2.5
Empfehlungen zu den globalen Finanzmärkten50
Empfehlung
2-1 Geldwäsche
wirksam bekämpfen
Die FATF muss
die „40 Empfehlungen“ zur Bekämpfung der
Geldwäsche in Bezug zu elektronischem Banking und
elektronischem Geld sowie in Bezug zu Derivaten und Countertrade
weiterentwickeln. Auch müssen vermehrt den Offshore-Zentren
mit besonderen Rechtssystemen sowie den Gebieten mit rechtlicher
Sonderstellung innerhalb von Mitgliedsländern der OECD
Aufmerksamkeit geschenkt und Geldwäscheaktivitäten durch
wirksame Regulationen unterbunden werden. Die
Geldwäsche-Richtlinie der EU und die Vorschläge der
Konferenz der Parlamente der Europäischen Union vom 8. Februar
2002 zum koordinierten Vorgehen der EU gegenüber nicht
kooperativen
Ländern und Territorien sollen als Richtschnur bei der
Bekämpfung der Geldwäsche dienen:
(1) Eine höhere Transparenz der
Kapitalbewegungen ist angesichts der zumeist elektronischen
Abwicklung erreichbar, wenn entsprechende Filter in die
Abrechnungssysteme eingebaut werden. Dazu müssen Regeln unter
Beachtung der Europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten entwickelt werden.
(2) Darüber hinaus müssen die
Privilegien bestimmter Berufsgruppen (Treuhänder, Notare etc.)
überprüft und die Möglichkeiten der Registrierung
von Kapitalbewegungen erweitert werden.
(3) Sanktionen gegen nicht kooperierende
Länder und Territorien (Offshore-Finanzzentren) sind
notwendig. Dazu gehören auch die Verpflichtung von Unternehmen
zur systematischen Meldung von Geschäftskontakten mit
nicht-kooperativen Offshore-Zentren sowie die Einführung von
Auflagen, Beschränkungen, Zusatzgebühren oder Verboten
bei Operationen von Finanzinstituten und anderen Akteuren mit der
in der Liste der OECD geführten nicht kooperativen Off
shore-Zentren. Ähnlich wie das von der Weltbank geführte
Register von Unternehmen, die der Korruption überführt
worden sind, soll ein öffentlich einsehbares Register von
Unternehmen, die mit nicht-kooperativen Offshore-Zentren
Geschäftsbeziehungen unterhalten, eingerichtet werden.
(4) Die gerichtliche, polizeiliche und
administrative Zusammenarbeit muss verbessert werden, um die
Ausnutzung von „Special Jurisdictions“ zu
Geldwäsche-Aktivitäten zu unterbinden. Auch die
Kooperation bei der Bankaufsicht muss angesichts der globalen
Reichweite von Netzwerken der organisierten Kriminalität oder
von Terrorgruppen über nationale Grenzen hinweg intensiviert
werden, insbesondere angesichts der wachsenden Bedeutung des
elektronischen Zahlungsverkehrs. Eine Harmonisierung der
Straftatbestände bei Finanzdelikten ist ebenso notwendig wie
die Einführung einer Regelung der Beweislastumkehr für
die Herkunft von Geldern aus einer Straftat unter Beachtung der
Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten. Es ist zu begrüßen, dass in Deutschland
die schwere Steuerhinter ziehung Straftatbestand geworden ist
und damit die Beweislast für die Herkunft strittigen Geldes
beim Steuerpflichtigen und nicht bei den
Strafverfolgungsbehörden liegt.
(5) Bankaufsichtliche Vorschriften
müssen über eine Begrenzung von Bargeschäften (wie
in Deutschland) hinaus die Einführung einer
Genehmigungspflicht für Finanzdienstleistungen, darunter auch
für Clearing- und Wertpapierhäuser, vorsehen.
Auch gilt es, diejenigen, die
Geldwäschefälle öffentlich machen
(„Whistleblowers“), gegen Repressalien
(Arbeitsplatzverluste, Einkommenseinbußen etc.) durch
gesetzliche Maßnahmen zu schützen.
