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Claudia Heine
Mit einem blauen Auge davongekommen
Der Parteitag der Linkspartei stimmte für
eine Fusion mit der WASG
Es sollte über die Kooperation mit der
Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG )abgestimmt
werden. Und es stand eine Änderung des Statuts auf dem
Programm, die eine Doppelmitgliedschaft in beiden Parteien
ermöglichen soll. Aber mit einem wirklich spannenden Parteitag
der Linkspartei am 10. und 11. Dezember in Dresden hatten
Beobachter vorher nicht gerechnet. Denn als die eigentlichen
Fusions-Kritker fiel im Vorfeld eher die WASG auf, während aus
den eigenen Reihen keine Gefahr drohte.
Dafür hatte sich die Partei- und
Fraktionsprominenz von Linkspartei und WASG zu Beginn des
Parteitages auch richtig ins Zeug gelegt. Während Lothar Bisky
noch nie als großes Redetalent aufgefallen war und in einer
nüchternen Rede die Grundzüge künftiger Politik
skizzierte, bekam man als Zuhörer bei der anschließenden
Rede Gregor Gysis Angst. Derart emotional aufgewühlt redete
der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag auf die Zuhörer
ein, dass man sich ernsthafte Sorgen um seine Pulsfrequenz machen
musste. Aber er verfehlte seine Wirkung nicht: "Wir sind mit
über acht Prozent in den Bundestag eingezogen. Nun zeigt doch
mal, dass wir uns über diese Entwicklung auch freuen
können!", rief er den Delegierten zu, deren Applaus bis dahin
etwas müde gewirkt hatte. Spätestens jetzt waren alle
hellwach. Die Stimmung stieg. Und damit auch die Voraussetzung, um
die Mehrheit für das Kooperationsabkommen mit der WASG zu
begeistern.
Das hatten die Spitzen der Linkspartei,
Lothar Bisky und Bodo Ramelow, und der WASG, Klaus Ernst und Thomas
Händel, am 6. Dezember in Berlin unterzeichnet. Es sieht vor,
beide Parteien bis spätestens Juni 2007 zu vereinigen. "Das
ist lang. Aber es ist auch richtig. Die Zeit, die wir brauchen, die
brauchen wir auch", sagte Gysi und verwies auf die historische
Chance, eine gesamtdeutsche linke politische Kraft in Deutschland
zu etablieren. Noch deutlichere Beschwörungsformeln benutzte
Oskar Lafontaine, neben Gysi ebenfalls Vorsitzender der
Bundestagsfraktion: "Wir würden vor der Geschichte versagen,
wenn wir das jetzt nicht machen."
Doch ein Verweis nur auf die Geschichte
reicht für erfolgreiche Überzeugunsgarbeit nicht. Dessen
war sich die Promimenz in Dresden durchaus bewusst. Bisky, Gysi,
Lafontaine und Klaus Ernst bemühten deshalb zahlreiche
Verweise auf die aktuelle Politik, um die Notwendigkeit, die
Fraktionsgemeinschaft von Linkspartei und WASG im Bundestag in die
feste Form einer gemeinsamen Partei zu gießen, zu
begründen. In diesem Zusammenhang fiel kein Begriff so oft wie
der des Neoliberalismus. Über die Arbeit der Großen
Koalition sagte Gysi: "Es ist dieselbe neoliberale Richtung, die
wir seit sieben Jahren erleben. Wer kann denn im Ernst glauben,
dass das zu irgendeiner Art von Erfolg führt?" Und über
Steuerleichterungen für Unternehmen: "Arbeit entsteht, wenn es
mehr Arbeit gibt, nicht einfach, wenn es mehr Geld gibt. Arbeit
ensteht, wenn wir endlich wieder mehr Kaufkraft haben." Scharf
kritisierte Gysi deshalb die geplante Mehrwertsteuerhöhung ab
2007. "Ich begreife gar nicht, wie man auf solch eine Idee kommen
kann. Ich bitte euch: Lest alle Argumente der SPD aus dem Sommer
nach, die stimmen alle."
