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Die Anfahrt gestaltet sich nicht ganz einfach. Das Navi ist kaputt und Eberswalde doch größer als gedacht. Ein Anruf im Büro der Bundestagsabgeordneten Sabine Stüber hilft weiter. "Sie müssen Finowfurt hinter sich lassen und vor der Rathauspassage rechts abbiegen", erläutert Cindy Panzer, die Wahlkreismitarbeiterin der Linken-Politikerin nun schon zum zweiten Mal. Diesmal halte ich mich an die Vorgaben und lande prompt bei der angegebenen Adresse. Das Wahlkreisbüro Stübers befindet sich in einem Eckhaus am Marktplatz, gemeinsam mit einer Bankfiliale, einer Musik- und Yogaschule und den Zeugen Jehovas.
Oben angekommen begrüßt mich Sabine Stüber, die sich die Büroetage mit zwei Abgeordneten der Linksfraktion im Brandenburger Landtag teilt. Michael Luthardt ist der agrarpolitische Sprecher der Landtagsfraktion. Margitta Mächtig die Sprecherin für Rechts- und Justizpolitik. "Das ist sehr praktisch. Wir arbeiten ja oft an den gleichen Themen", erklärt Sabine Stüber.
Mit den beiden sind wir später noch verabredet, zum Gespräch mit der Leiterin des Arbeitsamtes Eberswalde. Doch zuerst geht’s wieder auf die Straße. Rein in den Mazda von Wahlkreismitarbeiterin Panzer, in dem erst noch ein Kindersitz beiseite gerückt werden muss. Sabine Stüber überlässt dem Gast den komfortablen Platz auf der Beifahrerseite. "Sie haben die längeren Beine", sagt die 58-Jährige.
Irgendwie sagt diese kleine Geste schon einiges über die Linken-Abgeordnete, nämlich: Vordrängeln ist ihre Sache nicht. Dass sie bei der Bundestagswahl das Direktmandat gewonnen hat, habe niemanden mehr überrascht als sie selbst, sagt Stüber. Eigentlich war ja der SPD-Mann Markus Meckel abonniert für das Mandat. Dreimal immerhin gewann er den Wahlkreis Uckermark-Barnim. "Zuletzt gingen aber immer wieder irgendwelche privaten Streitereien von ihm durch die Presse", sagt Sabine Stüber. Da hätten die Wähler wohl gedacht: "Wir versuchen es mal mit der von den Linken."
Muss man eine so klassische DDR-Biografie haben wie sie, um im Osten direkt gewählt zu werden? "Nein", sagt sie, "das hat inzwischen auch mit der Partei Die Linke zu tun." Mit Jan Korte und Wolfgang Nešković hätten schließlich auch "West-Importe" ein Direktmandat im Osten gewonnen.
Nach kurzer Fahrt durch das verregnete Eberswalde stehen wir schließlich vor dem Café Brücke, einer Kontakt- und Begegnungsstätte für psychisch Kranke, betrieben von der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Roberto Heuer vom AWO-Kreisvorstand stellt der Bundestagsabgeordneten das Konzept vor. Sabine Stüber hört zu, fragt gelegentlich und hört wieder zu. Gut findet sie, dass das Café für alle geöffnet ist und nicht nur für Kranke.
Davon zeugen auch die zwei Internet-Plätze. "Da sitzt dann ein Schizophrener neben einem Studenten, und so können die beiden ins Gespräch kommen", erläutert der AWO-Mann die Idee dahinter. "Meine Internetverbindung zuhause ist recht langsam", denkt die Abgeordnete laut nach. "Da könnte ich ja auch hier vorbei kommen..."
Zurück im Büro warten schon die Landtagsabgeordneten mit Dagmar Brendel, der neuen Leiterin der Arbeitsagentur Eberswalde. Zum zwanglosen Gespräch wolle man sich treffen. "Das haben wir mit ihrem Vorgänger auch so gehalten", sagt Sabine Stüber. Was die Politiker dann hören, lässt die Mienen verfinstern. Die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in der Region ist alles andere als ermutigend. "Die Uckermark ist nach wie vor das Schlusslicht", sagt die Chefin der Arbeitsagentur.
