*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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2.5          Empfehlungen zu den globalen Finanzmärkten50

Empfehlung 2-1         Geldwäsche wirksam bekämpfen

Die FATF muss die „40 Empfehlungen“ zur Bekämpfung der Geldwäsche in Bezug zu elektronischem Banking und elektronischem Geld sowie in Bezug zu Derivaten und Countertrade weiterentwickeln. Auch müssen vermehrt den Offshore-Zentren mit besonderen Rechtssystemen sowie den Gebieten mit rechtlicher Sonderstellung innerhalb von Mitgliedsländern der OECD Aufmerksamkeit geschenkt und Geldwäscheaktivitäten durch wirksame Regulationen unterbunden werden. Die Geldwäsche-Richtlinie der EU und die Vorschläge der Konferenz der Parlamente der Europäischen Union vom 8. Februar 2002 zum koordinierten Vorgehen der EU gegenüber nicht    kooperativen Ländern und Territorien sollen als Richtschnur bei der Bekämpfung der Geldwäsche dienen:

(1) Eine höhere Transparenz der Kapitalbewegungen ist angesichts der zumeist elektronischen Abwicklung erreichbar, wenn entsprechende Filter in die Abrechnungssysteme eingebaut werden. Dazu müssen Regeln unter Beachtung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entwickelt werden.

(2) Darüber hinaus müssen die Privilegien bestimmter Berufsgruppen (Treuhänder, Notare etc.) überprüft und die Möglichkeiten der Registrierung von Kapitalbewegungen erweitert werden.

(3) Sanktionen gegen nicht kooperierende Länder und Territorien (Offshore-Finanzzentren) sind notwendig. Dazu gehören auch die Verpflichtung von Unternehmen zur systematischen Meldung von Geschäftskontakten mit nicht-kooperativen Offshore-Zentren sowie die Einführung von Auflagen, Beschränkungen, Zusatzgebühren oder Verboten bei Operationen von Finanzinstituten und anderen Akteuren mit der in der Liste der OECD geführten nicht kooperativen Off­ shore-Zentren. Ähnlich wie das von der Weltbank geführte Register von Unternehmen, die der Korruption überführt worden sind, soll ein öffentlich einsehbares Register von Unternehmen, die mit nicht-kooperativen Offshore-Zentren Geschäftsbeziehungen unterhalten, eingerichtet werden.

(4) Die gerichtliche, polizeiliche und administrative Zusammenarbeit muss verbessert werden, um die Ausnutzung von „Special Jurisdictions“ zu Geldwäsche-Aktivitäten zu unterbinden. Auch die Kooperation bei der Bankaufsicht muss angesichts der globalen Reichweite von Netzwerken der organisierten Kriminalität oder von Terrorgruppen über nationale Grenzen hinweg intensiviert werden, insbesondere angesichts der wachsenden Bedeutung des elektronischen Zahlungsverkehrs. Eine Harmonisierung der Straftatbestände bei Finanzdelikten ist ebenso notwendig wie die Einführung einer Regelung der Beweislastumkehr für die Herkunft von Geldern aus einer Straftat unter Beachtung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Es ist zu begrüßen, dass in Deutschland die schwere Steuerhinter­ ziehung Straftatbestand geworden ist und damit die Beweislast für die Herkunft strittigen Geldes beim Steuerpflichtigen und nicht bei den Strafverfolgungsbehörden liegt.

(5) Bankaufsichtliche Vorschriften müssen über eine Begrenzung von Bargeschäften (wie in Deutschland) hinaus die Einführung einer Genehmigungspflicht für Finanzdienstleistungen, darunter auch für Clearing- und Wertpapierhäuser, vorsehen.

Auch gilt es, diejenigen, die Geldwäschefälle öffentlich machen („Whistleblowers“), gegen Repressalien (Arbeitsplatzverluste, Einkommenseinbußen etc.) durch gesetzliche Maßnahmen zu schützen.

