*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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2.2          Die Globalisierung der Finanzmärkte: Fakten und Hintergründe3

2.2.1       Fakten zur Globalisierung der Finanzmärkte

Die Entwicklung der Finanzmärkte ist seit der Liberalisierung Mitte der 70er Jahre geradezu spektakulär. Dies wird v. a. dann deutlich, wenn sie mit der Entwicklung anderer ökonomischer Größen verglichen wird.

Während in den 90er Jahren das Bruttoinlandsprodukt weltweit um fast 50 Prozent zunahm, haben sich die Direktinvestitionen mehr als verfünffacht. Die Bestände an Derivaten4 sind Ende der 90er Jahre sogar mehr als zehn mal höher als zu Beginn des Jahrzehnts. Besonders die so genannten innovativen Finanzinstrumente haben zum Wachstum der Umsätze auf den Finanzmärkten beigetragen.

Die hohe Liquidität auf den globalen Finanzmärkten kommt auch in den Daten über die täglichen Umsätze auf Devisenmärkten zum Ausdruck. Diese stiegen von 600 Milliarden US-Dollar Ende der 80er Jahre auf bis zu 1,5 Billionen US-Dollar vor Bildung des Euro-Raums; seither sind sie rückläufig, ihr Niveau liegt heute bei 1,2 Billionen US-Dollar (BIZ 2001b: 39), da zwischen den am Euro beteiligten elf Ländern Devisenumsätze in Euro-Währungen entfallen sind.

   Der auf die Bildung des Euro zurückzuführende Rückgang wird von der Bank für Internationalen Zahlungs­ ausgleich auf sechs Prozent der weltweiten Umsätze im Devisenhandel beziffert (BIZ 2001b: 40). Zum Umsatz des Welthandels und der Direktinvestitionen würden drei bis fünf Prozent der vorhandenen Liquidität ausreichen (BIZ 2001a: 111; von Umsätzen zur Absicherung „real-ökonomischer“ Transaktionen, deren Höhe schwer erfass­ bar ist, abgesehen). Mehr als 90 Prozent der Devisenumsätze finden innerhalb des Finanzsektors selbst statt. Dies hat, wie von Bankenseite immer wieder betont wird, den großen Vorteil, dass kurzfristig unterschiedliche Liquiditätslagen schnell und problemlos in Arbitrage-Geschäften ausgeglichen werden können. Daher sei die Volatilität der Kurse und Zinsen geringer als auf einem weniger liquiden globalen Devisenmarkt. Doch ist umgekehrt die hohe Liquidität mitverantwortlich für die von der BIZ immer wieder festgestellte hohe Volatilität auf den meisten Währungsmärkten. Vom Internationalen Währungsfonds wird oben­ drein hervorgehoben, dass „Regulierungsarbitrage“ (IWF 2002: 3) im Handel mit Kreditrisiken einerseits die Markt­ effizienz steigern kann, andererseits aber erhebliche Gefährdungen für die Stabilität der globalen Finanzmärkte enthält, wie der Enron-Kollaps deutlich werden ließ.

Die Halter der Liquidität (das heißt Geldvermögensbesitzer, also Banken, große Fonds, transnationale Unternehmen etc.) versuchen, diese höchst rentierlich anzulegen und dabei die Kurs- und Zinsdifferenzen auf globalen Märkten durch zumeist kurzfristige Engagements auszunutzen. Die hohe Volatilität von Kursen innerhalb der Triade US-Dollar, Euro und Yen sowie die hohe Volatilität der Währungskurse von Schwellen- und Entwicklungsländern wirken sich nachteilig für längerfristige Engagements (Direktinvestitionen) generell und – wie die UNCTAD beklagt – für Schwellen- und Entwicklungsländer spe­ ziell aus. Denn der Effekt volatiler Kurse auf die Leis­ tungs­ bilanz ist groß, die Möglichkeiten der Einfluss­ nahme auf die Devisenmärkte hingegen ist dann sehr gering, wenn sich die betroffenen Länder für die Öffnung Ihres Kapitalmarktes entschieden haben.