Empfehlung
2-2
Kreditversorgung kleiner und mittlerer Unternehmen und breiter
Schichten der Bevölkerung sichern (Basel II)
Die Enquete-Kommission empfiehlt der
Bundesregierung, einer Neufassung der derzeit beim Baseler
Ausschuss verhandelten Eigenkapitalvorschriften für
Kreditinstitute nicht zuzustimmen, wenn nicht sichergestellt ist,
dass die Vorschläge insgesamt zu keiner höheren
Kreditkostenbelastung der Gesamtwirtschaft und der kleinen und
mittleren Unternehmen (KMU) führen. Deswegen sollen die
Ergebnisse einer empirisch nachvollziehbaren weiteren
Auswirkungsstudie (Quantitative Impact Study), die derzeit in
Arbeit ist, abgewartet werden. Die deutsche
Verhandlungsführung soll insbesondere auf eine bessere
Einstufung langfristiger Kredite und Unternehmensbeteiligungen
sowie die Anerkennung bewährter Kreditsicherheiten des
Mittelstandes dringen.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die
öffentlichen Förderprogramme zur Finanzierung von KMU,
insb. die Förderprogramme für Existenzgründungen,
für Klein-unternehmen einschließlich des Handwerks, die
Mikro finanzierungsprogramme sowie die Programme zur
Verbesserung der Eigenkapitalsituation z. B. durch Beteiligungen
angesichts der absehbaren bzw. eventu ellen
Veränderungen durch den Baseler Ausschuss grundsätzlich
zu überprüfen und ggf. den neuen Gegebenheiten
anzupassen.
Empfehlung
2-3 Die Interessen
aller gesellschaftlichen Gruppen am Unternehmen angemessen
berücksichtigen
Die Regeln guter Unternehmensführung
sowie eine hohe Transparenz der Geschäftstätigkeit sind
entsprechend den OECD-Leitsätzen zur „Corporate
Governance“ strikt zu beachten. Das wirtschaftliche, soziale,
politische und ökologische Umfeld von Unternehmen ist für
den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ebenso wichtig wie
ein gutes Management. Daher ist dafür Sorge zu tragen, dass
gegenüber den Interessen der Aktionäre (Share
holder) auch die Interessen anderer Gruppen am Unternehmen
(„Stakeholder“) berücksichtigt werden, da sie von
dessen wirtschaftlicher Lage betroffen sind. Dazu gehören die
Beschäftigten, aber auch Lieferanten und Kunden, die Kommunen,
Anwohner etc.
Empfehlung
2-4 Das Financial
Stability Forum weiterentwickeln
Die Enquete-Kommission unterstützt
mit Nachdruck die vorgeschlagenen Maßnahmen des Financial
Stability Forum zur Reduzierung der Volatilität von
Kapitalbewegungen. Finanzielle Stabilität und Integrität
des Finanzsys tems sind ein globales öffentliches Gut,
das durch angemessene Politik der nationalen Regierungen,
informeller Gremien und Internationaler Organisationen bereit
gestellt werden muss.
Die
Vorschläge des FSF sollen aufgegriffen und weiterentwickelt
werden: Verbessertes Risiko-Monitoring und - Management, höhere
Transparenz, ein Kredit- und Unternehmensregister, um Transparenz
bezüglich der Geldgeber der hoch spekulativen Fonds
herzustellen, bessere und verlässlichere Daten, die
Vereinheitlichung von Standards und „Sound Practices“.
Auch sollen die Anforderungen an die Unterlegung mit Eigenkapital
so gestaltet werden, dass in den nicht-kooperativen OFC angelegtes
Kapital in die höchste Risikoklasse eingestuft werden
muss.
Empfehlung
2-5 Den Einfluss
informeller Politik begrenzen
Obwohl
informelle Gremien derzeit einen unverzichtbaren Beitrag zur
internationalen Politik („ad-hoc-Politik“, wie im Falle
des FSF – vgl.
Kasten 2-3)leisten, darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass
die Legitimität brüchig ist, zumal wenn sie zu einer
Dauereinrichtung werden und dann eine Art nicht-legitimierter
Nebenregierung darstellen. Die informellen Gremien (z.B. der
Baseler Ausschuss, das Financial Stability Forum, die diversen
„Gruppen“ – G7, G10, G20) sollten, so weit es
möglich und sinnvoll ist, formalisiert und demokratisch, d. h.
transparent und kontrollierbar durch die dazu berufenen Organe,
also insbesondere die Parlamente, gestaltet werden. Dabei geht es
auch um verbesserte Transparenz der Finanzierung. Die
Bundesregierung wird – auch unter Berücksichtigung der
jüngsten Erfahrungen mit Gipfelkonferenzen –
aufgefordert, in diesem Sinne aktiv zu werden.