Empfehlung 2-2         Kreditversorgung kleiner und mittlerer Unternehmen und breiter Schichten der Bevölkerung sichern (Basel II)

Die Enquete-Kommission empfiehlt der Bundesregierung, einer Neufassung der derzeit beim Baseler Ausschuss verhandelten Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute nicht zuzustimmen, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Vorschläge insgesamt zu keiner höheren Kreditkostenbelastung der Gesamtwirtschaft und der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) führen. Deswegen sollen die Ergebnisse einer empirisch nachvollziehbaren weiteren Auswirkungsstudie (Quantitative Impact Study), die derzeit in Arbeit ist, abgewartet werden. Die deutsche Verhandlungsführung soll insbesondere auf eine bessere Einstufung langfristiger Kredite und Unternehmensbeteiligungen sowie die Anerkennung bewährter Kreditsicherheiten des Mittelstandes dringen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die öffentlichen Förderprogramme zur Finanzierung von KMU, insb. die Förderprogramme für Existenzgründungen, für Klein-unternehmen einschließlich des Handwerks, die Mikro­ finanzierungsprogramme sowie die Programme zur Verbesserung der Eigenkapitalsituation z. B. durch Beteiligungen angesichts der absehbaren bzw. eventu­ ellen Veränderungen durch den Baseler Ausschuss grundsätzlich zu überprüfen und ggf. den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Empfehlung 2-3         Die Interessen aller gesellschaftlichen Gruppen am Unternehmen angemessen berücksichtigen

Die Regeln guter Unternehmensführung sowie eine hohe Transparenz der Geschäftstätigkeit sind entsprechend den OECD-Leitsätzen zur „Corporate Governance“ strikt zu beachten. Das wirtschaftliche, soziale, politische und ökologische Umfeld von Unternehmen ist für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ebenso wichtig wie ein gutes Management. Daher ist dafür Sorge zu tragen, dass gegenüber den Interessen der Aktionäre (Share­ holder) auch die Interessen anderer Gruppen am Unternehmen („Stakeholder“) berücksichtigt werden, da sie von dessen wirtschaftlicher Lage betroffen sind. Dazu gehören die Beschäftigten, aber auch Lieferanten und Kunden, die Kommunen, Anwohner etc.

Empfehlung 2-4         Das Financial Stability Forum weiterentwickeln

Die Enquete-Kommission unterstützt mit Nachdruck die vorgeschlagenen Maßnahmen des Financial Stability Forum zur Reduzierung der Volatilität von Kapitalbewegungen. Finanzielle Stabilität und Integrität des Finanzsys­ tems sind ein globales öffentliches Gut, das durch angemessene Politik der nationalen Regierungen, informeller Gremien und Internationaler Organisationen bereit gestellt werden muss.

Die Vorschläge des FSF sollen aufgegriffen und weiterentwickelt werden: Verbessertes Risiko-Monitoring und -    Management, höhere Transparenz, ein Kredit- und Unternehmensregister, um Transparenz bezüglich der Geldgeber der hoch spekulativen Fonds herzustellen, bessere und verlässlichere Daten, die Vereinheitlichung von Standards und „Sound Practices“. Auch sollen die Anforderungen an die Unterlegung mit Eigenkapital so gestaltet werden, dass in den nicht-kooperativen OFC angelegtes Kapital in die höchste Risikoklasse eingestuft werden muss.

Empfehlung 2-5         Den Einfluss informeller Politik begrenzen

Obwohl informelle Gremien derzeit einen unverzichtbaren Beitrag zur internationalen Politik („ad-hoc-Politik“, wie im Falle des FSF – vgl. Kasten 2-3)leisten, darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass die Legitimität brüchig ist, zumal wenn sie zu einer Dauereinrichtung werden und dann eine Art nicht-legitimierter Nebenregierung darstellen. Die informellen Gremien (z.B. der Baseler Ausschuss, das Financial Stability Forum, die diversen „Gruppen“ – G7, G10, G20) sollten, so weit es möglich und sinnvoll ist, formalisiert und demokratisch, d. h. transparent und kontrollierbar durch die dazu berufenen Organe, also insbesondere die Parlamente, gestaltet werden. Dabei geht es auch um verbesserte Transparenz der Finanzierung. Die Bundesregierung wird – auch unter Berücksichtigung der jüngsten Erfahrungen mit Gipfelkonferenzen – aufgefordert, in diesem Sinne aktiv zu werden.