Die rasante Entwicklung der globalen Finanzmärkte wäre ohne die Öffnung der nationalen Finanzmärkte (und ohne die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien) nicht möglich gewesen. In den 70er Jahren gingen die Industrieländer bei der Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte voran. In den 80er Jahren folgten Entwicklungsländer, die sich in den 70er Jahren zum Teil in hohem Maße gegenüber privaten Kreditgebern verschuldet hatten. Zunächst erfolgte die Kreditaufnahme zu günstigen Zinssätzen. Denn die Liquidität der internationalen Kreditmärkte war infolge des „Recycling der Petrodollar“ (Rückführung der hohen Einnahmen der Erdölproduzenten infolge des „Erdölpreisschocks“ von 1973 ins globale Finanzsystem) und der geringen Kreditnachfrage aus den Industrieländern, die im gleichen Zeitraum in eine strukturelle wirtschaftliche Krise geraten waren, sehr hoch.

   Ab 1979 stiegen die (realen) Zinssätze aber aus verschiedenen Gründen (vgl. Kapitel 2.3),so dass die Belastung des Schuldendienstes in die Schuldenkrise der Entwicklungsländer führte. Mexiko macht im August 1982 mit der Einstellung von Zahlungen den Anfang; kurze Zeit später folgten viele andere Entwicklungsländer. Sie konnten die Last des Schuldendienstes nicht mehr tragen. Nicht nur die hohen Zinssätze der externen Kredite waren für die Krise verantwortlich, auch die unzureichenden Renditen der mit den externen Krediten finanzierten Projekte unterminierten die Schuldendienstfähigkeit – wenn das aufgenommene Fremdkapital nicht sowieso für konsumtive Zwecke (Luxusimporte, Rüstungsausgaben) verwendet wurde oder per Kapitalflucht einer besitzenden Schicht (wie vor allem in Mexiko und Argentinien) wieder bei Unternehmen und Banken in den Industrieländern angekommen war.

Die Politik der Strukturanpassung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank war die Antwort. Diese Politik, später als „Konsens von Washington“ bezeichnet (vgl. Kasten 2-2),hat den verschuldeten Ländern die Integration in die Weltwirtschaft, also die Öffnung von bis dahin weitgehend geschlossenen Wirtschaften (und in manchen Fällen auch von Gesellschaften und politischen Systemen) abverlangt. Hinzu kam die Politik der Handelsliberalisierung mit ihren Auswirkungen auf die Finanzmärkte, die von GATT und später WTO, von der OECD und den Regierungen der Industrieländer von den „Partnern“ des Freihandels verlangt worden war. Kapitalverkehrsbeschränkungen wurden ebenso abgebaut wie Handelshemmnisse auf Güter- und Dienstleistungsmärkten.

Infolge des Zusammenbruchs des Ostblocks und im Verlauf des sich anschließenden Transformationsprozesses wandelten sich nach 1989 die bis dahin ebenfalls gegenüber dem Weltmarkt weitgehend abgeschotteten Planwirtschaften Mittel- und Osteuropas zu offenen Marktwirtschaften. Seit Beginn der 90er Jahre ist also von globalen Finanzmärkten zu sprechen, zumal die Informations- und Kommunikationstechnologien gerade in dieser Zeit die Globalisierung der Finanzmärkte mehr als beschleunigt haben.

Zwar hat die Globalisierung der Wirtschaft eine lange Vorgeschichte. Doch kann mit Fug und Recht gesagt werden, dass seit der Integration Mittel- und Osteuropas „alle Welt“ den gleichen Tendenzen der finanziellen Globalisierung ausgesetzt ist. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass die lokalen und nationalen Ausprägungen der Globalisierung sehr verschieden sein können.



3 Vgl. hierzu das Minderheitenvotum der CDU/CSU-Fraktion in Kapitel 11.1.7.1.

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4 Nach dem Online-Glossar der Deutschen Bundesbank (http://www.bundesbank.de/de/presse/glossar/f.htm 13. Mai 2002) sind Finanzderivate „Finanzinstrumente, deren eigener Wert aus dem Marktpreis eines oder mehrerer originärer Basisinstrumente abgeleitet ist. Allen derivativen Instrumenten gemeinsam ist ein auf die Zukunft gerichtetes Vertragselement, das als Kauf- bzw. Verkaufsverpflichtung oder aber als Option ausgestaltet sein kann. Der Gewinn bzw. Verlust aus einem Derivate-Geschäft hängt davon ab, wie sich der Marktpreis im Vergleich zum vereinbarten Preis tatsächlich entwickelt.“

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Tabelle 2-1











Abbildung 2-3

Abbildung 2-4