Empfehlung
2-6 Einen
einheitlichen, europä-ischen Finanzmarkt schaffen
Die
Enquete-Kommission fordert den Deutschen Bundestag, die
Bundesregierung und die EU-Kommis sion auf, sich
dafür einzusetzen, dass die Formierung und Regulierung eines
europäischen Finanzmarktes den Anforderungen an ein
demokratisches und sozialstaatliches Entwicklungsmodell in
Europa Rechnung tragen.
Das erfordert insbesondere:
– den
Machtmissbrauch marktbeherrschender Finanz institutionen
durch Einsatz des wettbewerbspoli tischen Instrumentariums zu
verhindern,
– zur Sicherung
der strukturpolitischen Handlungsfähigkeit und
Gewährleistung einer regional um fassenden Geld- und
Kreditversorgung für eine ausgewogene Bankenstruktur von
Privatbanken, Genossenschaftsbanken und öffentlich-rechtlichen
Banken wie Sparkassen und Landesbanken zu sorgen,
– die Systeme der
sozialen Sicherheit in Europa so auszugestalten, dass sie vor den
Risiken der Finanzmärkte abgeschirmt bleiben,
– durch eine
verbindliche und schnelle Abstimmung bei der Zins- und der
Unternehmensbesteuerung den schädlichen Steuerwettbewerb zu
verhindern und eine solidarische Steuerpolitik zu
betreiben.
Empfehlung
2-7
Stabilitäts-, Beschäftigungs- und Wachstumspolitik in der
Europäischen Währungsunion besser verzahnen
Die Enquete-Kommission bewertet die
Bildung der Europäischen Währungsunion insgesamt als
historischen Fortschritt. Sie ist auch der Auffassung, dass mit dem
Übergang zur Euro-Währung Chancen für eine
Koordinierung der Geld-, Währungs- und Finanzpolitik gewachsen
sind, um nicht nur das Ziel der Geldwertstabilität zu
verfolgen, sondern auch die Beschäftigung im Euro-Raum zu
för -dern. Mit der Bildung der Europäischen
Währungsunion sind auch die Chancen gestiegen, die
Wechselkurspolitik zwischen den großen
Währungsblöcken besser zu koordinieren.
Die Enquete-Kommission hält es
angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Euro-Raum für
unabdingbar, das Mandat der Europäischen Zentralbank diesen
Gegebenheiten anzupassen und so zu erweitern, dass neben dem
stabilitätspolitischen Ziel auch beschäftigungs- und
wachstumspolitische Ziele verfolgt werden müssen. Schon jetzt
sollten die im Art. 105 gegebenen Möglichkeiten der
wirtschaftspolitischen Abstimmung zwischen Europäischer
Zentralbank und Regierungen der Mitgliedsländer verstärkt
ausgeschöpft werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in
diese Richtung bei Achtung und Beachtung der Unabhängigkeit
der EZB initiativ zu werden.
Empfehlung
2-8 Für die
Einführung einer Devisen transaktionssteuer und die
Aufrechterhaltung von Möglichkeiten zur Kontrolle
kurzfristiger Kapitalbewegungen
Die Enquete-Kommission empfiehlt der
Bundesregierung, sich zunächst auf europäischer und dann
auf internationaler Ebene für die Einführung einer
Devisentransaktionssteuer einzusetzen.
Kapitalverkehrskontrollen sind
Möglichkeiten, die einzelne Länder zum Schutz gegen
spekulatives kurzfristiges Kapital ergreifen können. Es hat
sich in den jüngsten Finanzkrisen gezeigt, dass dies sinnvoll
ist. Zu empfehlen ist daher, die währungspolitische
Souveränität – sofern keine (regionale)
Währungsunion geplant ist – aufrecht zu erhalten und
– der Situation angemessene – Schutzmaß
nahmen gegen Finanzkrisen vorzuhalten. Diese sollten so gestaltet
sein, dass sie die Offenheit der jeweiligen Volkswirtschaften nicht
in Frage stellen.
Empfehlung
2-9 Die Beteiligung
des privaten Sektors („Private Sector Involvement“) bei
der Vorbeugung und Bewältigung von Finanzkrisen
stärken
Um zu
erreichen, dass Anleger das Risiko ihrer Anlagen korrekt bewerten
und in ihre Entscheidungen mit einbeziehen, müssen nicht nur
Schuldner, sondern auch Gläubiger in einer Kreditbeziehung
Verantwortung tragen. Daher sollen Kreditgeber in ausgehandeltem
(und daher bei Eingehung der Kreditbeziehung transparentem)
Maße an den Kosten einer eventuellen Schuldenrestrukturierung
(z. B. in Form von Umschuldungsklauseln, einer Kreditversicherung
etc.) beteiligt werden. Der IWF sollte die Beteiligung des
Privatsektors an der Krisenbewältigung zur Voraussetzung
für den Einsatz öffentlicher Mittel (Kredite
internationaler Institutionen oder bilaterale Kredite) machen.