Empfehlung 2-6         Einen einheitlichen, europä-ischen Finanzmarkt schaffen

Die Enquete-Kommission fordert den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung und die EU-Kommis­ ­ sion auf, sich dafür einzusetzen, dass die Formierung und Regulierung eines europäischen Finanzmarktes den Anforderungen an ein demokratisches und sozialstaat­liches Entwicklungsmodell in Europa Rechnung tragen.

Das erfordert insbesondere:

–    den Machtmissbrauch marktbeherrschender Finanz­ institutionen durch Einsatz des wettbewerbspoli­ tischen Instrumentariums zu verhindern,

–    zur Sicherung der strukturpolitischen Handlungsfähigkeit und Gewährleistung einer regional um­ fassenden Geld- und Kreditversorgung für eine ausgewogene Bankenstruktur von Privatbanken, Genossenschaftsbanken und öffentlich-rechtlichen Banken wie Sparkassen und Landesbanken zu sorgen,

–    die Systeme der sozialen Sicherheit in Europa so auszugestalten, dass sie vor den Risiken der Finanzmärkte abgeschirmt bleiben,

–    durch eine verbindliche und schnelle Abstimmung bei der Zins- und der Unternehmensbesteuerung den schädlichen Steuerwettbewerb zu verhindern und eine solidarische Steuerpolitik zu betreiben.

Empfehlung 2-7         Stabilitäts-, Beschäftigungs- und Wachstumspolitik in der Europäischen Währungsunion besser verzahnen

Die Enquete-Kommission bewertet die Bildung der Europäischen Währungsunion insgesamt als historischen Fortschritt. Sie ist auch der Auffassung, dass mit dem Übergang zur Euro-Währung Chancen für eine Koordinierung der Geld-, Währungs- und Finanzpolitik gewachsen sind, um nicht nur das Ziel der Geldwertstabilität zu verfolgen, sondern auch die Beschäftigung im Euro-Raum zu för­ -dern. Mit der Bildung der Europäischen Währungsunion sind auch die Chancen gestiegen, die Wechselkurspolitik zwischen den großen Währungsblöcken besser zu koordinieren.

Die Enquete-Kommission hält es angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Euro-Raum für unabdingbar, das Mandat der Europäischen Zentralbank diesen Gegebenheiten anzupassen und so zu erweitern, dass neben dem stabilitätspolitischen Ziel auch beschäftigungs- und wachstumspolitische Ziele verfolgt werden müssen. Schon jetzt sollten die im Art. 105 gegebenen Möglichkeiten der wirtschaftspolitischen Abstimmung zwischen Europäischer Zentralbank und Regierungen der Mitgliedsländer verstärkt ausgeschöpft werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in diese Richtung bei Achtung und Beachtung der Unabhängigkeit der EZB initiativ zu werden.

Empfehlung 2-8         Für die Einführung einer Devisen­ transaktionssteuer und die Aufrechterhaltung von Möglichkeiten zur Kontrolle kurzfristiger Kapitalbewegungen

Die Enquete-Kommission empfiehlt der Bundesregierung, sich zunächst auf europäischer und dann auf internationaler Ebene für die Einführung einer Devisentransaktionssteuer einzusetzen.

Kapitalverkehrskontrollen sind Möglichkeiten, die einzelne Länder zum Schutz gegen spekulatives kurzfristiges Kapital ergreifen können. Es hat sich in den jüngsten Finanzkrisen gezeigt, dass dies sinnvoll ist. Zu empfehlen ist daher, die währungspolitische Souveränität – sofern keine (regionale) Währungsunion geplant ist – aufrecht zu erhalten und – der Situation angemessene – Schutzmaß­ nahmen gegen Finanzkrisen vorzuhalten. Diese sollten so gestaltet sein, dass sie die Offenheit der jeweiligen Volkswirtschaften nicht in Frage stellen.