Solche Bemerkungen kamen an bei den
Delegierten, auch bei den Gästen von der WASG. In ihrer Kritik
am Sozialabbau sind sich beide Parteien zwar grundsätzlich
einig. Aber es gebe auch Trennendes, hob Klaus Ernst hervor. Und
meinte damit nicht nur "persönliche Eitelkeiten zwischen
einzelnen Leuten", sondern "ernsthafte politische
Meinungsunterschiede" über die Frage der
Regierungsbeteiligungen. Auf dieses Hauptproblem, das die
Vorbehalte der WASG gegen eine Fusion mit der Linkspartei
begründet, gingen zuvor schon Gysi und Lafontaine ein, indem
sie die Erfolge der Koalitionen auf Länderebene, an denen die
Linkspartei beteiligt ist, hervorhoben. Auch Bisky hatte
grundsätzlich solche Regierungsbeteiligungen - auch auf
Bundesebene - verteidigt. Klaus Ernst appellierte vor allem an die
Vernuft: "Das können wir nicht dadurch lösen, indem wir
aufeinander eindreschen." Miteinander statt übereinander zu
reden, forderte er deshalb von jenen, die vor allem in
Mecklenburg-Vorpommern und Berlin Bauchschmerzen mit einer Fusion
haben. Für viele WASG-Mitglieder bedeutet die
Regierungsbeteiligung der Linkspartei in beiden Bundesländern
zugleich eine Beteiligung an dem "neoliberalen
Kahlschlag".
Bis dahin bot der Parteitag wenige
Überraschungen. Doch nachdem die Kooperationsvereinbarung
gebilligt worden war, kam es am Abend des ersten Tages zum Eklat.
Nicht, weil der frisch gewählte Bundesgeschaftsführer der
Partei, Dietmar Bartsch, ein mit 64 Prozent eher mäßiges
Ergebnis erzielt hatte. Der 47-Jährige, als Reformer bekannte
Politiker ("Politik statt Ideologie"), übte das Amt bereits
von 1997 bis 2002 aus und legte es als Konsequenz der Wahlschlappe
in jenem Jahr nieder. Umstritten war und ist seitdem vielmehr die
Wahl des neues Bundeschatzmeisters - eigentlich ein eher
unscheinbares Parteiamt. Das Interesse steigt spätestens dann,
wenn der Kandidat, wie geschehen, in seiner Bewerbunsgrede auf
seine Tätigkeit für die Stasi hinweist. Der
47-jährige Steuerberater Bernhard Walther konnte oder wollte
zugleich jedoch die Nachfragen von Delegierten nicht beantworten,
was man sich darunter vorzustellen habe. Die Angabe "etwas im Sinne
der DDR" gemacht zu haben, stellte viele von ihnen nicht zufrieden.
Auch nicht der Hinweis, dass die Akte bereits vom Parteivorstand
angefordert worden sei, aber noch niemand wisse, was darin steht.
Bisky räumte hinterher ein, dass die Vorbereitung dieser Wahl
nicht optimal verlaufen sei. Trotz Bedenken bestätigten die
Delegierten Walther mit 68 Prozent, und wegen dieser Bedenken
übt zunächst Parteichef Bisky das Amt des Schatzmeisters
kommissarisch aus, bis die Fakten geklärt sind.
Der richtige Schreck fuhr allen Teilnehmern
jedoch erst am Sonntag in die Glieder. Was auf der Tagesordnung
trocken aussieht - Änderung des Statuts - entpuppte sich als
Zerreißprobe dessen, was am Tag zuvor weitgehend harmonisch
besprochen worden war: die Fusion mit der WASG. Ironischerweise
widerlegte sich die Mehrheit der Delegierten mit ihrer Ablehnung
der Doppelmitgliedschaft selber. Denn die Kooperationsvereinbarung,
die sie noch am Vortag mit großer Mehrheit und nach einer
wenig kontroversen Debatte gebilligt hatten, enthält diese
Möglichkeit einer Doppelmitgliedschaft. Im zweiten Anlauf
klappte es schließlich, und umso größer war nun die
Zustimmung: 316 der ungefähr 350 Delegierten votierten
dafür. Damit war die Gefahr des Scheiterns der
Parteineugründung erstmal gebannt und alle mit einem blauen
Auge davongekommen.
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