Kreditgeber, die ihren Verpflichtungen bei einer vereinbarten
Umschuldung nicht nachkommen, sollten bei öffentlichen
Aufträgen, aber auch bei der Begebung von öffentlichen
Anleihen zeitweise ausgeschlossen werden.
Empfehlung 2-10
Offshore-Zentren zur Kooperation veranlassen
Es ist darauf
hinzuwirken, dass alle Offshore- und On shore-Zentren mit
speziellen Rechtssystemen („Special Jurisdiction“) die
OECD-Empfehlungen zur Kooperation von Offshore-Zentren mit den
internationalen Institutionen von Finanzaufsicht und Regulierung
übernehmen. Die nationale, europäische und internationale
Finanzaufsicht muss zu diesem Zweck verbessert und mit mehr
Kompetenzen ausgestattet werden. Unternehmen, die
Geschäftsbeziehungen zu nicht-kooperativen Offshore-Zentren
unterhalten, sollen härteren Eigenkapitalanforderungen
unterworfen werden und in ein spezielles und – aus
Gründen der Transparenz – öffentlich
zugängliches Unternehmensregister eingetragen werden.
Empfehlung 2-11
Verbesserte Aufsicht über Hedge-Fonds
Höhere
Eigenkapitalbindungen bei Geschäften mit hoher Hebelwirkung
würden risikoreiche spekulative Geschäfte verteuern. Eine
verbesserte internationale Aufsicht durch BIZ, OECD und IWF, die
auch die Offshore-Finanzzentren erfasst und jene Fonds
diskriminiert, die von nicht-kooperativen Offshore-Finanzzentren
aus ihre Geschäfte abwickeln, gehört dazu.
Empfehlung 2-12
Die Institutionen von Bretton Woods nicht schwächen, sondern
reformieren
Die
Institutionen von Bretton Woods sind nicht zu schwächen,
sondern zu stärken. Ihre Arbeitsteilung ist in dem Sinne zu
verbessern, dass der IWF für die Stabilisierung der
Weltwährungsbeziehungen und die Überwindung akuter
Zahlungsbilanzkrisen, die Weltbank für längerfristige
Entwicklungsaufgaben zuständig ist. Anders als in den
Strukturanpassungsmaßnahmen der Vergangenheit (nach
Maßgabe des „Konsenses von Washington“)
müssen soziale und ökologische Belange
berücksichtigt und Formen der Partizipation der
Bevölkerung gefunden werden
(„Post-Washington-Konsens“). Die Institutionen von
Bretton Woods müssen, gerade weil sie so wichtig für eine
globale Öffentlichkeit sind, den Prinzipien der Transparenz,
Offenheit und Pluralität in den wissenschaftlichen
Ansätzen, in den Methoden und bei der Auswahl der Berater
verpflichtet werden. Mehr als in der Vergangenheit geschehen,
müssen sich die Institutionen der Kritik der
Zivilgesellschaft(en) stellen. So ist es möglich, eine
ökonomisch, sozial, ökologisch und politisch nachhaltige
Strategie für die Entwicklung der Weltwirtschaft zu verfolgen.
Die Einbeziehung der Betroffenen in Strukturanpassungsprogramme,
die zugesagte Ausrichtung der Weltbank an dem Ziel der
Armutsbekämpfung sowie die Einbindung von IWF und Weltbank in
nationale, unter Beteilung von Organisationen der Zivilgesell
schaft zustande gekommen Strategien der Armutsbekämpfung
(PRSP), ist zu begrüßen.
In Fortsetzung
dieser Politikleitlinie soll auch eine Demokratisierung der
Entscheidungsstrukturen in beiden Institutionen in dem Sinne
erfolgen, dass die Verteilung der Stimmrechte nicht nur die
wirtschaftliche Stärke der Mitgliedsländer, sondern auch
andere Kriterien wie die Bevölkerungszahl oder jene
Indikatoren berücksichtigt, wie sie im Human Development Index
zusammengefasst werden. Ziel einer Neuverteilung der Stimmrechte
ist ein Zwang zur Konsensbildung, so dass keine in den beiden
Organisationen vertreten Ländergruppe die andere dominieren
kann (vgl. hierzu auch Empfehlungen 10-6).