Empfehlung 2-9         Die Beteiligung des privaten Sektors („Private Sector Involvement“) bei der Vorbeugung und Bewältigung von Finanzkrisen stärken

Um zu erreichen, dass Anleger das Risiko ihrer Anlagen korrekt bewerten und in ihre Entscheidungen mit einbeziehen, müssen nicht nur Schuldner, sondern auch Gläubiger in einer Kreditbeziehung Verantwortung tragen. Daher sollen Kreditgeber in ausgehandeltem (und daher bei    Eingehung der Kreditbeziehung transparentem) Maße an den Kosten einer eventuellen Schuldenrestrukturierung (z. B. in Form von Umschuldungsklauseln, einer Kreditversicherung etc.) beteiligt werden. Der IWF sollte die Beteiligung des Privatsektors an der Krisenbewältigung zur Voraussetzung für den Einsatz öffentlicher Mittel (Kredite internationaler Institutionen oder bilaterale Kredite) machen. Kreditgeber, die ihren Verpflichtungen bei einer vereinbarten Umschuldung nicht nachkommen, sollten bei öffentlichen Aufträgen, aber auch bei der Begebung von öffentlichen Anleihen zeitweise ausgeschlossen werden.

Empfehlung 2-10       Offshore-Zentren zur Kooperation veranlassen

Es ist darauf hinzuwirken, dass alle Offshore- und On­ shore-Zentren mit speziellen Rechtssystemen („Special Jurisdiction“) die OECD-Empfehlungen zur Kooperation von Offshore-Zentren mit den internationalen Institutionen von Finanzaufsicht und Regulierung übernehmen. Die nationale, europäische und internationale Finanzaufsicht muss zu diesem Zweck verbessert und mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen zu nicht-kooperativen Offshore-Zentren unterhalten, sollen härteren Eigenkapitalanforderungen unterworfen werden und in ein spezielles und – aus Gründen der Transparenz – öffentlich zugängliches Unternehmensregister eingetragen werden.

Empfehlung 2-11       Verbesserte Aufsicht über Hedge-Fonds

Höhere Eigenkapitalbindungen bei Geschäften mit hoher Hebelwirkung würden risikoreiche spekulative Geschäfte verteuern. Eine verbesserte internationale Aufsicht durch BIZ, OECD und IWF, die auch die Offshore-Finanzzentren erfasst und jene Fonds diskriminiert, die von nicht-kooperativen Offshore-Finanzzentren aus ihre Geschäfte abwickeln, gehört dazu.

Empfehlung 2-12       Die Institutionen von Bretton Woods nicht schwächen, sondern reformieren

Die Institutionen von Bretton Woods sind nicht zu schwächen, sondern zu stärken. Ihre Arbeitsteilung ist in dem Sinne zu verbessern, dass der IWF für die Stabilisierung der Weltwährungsbeziehungen und die Überwindung akuter Zahlungsbilanzkrisen, die Weltbank für längerfristige Entwicklungsaufgaben zuständig ist. Anders als in den Strukturanpassungsmaßnahmen der Vergangenheit (nach Maßgabe des „Konsenses von Washington“) müssen soziale und ökologische Belange berücksichtigt und Formen der Partizipation der Bevölkerung gefunden werden („Post-Washington-Konsens“). Die Institutionen von Bretton Woods müssen, gerade weil sie so wichtig für eine globale Öffentlichkeit sind, den Prinzipien der Transparenz, Offenheit und Pluralität in den wissenschaftlichen Ansätzen, in den Methoden und bei der Auswahl der Berater verpflichtet werden. Mehr als in der Vergangenheit geschehen, müssen sich die Institutionen der Kritik der Zivilgesellschaft(en) stellen. So ist es möglich, eine ökonomisch, sozial, ökologisch und politisch nachhaltige Strategie für die Entwicklung der Weltwirtschaft zu verfolgen. Die Einbeziehung der Betroffenen in Strukturanpassungsprogramme, die zugesagte Ausrichtung der Weltbank an dem Ziel der Armutsbekämpfung sowie die Einbindung von IWF und Weltbank in nationale, unter Beteilung von Organisationen der Zivilgesell­ schaft zustande gekommen Strategien der Armutsbekämpfung (PRSP), ist zu begrüßen.

In Fortsetzung dieser Politikleitlinie soll auch eine Demokratisierung der Entscheidungsstrukturen in beiden Institutionen in dem Sinne erfolgen, dass die Verteilung der Stimmrechte nicht nur die wirtschaftliche Stärke der Mitgliedsländer, sondern auch andere Kriterien wie die Bevölkerungszahl oder jene Indikatoren berücksichtigt, wie sie im Human Development Index zusammengefasst werden. Ziel einer Neuverteilung der Stimmrechte ist ein Zwang zur Konsensbildung, so dass keine in den beiden Organisationen vertreten Ländergruppe die andere dominieren kann (vgl. hierzu auch Empfehlungen 10-6).

