*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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6.2.1.1    Zugang zu Kompetenzen und Qualifikation5

Der Zugang zu Bildung und Qualifikation und dabei insbesondere die Nutzung der internationalen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten stellt eine wesentliche Voraussetzung dar, um die Chancen der Globalisierung nutzen zu können (vgl. auch Kapitel 5).

Grundbildung umfasst den Zugang zur Schulbildung und zur Lesefähigkeit als eine Voraussetzung zur sozialen Teilhabe. Mitte der 90er Jahre lag der Zugang zur Schulbildung von Mädchen und Jungen in Lateinamerika, Ost­ asien, Zentralasien bei 80–90 Prozent. Hier war der Zugang bei Jungen und Mädchen ausgewogen, oder es konnte ein leichter Vorsprung bei Mädchen verzeichnet werden. In Südafrika konnte fast eine „allgemeine Schulbildung“ erreicht werden, da der Schulzugang von Jungen bei 95 Prozent und von Mädchen bei 99 Prozent lag (UN 2000: 86). Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in der Grundbildung besteht weiterhin im Nahen Osten und in Nordafrika, wo der Mädchenanteil bei acht bis zehn Prozent unter dem der Jungen, aber immer noch über 75 Prozent liegt. In den islamischen Ländern haben Mädchen also grundsätzlich Zugang zur Schulbildung, wenn auch in etwas geringerem Umfang. Dramatische Ungleichheiten treten dagegen in Südasien (Mädchen: 64%, Jungen: 77%) und im subsaharischen Afrika außer Südafrika (Mädchen: 47%, Jungen: 59%) auf. Nach UNESCO-Schätzungen sind fast zwei Drittel der Analphabeten auf der Welt weiblich und ihre Zahl wird noch zunehmen. Die Zahl der weiblichen Analpha­ beten wird – in absoluten Angaben – bis 2005 im subsaharischen Afrika auf 91 Millionen und in Südasien auf 285 Millionen steigen. Diese Frauen werden von der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und sozia­ ler und politischer Partizipation weitgehend ausgeschlossen werden. Von den positiven Seiten der Globalisierung werden diese Frauen kaum profitieren können (UN 2000: 87).

Beim Zugang zur tertiären Bildung6 haben sich geschlechtsspezifische Ungleichheiten um die Mitte der 90er Jahre deutlich verringert, und in den entwickelten Ländern sowie im (überwiegend islamischen) Westasien und der Kari­ bik überwog der Frauenanteil sogar leicht. Allerdings variiert auch der Zugang insgesamt sehr stark: Nur eine von 1000 Frauen (bei Männern drei von Tausend) studierten in tertiären Einrichtungen im subsa­ hari­ schen Afrika – außer in Südafrika, wo der Anteil von 1980–1994/6 fast verdrei­ facht wurde.7 In Ostasien haben sich breitere Schichten mit einem Anteil von 20 pro ­ Tau­ send bei den Frauen und 25 pro Tausend bei den Männern den Zugang zur tertiären Bildung eröffnet (UN 2000: 90).

Bemerkensweit ist die höhere Bildungsintegration von Frauen in Westasien, die im Widerspruch zu pauschalen Annahmen über die Unterordnung von Frauen in islami­ schen Gesellschaften steht. Die arabischen Länder stehen hinter den OECD-Staaten an zweiter Stelle mit den la­ teinamerikanischen Ländern, was die Bildungsin­ tegration von Frauen angeht (Basma Bint Talal 1996). In Jordanien strebt ein Drittel der jun­ gen Frauen in der Altergruppe von 18–23 einen akademi­ schen Abschluss an oder hat bereits eine universitäre oder weiterqualifizierende Ausbildung abgeschlossen.

Auch im Bereich der neuen Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) zeigen sich geschlechtspezifische Disparitäten. Um IuK-Techniken aktiv einzusetzen und zu gestalten, bedarf es hoher und inte­ grierter Qualifikationen und spezifischer technischer Ressourcen (vgl. Kapitel 5,s. Goldmann 2002).

6.2.1.1.1  Frauen in der Wissenschaft: Die Stellung Deutschlands im internationalen Vergleich8

In einer globalisierten Welt spielt der Ausbau von Humankapital eine zunehmend wichtige Rolle. Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass Frauen an diesem Prozess des Wissensaufbaus, der durch die neuen IuK-Techniken beschleunigt wird, beteiligt sind. In Entwicklungsländern führt der Zugang von Frauen zu Bildung und Qualifikation insbesondere zu einer verbesserten gesundheitlichen Aufklärung, die sich z.B. bei der Bekämpfung von AIDS gesamtgesellschaftlich positiv auswirkt. Exemplarisch wird an dieser Stelle jedoch auf die Bedeutung von Frauen in der Wissenschaft in einigen ausgewählten Industrie­ ländern eingegangen, da trotz des öffentlich diskutierten Wissenschafts- und Fachkräftemangels in Deutsch­ land    das Arbeitskräftepotenzial von hochqualifizierten Frauen als Wettbewerbsgröße bislang keine ausreichend zentrale Rolle spielt (vgl. Kapitel 4.4).