Die
Enquete-Kommission unterstützt daher alle Be
mühungen im IWF, künftig die Gläubiger in Programme
zur Krisenbewältigung mit einzubeziehen („Bail
in“). Der IWF darf nicht die Rolle einer Art kostenlosen
Risikover sicherung für Banken, Investmentfonds und
private Anleger in Entwicklungs- und Schwellenländern spielen,
also mit öffentlichen Geldern private Verluste kompensieren.
Die Leitlinie seiner Politik muss sich an den
Entwicklungsbedingungen von Ländern oder Regionen und an den
Lebensbedingungen der Menschen ausrichten, wenn Programme zur
Lösung von Schulden- und Finanzkrisen erarbeitet
werden.
Empfehlung 2-13
Gender Budgets
Die
Enquete-Kommission empfiehlt, auf allen Ebenen (international,
national, regional, lokal und auf der EU-Ebene) Budgetanalysen nach
Geschlecht aufzuschlüsseln, um sicherzustellen, dass Frauen
den gleichen Zugang zu den öffentlichen Mitteln haben wie
Männer. Diese Budgetinitiativen sind ein wichtiges Instrument,
um mehr Transparenz über die Verwendung staatlicher Mittel im
Sinne der Gleichstellung zu schaffen.
Dabei sind
folgende Schritte vorzunehmen: geschlechtsspezifische Analysen der
bestehenden Budgets; Berechnung und Formulierung von Gender-Budgets
in einem breiten Konsultationsprozess mit der Zivilgesellschaft;
Implementierung und Evaluierung von Gender-Budgets.
Zur
Vorbereitung von Gender-Budgets bedarf es der Einführung einer
disaggregierten, geschlechtsspezifischen Datenerhebung, des
gendersensitiven Trainings für Mitarbeiter der Finanz- und
Wirtschaftsverwaltung, der öffentlichen finanziellen
Unterstützung und des technischen Trainings für die
Gender-Budget Initiative.
Empfehlung 2-14
Nachhaltiges Investment unterstützen
Für
Investitionen, die nicht nur privatwirtschaftlichen sondern auch
ökologisch nachhaltigen und/oder sozialen Zielen folgen
(„nachhaltiges“ oder „ethisches“
Investment), sollen Transparenz-Kriterien entwickelt werden. Eine
regelmäßige Berichtspflicht aller Anlageformen über
die Beachtung dieser Kriterien ist anzustreben. Bei der staatlichen
Förderung von Investitionen, von Altersvorsorge oder von
anderen Förderungsobjekten sollen Nachhaltigkeits- Kriterien
angelegt werden.
Empfehlung 2-15
Die Mittel für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit
aufstocken
Die
Enquete-Kommission begrüßt die von der Bundesregierung
eingegangene Verpflichtung Deutschlands innerhalb der EU, den
Anteil der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf
zunächst 0,33 Prozent des BIP zu erhöhen. Dieser Wert
soll spätestens 2006 erreicht werden. Darüber hinaus
gehend fordert die Enquete-Kommission die Bundesregierung auf,
entsprechend den Beschlüssen des Europäischen Rates von
Goeteborg und Laaken und den Zusicherungen während der
Vorbereitungen der UN-Konferenz „Financing for
Development“, den UN-Zielwert für staatliche
Entwicklungszusammenarbeit von 0,7 Prozent des BIP so rasch wie
möglich zu erreichen und durch jährliche Erhöhung
der entsprechenden Mittel Rechnung zu tragen. Konkrete Fortschritte
zur Erreichung des Wertes sind im Rahmen von Zeitplänen
anzustreben. Langfristig soll ein Wert von ein Prozent des BIP
angestrebt werden. Der Bundestag wird aufgefordert, diese
Zielsetzung in den Haushaltsentscheidungen zu
berücksichtigen.
Zur
Verbesserung der Kohärenz internationaler Politik vgl.
Empfehlung 10-2, zur entwicklungspolitischen Global Governance vgl.
Empfehlung 10-12.