Die Enquete-Kommission unterstützt daher alle Be­ mühungen im IWF, künftig die Gläubiger in Programme zur Krisenbewältigung mit einzubeziehen („Bail in“). Der IWF darf nicht die Rolle einer Art kostenlosen Risikover­ sicherung für Banken, Investmentfonds und private Anleger in Entwicklungs- und Schwellenländern spielen, also mit öffentlichen Geldern private Verluste kompensieren. Die Leitlinie seiner Politik muss sich an den Entwicklungsbedingungen von Ländern oder Regionen und an den Lebensbedingungen der Menschen ausrichten, wenn Programme zur Lösung von Schulden- und Finanzkrisen erarbeitet werden.

Empfehlung 2-13       Gender Budgets

Die Enquete-Kommission empfiehlt, auf allen Ebenen (international, national, regional, lokal und auf der EU-Ebene) Budgetanalysen nach Geschlecht aufzuschlüsseln, um sicherzustellen, dass Frauen den gleichen Zugang zu den öffentlichen Mitteln haben wie Männer. Diese Budgetinitiativen sind ein wichtiges Instrument, um mehr Transparenz über die Verwendung staatlicher Mittel im Sinne der Gleichstellung zu schaffen.

Dabei sind folgende Schritte vorzunehmen: geschlechtsspezifische Analysen der bestehenden Budgets; Berechnung und Formulierung von Gender-Budgets in einem breiten Konsultationsprozess mit der Zivilgesellschaft; Implementierung und Evaluierung von Gender-Budgets.

Zur Vorbereitung von Gender-Budgets bedarf es der Einführung einer disaggregierten, geschlechtsspezifischen Datenerhebung, des gendersensitiven Trainings für Mitarbeiter der Finanz- und Wirtschaftsverwaltung, der öffentlichen finanziellen Unterstützung und des technischen Trainings für die Gender-Budget Initiative.

Empfehlung 2-14       Nachhaltiges Investment unterstützen

Für Investitionen, die nicht nur privatwirtschaftlichen sondern auch ökologisch nachhaltigen und/oder sozialen    Zielen folgen („nachhaltiges“ oder „ethisches“ Investment), sollen Transparenz-Kriterien entwickelt werden. Eine regelmäßige Berichtspflicht aller Anlageformen über die Beachtung dieser Kriterien ist anzustreben. Bei der staatlichen Förderung von Investitionen, von Altersvorsorge oder von anderen Förderungsobjekten sollen Nachhaltigkeits- Kriterien angelegt werden.

Empfehlung 2-15       Die Mittel für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufstocken

Die Enquete-Kommission begrüßt die von der Bundesregierung eingegangene Verpflichtung Deutschlands innerhalb der EU, den Anteil der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auf zunächst 0,33 Prozent des BIP zu erhöhen. Dieser Wert soll spätestens 2006 erreicht werden. Darüber hinaus gehend fordert die Enquete-Kommission die Bundesregierung auf, entsprechend den Beschlüssen des Europäischen Rates von Goeteborg und Laaken und den Zusicherungen während der Vorbereitungen der UN-Konferenz „Financing for Development“, den UN-Zielwert für staatliche Entwicklungszusammenarbeit von 0,7 Prozent des BIP so rasch wie möglich zu erreichen und durch jährliche Erhöhung der entsprechenden Mittel Rechnung zu tragen. Konkrete Fortschritte zur Erreichung des Wertes sind im Rahmen von Zeitplänen anzustreben. Langfristig soll ein Wert von ein Prozent des BIP angestrebt werden. Der Bundestag wird aufgefordert, diese Zielsetzung in den Haushaltsentscheidungen zu berücksichtigen.

Zur Verbesserung der Kohärenz internationaler Politik vgl. Empfehlung 10-2, zur entwicklungspolitischen Global Governance vgl. Empfehlung 10-12.