Betrachtet man die zunehmende Anzahl von jungen Frauen an den deutschen Hochschulen, ist zunächst deren volle Partizipation unter den Studierenden festzuhalten. Die Hälfte aller Erstsemester an Universitäten sind Frauen und fast 45 Prozent aller Diplome und Magister werden an Frauen vergeben. Dagegen liegt der Frauenanteil bei den Promotionen nur bei einem Drittel, bei den Habilitationen bei unter einem Fünftel. Ein ähnlicher Schwund zeigt sich im wissenschaftlichen Berufungssystem: Besetzen Frauen noch fast jede dritte Position im wissenschaftlichen Mittelbau, so ist es jede zehnte Position bei C2- und C3-Professuren und etwas mehr als jede zwanzigste Position bei C-4 Professuren. In den Leitungspositionen der Hochschulen sind Frauen mit 11,6 Prozent (2000) vertreten, in den außeruniversitären Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen werden 5,7 Prozent der Leitungspositionen von Frauen besetzt (s.Abbildung 6-3). Hinter den dargestellten Befunden verbergen sich deutliche Unterschiede zwischen wissenschaftlichen Disziplinen, zwischen Bundesländern sowie Bestand und Neuzugängen. Der Frauen­ anteil liegt bei den Habilitantinnen mit fünf Prozent in den Ingenieurswissenschaften am niedrigsten, in den Sprach- und Kulturwissenschaften mit 33 Prozent am höchsten (Allmendinger 2002).

Der Blick über die Grenzen zeigt, dass Deutschland bei der Integration von Frauen in die Wissenschaft weit hinter vergleichbaren Ländern zurückbleibt. Dies soll zunächst in einem Vergleich zu den USA verdeutlicht werden, im Anschluss daran wird die Situation in ausgewählten europäischen Ländern dargestellt.

In den USA zeigen sich auf jeder einzelnen Stufe markant höhere Frauenanteile, bei Promotionen liegt der Unterschied bei über 10 Prozentpunkten, bei Habilitationen – in den USA werden hier die vergleichbaren assistant professors betrachtet – sogar bei 27 Prozentpunkten. Auf der Ebene von C4-Professuren (full professors) findet man in den USA 22 Prozent Frauen, also mehr als dreimal so viele wie in Deutschland. Im deutsch-amerikanischen Vergleich zeigen sich darüber hinaus weitere Brüche. In Deutschland sieht man deutlich das bereits bekannte Muster stetig abfallender Frauenanteile, wobei der Verlust an Frauen besonders deutlich zwischen der Promotion (33 %) und der Habilitation (18 %) ist.

Betrachtet man Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, kommt man zu ähnlichen Ergebnissen. Insbesondere nach der Promotion liegen die Frauen­ anteile mit etwa 60 Prozent in Schweden und Spanien deutlich höher als in Deutschland. In Schweden verlassen Frauen vor allem nach dem Studium die Wissenschaft, der Frauenanteil an Promovierenden fällt mit 34 Prozent ähnlich wie in Deutschland aus. Gleichwohl vollzieht sich der beobachtbare Filterprozess in Schweden und Spanien weniger drastisch als in Deutschland.

In der öffentlichen Diskussion scheint sich über die Jahre die Argumentation von einem qualifikationsbedingten „Frauen können nicht“ über ein diskriminierendes „Frauen dürfen nicht“ hin zu einem subjektiv zu verantwortenden „Frauen wollen nicht“ verschoben zu haben. Qualifikationsbedingte Begründungen für die niedrigen Frauenanteile sind in der Tat kaum zu halten, auf jeder Qualifikationsstufe gibt es wesentlich mehr ausgebildete Frauen als sich auf der nächst höheren finden lassen. Die niedrige Einbindung von Frauen in Führungspositionen des Wissenschaftssystems ergibt sich hauptsächlich durch    die Organisation und die Struktur der wissenschaftlichen Ausbildung, welche zu personenbezogen, zu personengebunden, zu intransparent in ihren Anforderungen, zu unsicher in ihrem Ergebnis und zu lang ist. Diese Strukturdefizite führen zu dem großen Schwund von Frauen zwischen erstem Hochschulabschluss und der Promotion, insbesondere aber zwischen Promotion und Professur. Neben strukturellen Defiziten müssen sich Frauen zudem zwischen verschiedenen Lebensentwürfen entscheiden, da die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht ausreichend gewährleistet ist.



5 Dieses Kapitel basiertauf einem Gutachten von Lenz (2002).

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6 Der tertiäre Bildungsbereich umfasst v. a. die verschiedenen Hochschularten und in eingeschränktem Umfang Einrichtungen außerhalb des Hochschulbereichs, z. B. Berufsakademien (KMK 2001: 146)

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7 1994/6 studierten in Südafrika sieben von tausend Frauen und acht von tausend Männern in tertiären Bildungseinrichtungen (UN 2000: 90).

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8 Dieses Unterkapitel beruht auf einem Gutachten von Allmendinger (2002).

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Abbildung 6-3