Ein großes Problem stellt die schwächelnde Solarindustrie dar. "Und die Bundesregierung rühmt sich ihrer Beschäftigungspolitik", kommentiert Sabine Stüber die Zahlen. Nur schwer nachvollziehbar ist sowohl für die Agenturchefin wie auch die Abgeordneten, wieso die Arbeitslosenquote von Eberswalde doppelt so hoch ist wie die im nur eine Viertelstunde Fahrzeit entfernten Bernau.
Nach dem ernüchternden Gespräch zum Thema Arbeitslosigkeit ist Mittagspause angesagt. Für einen Restaurantbesuch fehlt die Zeit. Der Imbiss um die Ecke muss reichen. So gestärkt geht’s ins Brandenburgische Viertel, einen "sozialer Brennpunkt" wie er im Buche steht. Idyllisch im Wald gelegen entpuppt sich die Siedlung als klassische DDR-Plattenbauansammlung, in dem das Motto lautet: Wer sich’s leisten kann, zieht weg.
Unser Ziel ist die Kita "Arche Noah", die sich als wirklicher Rettungsanker für Kinder darstellt. Das Problem: Viele der Kinder kommen aus einem schwierigen familiären Umfeld. "Wenn wir mit den Kindern unterwegs sind und an der Kaufhalle stehen dann einige Eltern schon am Vormittag mit einer Flasche Bier in der Hand, ist das für die Kinder, aber auch die Erzieher nicht einfach", sagt eine der Betreuerinnen.
Nicht zuletzt deswegen wird der Scheck über 200 Euro, den Sabine Stüber im Namen des Vereins der Bundestagsfraktion Die Linke übergibt, gern genommen. Geplant ist damit ein Ausflug nach Waldsieversdorf in der Märkischen Schweiz, denn — kaum zu glauben, aber war: Einige der Kinder haben das Viertel noch nie verlassen.
Auf dem Rückweg ins Büro erzählt Sabine Stüber, dass sie früher selbst im Brandenburgischen Viertel gewohnt hat. "Das war gar nicht so schlecht", sagt sie. Ist aber auch mehr als zwei Jahrzehnte her...
Der nächste Termin sorgt für ein Lächeln im Gesicht der Abgeordneten. "Ach ja — der Kai Jahns kommt da." Jahns ist der Spiritus Rector des Eberswalder Zentrums für demokratische Kultur, Jugendarbeit und Schule. Der Künstler habe sich im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sehr verdient gemacht, lobt Sabine Stüber. Außerdem schaffe er es immer wieder, Kunst- und Kulturprojekte "in die Provinz" zu holen. Auch seine Initiative wird mit einem 200-Euro-Gutschein aus der Kasse bedacht, in die alle Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion monatlich 200 Euro einzahlen.
Im Anschluss wird über Kormorane, Biberfallen und die Probleme des Maisanbaus diskutiert: Sabine Stüber hat sich nämlich Andreas Reichling, den Vorsitzenden vom Nabu-Kreisverband Barnim eingeladen. Warum? "Ich will hören, was es dort für Probleme gibt", sagt sie. Schließlich sitzt Stüber im Bundestag nicht nur im Petitionsausschuss, sondern auch im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. "Wir brauchen dieses Feedback mit den Verbänden für unsere parlamentarische Arbeit", betont sie.
Inzwischen ist es 17.30 Uhr. Feierabend in Sicht? Nein, nicht wirklich. "Heute Abend tagt noch der Jugendhilfe-Ausschuss Barnim", sagt die Bundestagsabgeordnete, die sich eben auch stark für die Kommunalpolitik engagiert. Langeweile, das kann ich nach meinen Erfahrungen des Tages mit Fug und Recht behaupten, haben Abgeordneten auch in sitzungsfreien Wochen nicht. (hau)