*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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4.10        Handlungsempfehlungen

4.10.1     Handlungsempfehlungen zur Informalität der Arbeit

Empfehlung 4-18  Forderung nach mehr statistischer Transparenz

Der Bundesregierung wird empfohlen, in den zuständigen internationalen Institutionen darauf hinzuwirken, dass differenzierte Daten über Umfang und Dynamik des informellen Sektors erhoben werden. Damit könnten „Grauzonen“ zwischen Formalität und Informalität, zwischen Informalität und Illegalität bzw. Kriminalität aufgehellt werden. Insbesondere sollte eine geschlechtssensible Datenerhebung zu den Leistungen des informellen Sektors eingeführt werden.

Empfehlung 4-19  Ausreichende Versorgung mit öffentlichen Gütern56

Der Bundesregierung wird empfohlen, im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf ein ausreichendes Angebot an öffentlichen Gütern hinzuwirken, da Informalität sehr häufig eine Antwort auf den Mangel an öffentlichen Gütern ist, der nicht zuletzt durch die Privatisierungsprogramme der vergangen zwei Jahrzehnte in aller Welt verschärft wurde.

Empfehlung 4-20  Stärkung von sozialen Sicherungsmaßnahmen im informellen Sektor

Der Bundesregierung wird empfohlen, im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf einen verbesserten sozialen Schutz für Beschäftigte im informellen Sektor hinzuwirken. Dies kann z. B. erfolgen durch den Einbezug informell Beschäftigter in staatlichen oder selborganisierten Systemen der Kranken- und Alterssicherung sowie im Ausbau von Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen.

In diesem Zusammenhang wird empfohlen, genossenschaftliche oder genossenschaftsähnliche Ansätze zur Selbstorganisation der Betroffenen zu unterstützen, die an den besonders verletzlichen Stellen der Biographien von im informellen Sektor Tätigen, insbesondere der hier tätigen Frauen, ansetzen. Sie zielen ab auf eine bessere oder überhaupt eine Absicherung dieser Verletzlichkeit, z. B. mit Banken/Sparunterstützungen, Mikrokrediten, Versicherungen insbesondere für Tod, Unfall, längere Phasen von Krankheit und Arbeitsunfähigkeit. Solche Ansätze (vgl. z. B. SEWA in Indien) sollten wegen ihres Modellcharakters besonders politisch unterstützt werden. Hierbei geht es um eine Verbreiterung der politischen Diskussion über ihre Arbeit und um die besondere Berücksichtigung solcher Arbeitsansätze im Zusammenhang mit der Entwicklungsfinanzierung.

Empfehlung 4-21  Förderung des ILO-Programms „Menschenwürdige Arbeit“

Der Bundesregierung wird empfohlen, das ILO-Programm zur Menschenwürdigen Arbeit (Decent Work), das für Lohnarbeiter auf dem formellen Arbeitsmarkt wie für nicht-registrierte Lohnarbeit und für (kleine) Selbständige im informellen Sektor gilt, auf internationaler Ebene auch weiterhin uneingeschränkt zu unterstützen und dabei die Gleichstellungsdimension zu betonen.

Empfehlung 4-22  Anerkennung und Unterstützung von Organisationen im informellen Sektor

Der Bundesregierung wird empfohlen, im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit darauf hinzuwirken, dass internationale Entwicklungsnetzwerke wie z. B. Home/ Net, StreetNet oder WIEGO als Gesprächs- und Verhandlungspartner anerkannt werden. Einen wichtigen Beitrag können dabei auch Gewerkschaften und Belegschaften global operierender Unternehmen leisten, indem sie ihre Ressourcen (Informationen, Geld und Personal) in die bereits existierenden Netzwerke grenzüberschreitender Mobilisierung von „informal workers“einbringen und/oder Basisaktivitäten in den Ländern des Südens und Ostens, in Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen NGOs unterstützen.

Empfehlung 4-23  Verbesserter Zugang zu Ressourcen

Der Bundesregierung wird empfohlen, die Entwicklungszusammenarbeit verstärkt darauf zu orientieren, die Einkommen der Frauen im informellen Sektor zu verbessern. Ihnen sollten in Beratungs- und Bildungsprojekten, sowie in Mikrokreditprogrammen angemessene Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Empfohlen    wird zudem, die Entwicklung von Zukunftskonzepten und -szenarien, die eine gleiche Beteiligung von Frauen und Männern in Erwerbstätigkeit, unbezahlter Versorgungsarbeit und „BürgerInnenarbeit“ ermöglichen, anzuregen und zu unterstützen.



56 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum von der CDU/CSU-Fraktion in Kapitel 11.1.7.3.

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