Empfehlung 2-16
Die HIPC-Initiative fortsetzen und Schuldendienst an der
Tragfähigkeit bemessen
Die
Entschuldung hochverschuldeter, armer Länder soll von Seiten
der Industrieländer weiter gefördert, die HIPC-
Initiative soll unter Beteiligung von zivilgesellschaftlichen
Organisationen mit der Zielsetzung der Armutsreduzierung
fortgesetzt werden.
Die
„Tragfähigkeit“ des Schuldendienstes (Zinsen und
Rückzahlungsbeträge) müsste heute, ähnlich wie
im
Londoner Schuldenabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland
nach dem Zweiten Weltkrieg, eine zentrale Rolle bei der Beurteilung
der „Überschuldung“ von Staaten spielen, um eine
ökonomische, soziale und politische Überforderung zu
vermeiden. Soziale und ökologische sowie frauenspezifische
Kriterien müssen bei der Erarbeitung des Konzepts
tragfähiger Verschuldung berücksichtigt werden. Die
für die hochverschuldeten armen Länder (HIPC) bereits
heute operationalisierte Kategorie der Tragfähigkeit soll auch
auf andere Entwicklungs- und möglicherweise auch
Schwellenländer in angepasster Weise ausgedehnt werden, um die
Transparenz des Schuldendienstes zu erhöhen. Dies kann
Schuldnern ebenso zu Gute kommen wie Kreditgebern und den Akteuren
der Entwicklungszusammenarbeit.
Empfehlung 2-17
Eine internationale Insolvenzregelung entwickeln
Die
Enquete-Kommission empfiehlt die Einrichtung eines internationalen
Insolvenzverfahrens für eine ge regelte und faire
Entschuldung von souveränen Schuldnern, die ihren
Verpflichtungen zum Schuldendienst nicht nachzukommen
vermögen. Über die Modalitäten eines solchen
Verfahrens sowie die institutionelle Ausgestaltung einer
Organisation zur Durchführung des Insolvenzverfahrens in
gebührender Unabhängigkeit von Schuldnern,
Gläubigern und internationalen Finanz institutionen soll
ein Einverständnis innerhalb der damit befassten
internationalen Organisationen (vor allem des IWF) und zwischen den
Regierungen der Indus trie- und Entwicklungsländer
gesucht werden. Die Enquete-Kommission ist der Überzeugung,
dass nur eine unabhängige Schiedsstelle mit neutralem Vorsitz
und bei paritätischer Beteiligung von Schuldnern und
Gläubigern, ausgestattet mit verbindlicher Entscheidungskraft,
in der Lage ist, die Aufgaben effizient und ohne Ansehung von
anderen In teressen als den in der Satzung des
Insolvenzverfahrens vorgesehenen (vor allem die Kriterien der
Tragfähigkeit des Schuldendienstes) zu erfüllen. Nur so
ist eine „ordentliche“ Lösung von schweren
Schulden- und Finanzkrisen („orderly debt work-out“)
möglich.
Empfehlung 2-18
Frauen in die Entwicklungsfinanzierung aktiv einbeziehen
Mikrokreditprogramme, insbesondere in Verbindung mit sozialer
Sicherung, Bildung und Gesundheitsvorsorge stellen eine
aussichtsreiche Alternative für Frauen dar und wurden auch in
der „Aktionsplattform von Beijing“ nachdrücklich
empfohlen. Diese müssen in der öffentlichen
Entwicklungszusammenarbeit weiterhin unterstützt werden.
Kredite für frauenspezifische Projekte sollen sub
ventioniert werden können. Die Hindernisse für Frauen als
Kreditnehmerinnen (in Bezug auf vorzuweisende
Kreditwürdigkeit, Eigenkapitalbeteiligung u.a.m.) müssen
abgebaut werden. Hier sind die bereits vorhandenen
geschlechtsspezifischen „Fenster“ der
Finanzinstitutionen und die entsprechenden
Sensibilisierungsmaßnahmen von Finanzinstituten von besonderer
Bedeutung. Sie sollten fortentwickelt werden. Dabei müssen
bestehende Programme ständig hinterfragt und dahingehend
analysiert und evaluiert werden, ob sie wirklich zur Verbesserung
der Situation von Frauen („Empowerment“)
beitragen.
50 Zu den Handlungsempfehlungen 2-1, 2-6 bis 2-10, 2-12,
2-13, 2-16 und 2-17 vgl. das Minderheitenvotum der CDU/CSU-Fraktion
in Kapitel 11.1.7.1.Vgl. auch die
ergänzenden Handlungsempfehlungen der PDS-Fraktion in Kapitel 11.3.2.
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