4.8.2 Handlungsempfehlungen
zur Europäischen Steuerpolitik43, 44
Zwar kann fiskalischer und steuerlicher Wettbewerb
durchaus eine wichtige Korrektur- und Entdeckungsfunktion haben, jedoch ist
dieser durch Harmonisierung in Form von Mindest-Regulierungen in geordnete Bahnen
zu lenken. Dies sollte zunächst innerhalb der EU erfolgen. Ergänzende Übereinkommen
sind aber auch zwischen den OECD-Ländern oder sogar weltweit unter dem Dach
der WTO oder der UN wünschenswert. Dabei scheint insbesondere in den letzten
Jahren die Bereitschaft gewachsen
zu sein, gemeinsame Maßnahmen gegen die Steuerarbitrage der Unternehmen und
„unfaire“ Steuerpraktiken einzelner Staaten zu ergreifen. Bedenklich am internationalen
Steuerwettbewerb ist gleichzeitig jedoch vor allem die Zunahme von Steuerbefreiungen
oder -vergünstigungen, mit denen gezielt Finanzkapital und Finanzierungsdienstleistungen
sowie einkommens- und vermögensstarke Haushalte angelockt werden. Diese Entwicklungen
tragen deutliche Zeichen einer „beggar-my-neigbour-policy“, da sich die einzelnen
Länder nur gegenseitig steuerliche Bemessungsgrundlagen abgraben, ohne dass
damit echte realwirtschaftliche Wohlfahrtssteigerungen verbunden sind.
Empfehlung 4-11 Stärkere Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen der Unternehmensbesteuerung
Es wird
empfohlen, innerhalb der EU die Bemessungsgrundlagen der Unternehmensbesteuerung
stärker zu harmonisieren. Dies würde die Transparenz für Steuerbelastung erhöhen
und die Möglichkeiten einschränken, Steuern z.B. durch Verrechnungspreise zu
gestalten und „unfairen“ Steuerwettbewerb durch spezifische Vergünstigungen
zu betreiben. Besteuerungsautonomie und „fairer“ Steuerwettbewerb könnten weiterhin
über die Steuersätze gewährleistet werden; eventuell müssten Mindeststeuersätze
eingezogen werden.
Empfehlung 4-12 Verbesserte Koordinierung der steuerlichen Behandlung grenz-überschreitender
Geschäfts beziehungen von multinationalen Unternehmen
Es wird
empfohlen, die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen
von multinationalen Unternehmen besser zu koordinieren. Dies betrifft Regelungen
zu Transfer-Preisen, Finanzierungsbeziehungen, der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter,
der Aufteilung von Betriebsausgaben und Gewinnen sowie Verlustausgleich. Hier
sollten möglichst einheitliche Anwendungsgrundsätze vereinbart und in die nationale
Steuerpraxis umgesetzt werden.
Empfehlung 4-13 Bekämpfung von Standort konkurrenz, die mittels Steuerver günstigungen
und steuerlichen Sonderkonditionen für mobile Unternehmens funktionen erfolgt
Des Weiteren
wird empfohlen, der Standortkonkurrenz mittels Steuervergünstigungen und steuerlichen
Sonderkonditionen für mobile Unternehmensfunktionen (Ka pitalanlagen, Holding-
und Finanzierungsfunktionen,
Lizenzverwaltung, Versicherungsdienstleistungen etc.) konsequent entgegenzuwirken.
Inwieweit politische Über einkommen innerhalb von EU und OECD im Sinne von
Verhaltenskodizes hierfür ausreichen, muss die politische Praxis zeigen.
Empfehlung 4-14 Anpassung
der Doppel besteuerungs abkommen an veränderte Gegebenheiten
und Subventionskontrolle
Es wird empfohlen, die Doppelbesteuerungsabkommen
an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Zu verschärfen wären Missbrauchsvorschriften,
etwa durch konsequente Anwendung von Aktivitätsklauseln und Regelungen gegen
„treaty shopping“; ferner sollten Amtshilfe und Auskunftsverkehr über die Grenzen
hinweg verbessert werden („große Auskunftsklauseln“). Vorstellbar wäre auch
ein multilaterales Doppelbesteuerungsabkommen für die EU, das die bestehenden
über hundert bilateralen Abkommen zwischen den 15 Mitgliedsländern ersetzen
könnte.
Schwerer zu beurteilen sind die Steuervergünstigungen,
die neben direkten Subventionen im Rahmen der regionalen Gebietsförderung gewährt
werden. Zwar kann es den einzelnen Ländern und deren regionalen Gebietskörperschaften
nicht verwehrt werden, die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Regionen zu stabilisieren.
Die Gefahr von Subventionswettbewerben liegt aber auf der Hand. Ohnehin ist
die Besteuerung nur ein Instrument im fiskalischen Wettbewerb, daneben werden
Investoren bevorzugt mit öffentlichen Gütern oder Subventionen versorgt. Dies
spricht für eine umfassende Subventionskontrolle, die präferenzielle Behandlungen
jeder Art erfasst, regelmäßige Programmevaluierungen vornimmt und die Gewährung
zeitlich befristet; dies gibt es auf EU-Ebene im Rahmen des Beihilferechts bereits
in Ansätzen.
43 Vgl. hierzu auch das abweichende
Minderheitenvotum von der
CDU/CSU-Fraktion in Kapitel 11.1.7.3.
44 Vgl. hierzu auch das abweichende
Minderheitenvotum von der PDSFraktion
in Kapitel 11.3.5.
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