4.10
Handlungsempfehlungen
4.10.1
Handlungsempfehlungen zur Informalität der Arbeit
Empfehlung 4-18 Forderung nach mehr
statistischer Transparenz
Der Bundesregierung wird empfohlen,
in den zuständigen internationalen Institutionen darauf
hinzuwirken, dass differenzierte Daten über Umfang und Dynamik
des informellen Sektors erhoben werden. Damit könnten
„Grauzonen“ zwischen Formalität und
Informalität, zwischen Informalität und Illegalität
bzw. Kriminalität aufgehellt werden. Insbesondere sollte eine
geschlechtssensible Datenerhebung zu den Leistungen des informellen
Sektors eingeführt werden.
Empfehlung 4-19 Ausreichende Versorgung mit
öffentlichen Gütern56
Der Bundesregierung wird empfohlen,
im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf ein ausreichendes
Angebot an öffentlichen Gütern hinzuwirken, da
Informalität sehr häufig eine Antwort auf den Mangel an
öffentlichen Gütern ist, der nicht zuletzt durch die
Privatisierungsprogramme der vergangen zwei Jahrzehnte in aller
Welt verschärft wurde.
Empfehlung 4-20 Stärkung von sozialen
Sicherungsmaßnahmen im informellen Sektor
Der Bundesregierung wird empfohlen,
im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf einen verbesserten
sozialen Schutz für Beschäftigte im informellen Sektor
hinzuwirken. Dies kann z. B. erfolgen durch den Einbezug informell
Beschäftigter in staatlichen oder selborganisierten Systemen
der Kranken- und Alterssicherung sowie im Ausbau von Bildungs- und
Kinderbetreuungseinrichtungen.
In diesem Zusammenhang wird
empfohlen, genossenschaftliche oder genossenschaftsähnliche
Ansätze zur Selbstorganisation der Betroffenen zu
unterstützen, die an den besonders verletzlichen Stellen der
Biographien von im informellen Sektor Tätigen, insbesondere
der hier tätigen Frauen, ansetzen. Sie zielen ab auf eine
bessere oder überhaupt eine Absicherung dieser
Verletzlichkeit, z. B. mit Banken/Sparunterstützungen,
Mikrokrediten, Versicherungen insbesondere für Tod, Unfall,
längere Phasen von Krankheit und Arbeitsunfähigkeit.
Solche Ansätze (vgl. z. B. SEWA in Indien) sollten wegen ihres
Modellcharakters besonders politisch unterstützt werden.
Hierbei geht es um eine Verbreiterung der politischen Diskussion
über ihre Arbeit und um die besondere Berücksichtigung
solcher Arbeitsansätze im Zusammenhang mit der
Entwicklungsfinanzierung.
Empfehlung 4-21 Förderung des
ILO-Programms „Menschenwürdige Arbeit“
Der Bundesregierung wird empfohlen, das ILO-Programm zur
Menschenwürdigen Arbeit (Decent Work), das für
Lohnarbeiter auf dem formellen Arbeitsmarkt wie für
nicht-registrierte Lohnarbeit und für (kleine)
Selbständige im informellen Sektor gilt, auf internationaler
Ebene auch weiterhin uneingeschränkt zu unterstützen und
dabei die Gleichstellungsdimension zu betonen.
Empfehlung 4-22 Anerkennung und
Unterstützung von Organisationen im informellen Sektor
Der Bundesregierung wird empfohlen, im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit darauf hinzuwirken, dass internationale
Entwicklungsnetzwerke wie z. B. Home/ Net, StreetNet oder WIEGO als
Gesprächs- und Verhandlungspartner anerkannt werden. Einen
wichtigen Beitrag können dabei auch Gewerkschaften und
Belegschaften global operierender Unternehmen leisten, indem sie
ihre Ressourcen (Informationen, Geld und Personal) in die bereits
existierenden Netzwerke grenzüberschreitender Mobilisierung
von „informal workers“einbringen und/oder
Basisaktivitäten in den Ländern des Südens und
Ostens, in Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen NGOs
unterstützen.
Empfehlung 4-23 Verbesserter Zugang zu
Ressourcen
Der Bundesregierung wird empfohlen, die
Entwicklungszusammenarbeit verstärkt darauf zu orientieren,
die Einkommen der Frauen im informellen Sektor zu verbessern. Ihnen
sollten in Beratungs- und Bildungsprojekten, sowie in
Mikrokreditprogrammen angemessene Ressourcen zur Verfügung
gestellt werden. Empfohlen wird zudem, die Entwicklung von Zukunftskonzepten
und -szenarien, die eine gleiche Beteiligung von Frauen und
Männern in Erwerbstätigkeit, unbezahlter
Versorgungsarbeit und „BürgerInnenarbeit“
ermöglichen, anzuregen und zu unterstützen.
56 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum
von der CDU/CSU-Fraktion in Kapitel
11.1.7.3.
|