Empfehlung 2-16       Die HIPC-Initiative fortsetzen und Schuldendienst an der Tragfähigkeit bemessen

Die Entschuldung hochverschuldeter, armer Länder soll von Seiten der Industrieländer weiter gefördert, die HIPC- Initiative soll unter Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit der Zielsetzung der Armutsreduzierung fortgesetzt werden.

Die „Tragfähigkeit“ des Schuldendienstes (Zinsen und Rückzahlungsbeträge) müsste heute, ähnlich wie im Londoner Schuldenabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, eine zentrale Rolle bei der Beurteilung der „Überschuldung“ von Staaten spielen, um eine ökonomische, soziale und politische Überforderung zu vermeiden. Soziale und ökologische sowie frauenspezifische Kriterien müssen bei der Erarbeitung des Konzepts tragfähiger Verschuldung berücksichtigt werden. Die für die hochverschuldeten armen Länder (HIPC) bereits heute operationalisierte Kategorie der Tragfähigkeit soll auch auf andere Entwicklungs- und möglicherweise auch Schwellenländer in angepasster Weise ausgedehnt werden, um die Transparenz des Schuldendienstes zu erhöhen. Dies kann Schuldnern ebenso zu Gute kommen wie Kreditgebern und den Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit.

Empfehlung 2-17       Eine internationale Insolvenzregelung entwickeln

Die Enquete-Kommission empfiehlt die Einrichtung eines internationalen Insolvenzverfahrens für eine ge­ regelte und faire Entschuldung von souveränen Schuldnern, die ihren Verpflichtungen zum Schuldendienst nicht nachzukommen vermögen. Über die Modalitäten eines solchen Verfahrens sowie die institutionelle Ausgestaltung einer Organisation zur Durchführung des Insolvenzverfahrens in gebührender Unabhängigkeit von Schuldnern, Gläubigern und internationalen Finanz­ institutionen soll ein Einverständnis innerhalb der damit befassten internationalen Organisationen (vor allem des IWF) und zwischen den Regierungen der Indus­ trie- und Entwicklungsländer gesucht werden. Die Enquete-Kommission ist der Überzeugung, dass nur eine unabhängige Schiedsstelle mit neutralem Vorsitz und bei paritätischer Beteiligung von Schuldnern und Gläubigern, ausgestattet mit verbindlicher Entscheidungskraft, in der Lage ist, die Aufgaben effizient und ohne Ansehung von anderen In­ teressen als den in der Satzung des Insolvenzverfahrens vorgesehenen (vor allem die Kriterien der Tragfähigkeit des Schuldendienstes) zu erfüllen. Nur so ist eine „ordentliche“ Lösung von schweren Schulden- und Finanzkrisen („orderly debt work-out“) möglich.

Empfehlung 2-18       Frauen in die Entwicklungsfinanzierung aktiv einbeziehen

Mikrokreditprogramme, insbesondere in Verbindung mit sozialer Sicherung, Bildung und Gesundheitsvorsorge stellen eine aussichtsreiche Alternative für Frauen dar und wurden auch in der „Aktionsplattform von Beijing“ nachdrücklich empfohlen. Diese müssen in der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit weiterhin unterstützt werden. Kredite für frauenspezifische Projekte sollen sub­ ventioniert werden können. Die Hindernisse für Frauen als Kreditnehmerinnen (in Bezug auf vorzuweisende Kreditwürdigkeit, Eigenkapitalbeteiligung u.a.m.) müssen abgebaut werden. Hier sind die bereits vorhandenen geschlechtsspezifischen „Fenster“ der Finanzinstitutionen und die entsprechenden Sensibilisierungsmaßnahmen von Finanzinstituten von besonderer Bedeutung. Sie sollten fortentwickelt werden. Dabei müssen bestehende Programme ständig hinterfragt und dahingehend analysiert und evaluiert werden, ob sie wirklich zur Verbesserung der Situation von Frauen („Empowerment“) beitragen.



50 Zu den Handlungsempfehlungen 2-1, 2-6 bis 2-10, 2-12, 2-13, 2-16 und 2-17 vgl. das Minderheitenvotum der CDU/CSU-Fraktion in Kapitel 11.1.7.1.Vgl. auch die ergänzenden Handlungsempfehlungen der PDS-Fraktion in Kapitel 11.3.2.

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