009 verabschiedete Integrationsverantwortungsgesetz zusätzliche Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte in EU-Angelegenheiten erhalten. Danach kann die Bundesregierung bei bestimmten EU-Vorhaben, die einer herausgehobenen Integrationsverantwortung unterliegen, nur auf der Grundlage eines zuvor verabschiedeten Gesetzes, durch Beschluss oder Weisung des Bundestages im Rat abschließend tätig werden.
Das Integrationsverantwortungsgesetz enthält in § 11 und 12 auch Regelungen zur Subsidiaritätsrüge und -klage. Nach dem Subsidiaritätsprinzip darf die EU nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht und daher wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können (Artikel 5 Absatz 3 EUV). Gemäß Artikel 6 des Protokolls Nr. 2 des Vertrags von Lissabon können die nationalen Parlamente innerhalb von acht Wochen, nachdem ein Gesetzgebungsvorschlag in allen Amtssprachen der EU übermittelt wurde in einer begründeten Stellungnahme darlegen, weshalb dieser Entwurf ihres Erachtens nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Kommt die Mehrheit der nationalen Parlamente in ihren Stellungnahmen zu dem Ergebnis, dass der Entwurf unvereinbar mit dem Subsidiaritätsgrundsatz ist, kann der Entwurf vom Unionsgesetzgeber (Rat und Europäische Parlament) verworfen werden. § 12 des Integrationsverantwortungsgesetzes i.V.m. Art. 8 des Protokolls Nr. 2 des Vertrages von Lissabon eröffnet dem Bundestag ferner die Möglichkeit einer Subsidiaritätsklage vor dem Gerichtshof der EU.